"Suchtkranke sind seit einem Monat da"

Unternehmer Klaus Tengler fürchtet um die Popularität des Sobieskiviertels.
Den Tag der offenen Tür in der neuen Drogenberatungsstelle nutzten die Gegner zum Protest und die Betreiber zur Aufklärungsarbeit.

Klaus Tengler steht vor seinem Geschäft an der Nussdorfer Straße, hinter ihm baumelt ein T-Shirt mit der Aufschrift „NEIN!“ vom Rollladen. Der Unternehmer beobachtet misstrauisch das Geschehen auf der anderen Straßenseite. Dort findet gerade ein Tag der offenen Tür in der neuen Drogenberatungsstelle statt – zwei Tage, bevor sie offiziell eröffnet. Am frühen Nachmittag stehen aber vor allem Journalisten vor dem Gebäude herum. Ein paar Dutzend Vertreter der Bürgerinitiative, die gegen das Projekt der Suchthilfe auf die Barrikaden steigt, singen einstweilen auf dem nahen Sobieskiplatz „Schubert-Lieder gegen die Obrigkeit“.

„Sehr passend“, findet Roland Reithofer, Geschäftsführer der Suchthilfe. „Schließlich war Franz Schubert schwer suchtkrank. Er hätte sich gefreut, wenn es damals so eine Beratungsstelle gegeben hätte.“

Widerstand

Die Anrainer auf dem Sobieskiplatz freuen sich jedenfalls nicht. Weil die soziale Einrichtung der Stadt Wien mitten im Siedlungsgebiet nicht weit entfernt von Schulen und Kindergärten angesiedelt wird, sind sie besorgt.

Tengler singt zwar nicht mit, lehnt die Beratungsstelle aber ebenfalls ab. „Es ist immer von Suchtkranken die Rede. Aber wenn ich krank bin, geh ich zum Arzt. Hier werden bloß Spritzen ausgeteilt, um die Krankheit weiter zu schüren“, meint er. Als Unternehmer sorgt er sich um die Popularität des Sobieskiviertels.

Zu Unrecht, versichert man bei der Suchthilfe. Vergleichbare Hilfseinrichtungen wie der „Ganslwirt“ oder das Jedmayer in Mariahilf hätten bewiesen, dass es rund um Drogenberatungsstellen nicht mehr Kriminalität gebe als anderswo.

In der Nussdorfer Straße biete man Beratung Betreuung und Krisenintervention, jedoch keine Substitutionstherapie, erklärt Reithofer. "Für rund 100 Menschen pro Tag." Zudem werden Spritzen getauscht, um Suchtkranke mit Sozialarbeitern in Kontakt zu bringen, die sie dann beim Ausstieg aus der Sucht unterstützen.

Die Aufregung im Grätzel kann er nicht nachvollziehen. Immerhin seien bereits seit einem Monat Suchtkranke hier anwesend, ohne dass es jemandem aufgefallen wäre. „Suchtkranke Mitarbeiter unserer Renovierungsfirma ,Fix & fertig' haben den Umbau hier erledigt.“

Bezirk setzt Maßnahmen durch

Bezirkschefin Martina Malyar (SP) verspricht indes die Gründung eines Dialogforums, an dem neben Vertretern der Stadt Wien, der Suchthilfe und der Polizei auch Anrainer beteiligt sein sollen. Abgesehen davon würden künftig zusätzlich Streetworker und eine weitere Polizeistreife in der Gegend unterwegs sein. Als weitere Zugeständnisse der zuständigen Stadträtin Sonja Wehsely (SP) führt die Bezirksvorsteherin die Schließung der Beratungsstelle an Sonn- und Feiertagen, Informationveranstaltungen für Anrainer und an Schulen, eine verbesserte Beleuchtung auf der Himmelpfortstiege sowie am Sobieskiplatz und schließlich eine Raucherkabine in der Beratungseinrichtung an. Letztere soll dafür sorgen, dass Suchtkranke nicht draußen auf der Straße rauchen.

"Ich nehme die Bedenken der Anrainer ernst", betont Malyar. "Eine Hysterie lasse ich hier aber nicht zu. Denn ich schätze eine Einrichtung für suchtkranke Menschen nicht als bedrohlich ein." Etliche Anrainer wären auch für das Projekt, sagt die Politikerin. "Sie trauen sich aber nicht, sich zu outen, weil sie Repressalien der Gegner in der Nachbarschaft fürchten."

Die FPÖ kündigt für die Sondersitzung des Gemeinderates am Mittwoch einen Misstrauensantrag gegen Stadträtin Wehsely an, sollte diese eine Bürgerbefragung zur Drogenberatungsstelle im Sobieskiviertel nicht umsetzen.

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