Strassers Wege aus der Haft

Seit Mitte Jänner ist Strasser Freigänger.
Er ist einer von immer weniger Freigängern, bald mit Fußfessel im Hausarrest.

Nur wer das Ziel kennt, findet den Weg" lautet ein Leitspruch des Beratungsunternehmens, für das Ernst Strasser jetzt arbeitet. Der wegen Bestechlichkeit zu drei Jahren Haft verurteilte frühere ÖVP-Innenminister hat einen Job in der "Agentur für Veränderungsmanagement" seiner Lebensgefährtin gefunden.

Seine Wege zum Arbeitsplatz werden wahrscheinlich bald mit einer elektronischen Fußfessel überwacht, dafür darf Ernst Strasser dann daheim wohnen und muss nicht mehr ins Gefängnis schlafen gehen.

Acht Wochen nach Antritt seiner Strafe in der Justizanstalt Wien-Simmering war ihm Mitte Jänner Freigang gewährt worden: Montag bis Freitag pendelt Strasser zwischen Zelle und Büro, wo es um strategisches Projektcoaching von Großprojekten geht. Also frei übersetzt um Lobbying mit diesem "special smell" (Strasser), das der einstige EU-Parlamentarier exzessiv betrieben hat.

Die Wochenenden müssen Freigänger in der Regel im Gefängnis verbringen. In der Praxis dürfen sie aber zur Aufrechterhaltung sozialer Kontakte häufig nach Hause.

Laut Anstaltsleiter Josef Schmoll prüft der Bewährungshilfe-Verein Neustart gerade, ob die Voraussetzungen für den elektronisch überwachten Hausarrest bei Strasser gegeben sind. Neustart braucht dafür rund zwei Wochen: Zustimmung der Mitbewohner, Möglichkeit der Überwachung daheim, Tagesstruktur, Resozialisierung.

Zu Letzterem gehört die Auseinandersetzung mit dem Delikt. Wenn der Verurteilte auf dem Standpunkt steht, er habe gar nichts angestellt, wird das im Bericht vermerkt und kann dazu führen, dass der Anstaltsleiter die Fußfessel nicht bewilligt. Da Strasser bisher als Musterhäftling gilt, hat er gute Chancen, seine restliche Strafe bis zur bedingten Entlassung mit Fußfessel verbüßen zu dürfen.

Im Gegensatz zu vielen anderen Verurteilten, die unverschuldet keinen Freigang bzw. keinen Hausarrest bekommen oder die Fußfessel wieder ablegen und ins Gefängnis zurück kehren müssen. Das hängt mit der Wirtschaftslage zusammen. Wenn ein Betrieb wegen schlechter Auftragslage kurzfristig Mitarbeiter abbauen muss, trifft es oft Freigänger oder Fußfessel-Träger. Damit bricht die Voraussetzung für die Gewährung des gelockerten Strafvollzugs weg. Manche helfen sich mit Kinderbetreuung oder ehrenamtlicher Tätigkeit – auch dafür kann Freigang gewährt werden, aber dann fehlt das Einkommen. Neustart fordert, dass in der Zeit des Freiheitsentzuges ein AMS-Anspruch besteht, damit die Leute wenigstens Schulungen absolvieren können.

Weniger Einnahmen

Wegen der schlechten Situation am Arbeitsmarkt ist die Zahl der Freigänger von 2005 im Jahr 2010 auf 1491 im Vorjahr gesunken. Dadurch verringerten sich die Einnahmen für die Justiz (ein Teil des Lohnes, den die Freigänger erwirtschaften, wird einbehalten) von 4,9 auf 3,9 Millionen Euro. Ein Teil wird durch die Einnahmen beim Hausarrest (Fußfessel-Träger müssen 22 Euro pro Tag dafür zahlen) kompensiert, aber auch dort ist die anfängliche Steigerung durch die schwierige Jobsuche nun gebremst.

In der Justizanstalt Simmering sind aktuell 71 Häftlinge auf Freigang. 16 Betriebe nehmen konstant Arbeitskräfte aus dem Gefängnis auf. Josef Schmoll erzählt vom Fall eines vorbestraften Einbrechers, der 2002 als Freigänger beim Roten Kreuz angeheuert hatte und dort für die Verteilung von Sachspenden zuständig ist. Der Mann behielt nach der Haftentlassung seinen Arbeitsplatz, ist nach wie vor dort beschäftigt und wurde nicht mehr rückfällig.

Schwierige Jobsuche

Freigang 2010 bekamen 19 Prozent aller Strafgefangenen Freigang, 2014 waren es nur noch 14 Prozent. Die Zahl der Tage im Freigang sank von 39.299 auf 30.931.

Strassers Wege aus der Haft

Haftentlassenen hilfeDie schlechte Lage am Arbeitsmarkt wirkt sich auch bei der Haftentlassenenhilfe aus: Neustart hilft nach der Entlassung bei der Jobsuche. 2013 lag die Vermittlungsquote noch bei 31 Prozent, im Vorjahr sank sie auf 13 Prozent. Zwei Drittel der Häftlinge sind Ausländer, haben oft gar keine Arbeitsgenehmigung bzw. sind schwer vermittelbar.

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