Steuerreform: Geheime Agenten in Arztpraxen

ELGA sorgt weiterhin für Diskussionen
200 Millionen Euro sollen durch Mystery Shopping lukriert werden - Ärzte orten Pauschalverdacht.

Mystery Shopping. Was im Alltag des Handels bereits Einzug gehalten hat, soll sich nun auch bis in den Warteraum einer Arztpraxis ausweiten. Aber was bedeutet Mystery Shopping? Prüfer der Krankenkassen sollen als Patienten getarnt verstärkt Arztpraxen auf Missbrauch testen. Warum? Das Steuerreformpaket von SPÖ und ÖVP sieht vor, 200 Millionen Euro durch den Kampf gegen Sozialbetrug einzuholen. Gegen diese Pläne läuft die Ärztekammer nun Sturm.

Wechselberger: Pauschalverdacht

Gegenüber Ö1 kritisierte Ärztekammerpräsident Artur Wechselberger diese Form der Betrugsbekämpfung in den Arztpraxen. Testpatienten, die falsche E-Cards vorweisen oder die sich Krankenstand erschleichen, gingen zu weit und stellten Ärzte sowie Patienten unter ungerechtfertigten Pauschalverdacht. (Vertreter der Wirtschaft üben derzeit Kritik an der Registrierkassenpflicht, hier erfahren Sie mehr).

Obwohl es wenige schwarze Schafe gebe, werde im größten Bereich korrekt abgerechnet, erklärt der Ärztekammerpräsident. Es gebe insgesamt 100 Millionen E-Card-Kontakte mit niedergelassenen Ärzten und mit denen seit Jahren stattfindenden Kontrollen der Wiener Gebietskrankenkasse habe man bereits Erfahrung. Demnach würden falsche Leistungsabrechnungen größeren Schaden verursachen als der Betrug durch Patienten. Dieser sei auch sehr selten.

Vertrauen gut, Kontrolle besser

Peter McDonald vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger will das Wiener Modell – der Einsatz von Mystery Shoppern – auf ganz Österreich ausdehnen. Zudem lobt er die Pläne der Regierung, denn Vertrauen sei gut, stichprobenartige Kontrollen aber besser. Die Vorteile einer schärferen Betrugsbekämpfung würden auf der Hand liegen: Unternehmer und Versicherung würden sich Missbrauchszahlungen ersparen. Ausweiskontrollen gemeinsam mit der E-Card bis hin zu ärztlichen Untersuchung vor der Krankschreibung seien mögliche Maßnahmen.

Auf einen Status quo beharrt die Ärztekammer. Für sie kann die Kontrolle bleiben, wie sie ist. Sie hofft, dass die Parlamentarier das Mystery Shopping aus dem Steuerreformpaket von SPÖ und ÖVP noch verhindern.

Der Leiter der Gruppe für Betrugsbekämpfung in der Wiener Gebietskrankenkasse, Franz Schenkermayr, begrüßt den Plan der Regierung, im Zuge der Steuerreform sogenanntes Mystery Shopping bei Ärzten zur Missbrauchsbekämpfung einzusetzen. Die WGKK schickt bereits seit rund vier Jahren als Patienten getarnte Prüfer in Praxen. Das habe sich bewährt, sagte Schenkermayer am Donnerstag im APA-Gespräch.

Andere Methoden zuerst

Die Abteilung für Betrugsbekämpfung in der WGKK gibt es seit 2009, seit 2011 werden auch Testpatienten zu Ärzten geschickt, um deren Leistungen zu überprüfen. Allerdings sei das bisher nur in "einer Handvoll Fällen" geschehen, sagte Schenkermayr. Es handle sich dabei um "die Methode der letzten Wahl", zuerst würden andere Methoden der Kontrolle eingesetzt.

Die WGKK habe sich den Einsatz solcher Testpatienten durch Rechtsgutachten abgesichert. Die gesetzliche Legitimation dafür gebe es jetzt schon für alle Krankenversicherungsträger. Die anderen Träger scheuten bisher aber vor deren Einsatz zurück, offenbar weil sie ihr Verhältnis zu den Ärzten nicht trüben wollten, vermutet Schenkermayr. Wenn es nun aber künftig einen gesetzlichen Auftrag dazu geben sollte, bräuchten sie diese Angst nicht mehr haben. Schenkermayr kann deshalb dem Plan der Regierung zum österreichweiten Einsatz des "Mystery Shopping" durchaus etwas abgewinnen und hofft, dass auch die anderen Träger den Schritt wagen. Er gesteht aber zu, dass dies in einer Großstadt einfacher ist als am Land, wo der Arzt die meisten Patienten persönlich kennt.

Ärztekammer "not amused"

Schenkermayr attestiert auch, dass die Ärztekammer "not amused" (siehe oben) über den Einsatz der Testpatienten ist. Er betont aber, dass dies nur in besonders gravierenden Fällen geschehe und ordnungsgemäß arbeitende Ärzte auch nichts zu befürchten hätten.

Die Gruppe für Betrugsbekämpfung der WGKK deckt nach Angaben ihres Leiters pro Jahr im Schnitt 900.000 bis eine Million Euro an finanziellem Schaden auf. Zwei Drittel dieser Summe könne sie in der Regel wieder einbringen. Drei Ärzten wurde bisher der Kassenvertrag gekündigt. In zwei Fällen davon ist die Entscheidung rechtskräftig, der dritte Arzt ist in der Zwischenzeit verstorben. Mitarbeiter zur Betrugsbekämpfung hat jede Gebietskrankenkasse, eine eigene Gruppe dafür gibt es aber nur in der WGKK.

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