Spiegel-Wirt narrt die Republik

Unerlaubte Einblicke: Die sich schminkende Frau hinter dem Spiegel weiß nichts von ihren Beobachtern.
Ein venezianischer Spiegel erlaubt Blicke aufs Damenklo. Kritik prallt an ihm ab.

Wir waren empört", schilderte Frau B. vor zwei Jahren. Damals dinierte die Wienerin im Szene-Lokal "Dots Experimental Sushi" auf der Wiener Mariahilfer Straße. Nach dem Besuch der Damentoilette drehte es der 45-Jährigen den Magen um. Nicht wegen des ausgefallenen Essens wie etwa Marzipan-Sushi, für das das Asia-Lokal in aller Munde ist.

Frau B. regte sich über einen venezianischen Spiegel auf den Toilette-Anlagen auf. Während die Herren ihr kleines Geschäft vor dem Urinal verrichteten, konnten sie auf das Waschbecken des Damenklos blicken, auf Hände waschende oder sich schminkende Frauen - der KURIER berichtete. Die Krux: Die Beobachteten wussten davon nichts.

Die Aufregung war groß. Die Wirtschaftskammer, die Wiener Frauenstadträtin und Konsumentenschützer meldeten sich zu Wort. Der Fall landete 4. Juli 2013 bei der Gleichbehandlungskommission im Bundeskanzleramt, die nach allen Regeln der Kunst genarrt wurde.

Wie in solchen Fällen üblich, wurde zuerst der Wirt um eine Stellungnahme gebeten. Tenor des Schriftstücks: Der Spiegel, bei dem es sich um ein Kunstprojekt rund um den "gläsernen Menschen" handle, existiere in dieser Form nicht mehr.

Drei Besuche

Eine Abordnung der Gleichbehandlungsanwaltschaft fand sich vor Ort ein – und stellte Gegenteiliges fest. Der Spiegel sei noch immer da, teilte man dem Anwalt des Unternehmers mit, der erneut Stellung nehmen musste. Nunmehr sei das stille Örtchen nicht mehr einsichtig, hieß es im darauf folgenden Brief seines Anwalts. Mitglieder des Senats wollten sich persönlich überzeugen – und konnten erneut durch den Spionspiegel blicken. Dasselbe Spiel wiederholte sich ein drittes Mal.

Die Kommission kam im Jänner dieses Jahres zur Auffassung, dass "eine Diskriminierung in Form einer Belästigung aufgrund des Geschlechts" vorliege. Der Spiegel, empfahl sie, müsse weg.

Was hat das geändert? Nichts, denn den Spiegel gibt es noch. Alexander Khaelss-Khaelssberg, Sprecher des Unternehmers: "Allerspätestens im Laufe der nächsten Woche darf man mit dem Abhängen rechnen."

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