Händler sind gegen halbe Lösungen

Sieben Tage Shopping wie im Rest Europas soll bald auch in Wien Realität werden – aber nur in begrenzten Zonen.
Außerhalb der geplanten Wiener Tourismuszonen wird der Ruf nach Gleichstellung laut.

Mit seinem Wunsch nach Sonntagsöffnung stand Richard Lugner, Betreiber des gleichnamigen Einkaufszentrums, in Wien lange auf verlorenem Posten. Doch jetzt rüttelt sogar die Wirtschaftskammer an diesem Tabu. Laut derzeitigem Vorschlag ihrer Expertengruppe würde sich die Erlaubnis, sonntags aufzusperren, allerdings nur auf einige Tourismuszonen beschränken. Diese sollen die City, allenfalls die Innere Mariahilfer Straße und die Umgebung von Schönbrunn umfassen.

Sehr zum Ärger von Händlern außerhalb dieser Zonen: "Wenn, dann gehört die Öffnung ganz liberalisiert – alles andere ist nur Stückwerk", ärgert sich Karl Hintermayer. Gemeinsam mit seinem Bruder betreibt er die Buchhandlung Hintermayer und ist Obmann des Vereins Einkaufsstraße Neubaugasse.

"Es kann nicht sein, dass in der Mariahilfer Straße sonntags geöffnet ist und nebenan in der ebenso stark frequentierten Neubaugasse alle Geschäfte geschlossen bleiben", sagt Hintermayer erbost. Bei der Kammer habe er bereits Kritik an der seiner Ansicht nach grotesken Regelung angebracht.

Der Buchhändler gibt zu: "Natürlich wird es sich für unsere Kleinbetriebe schwer rentieren, sonntags offenzuhalten. Aber die Wahl gehört jedem Unternehmer und Kunden selbst überlassen."

Privilegierte Zonen

Die Bevorzugung "zweier Einkaufsstraßen" stößt nicht nur Hintermayer sauer auf: "Viele andere Obleute sehen das auch so." Auch Klaus Brandhofer, Obmann der Einkaufsmeile Landstraßer Hauptstraße, ist sich der sonntäglichen Geschäftseinbußen bewusst. "Natürlich würden auch die Händler bis hin zum Rochusmarkt vom Tourismus-Boom profitieren." Die Flughafen-Anbindung des Bahnhofs Wien Mitte und die Nähe zur Innenstadt locken Touristen ins Viertel. "Dieses Geschäft darf sich Wien nicht entgehen lassen."

Aber: "Wir können eh nur unsere Interessen im Vorfeld anmelden. Letztendlich ist es eine Entscheidung der Politiker." Im Falle der Landstraßer Hauptstraße stoßen außerdem zwei gegensätzliche Interessen aufeinander: Jene der großen Filialketten und jene der kleinen Einzelbetriebe – "hier streiten zwei Seelen in meiner Brust", sagt Brandhofer. "Der klein strukturierte Handel hätte keine Freude, wenn wir uneingeschränkt für eine Sonntagsöffnung eintreten würden."

Wiederum andere Töne schlägt man in dem Einkaufsviertel um Taborstraße und Karmelitermarkt an. Juwelierin und Obfrau Silvia Brandstetter: "Wir zählen zu den Kleinen, könnten also bei einer Sonntagsöffnung nicht mithalten." Persönlich hält sie die Zonenregelung für ausreichend.

Glaubensfrage In ihrem Viertel liegen die Dinge aufgrund der vorwiegend jüdischen Klientel anders. Schon öfter hätten jüdische Unternehmer, die samstags aus religiösen Gründen geschlossen haben, angesucht, sonntags aufsperren zu dürfen. Einer generellen Sonntagsöffnung kann Brandstetter nichts abgewinnen: "Auch ich möchte einen Tag pro Woche ein Privatleben haben."

Sollte die Sonntagsöffnung in Wien kommen, bedeutet das auch Handlungsbedarf für die Einkaufszentren am Stadtrand. In der SCS in Vösendorf habe das Thema (noch) keine Priorität, erklärt Manager Anton Cech. Aber: Wenn die Sonntagsöffnung in Tourismuszonen eingeführt werde, müssten für die SCS gleiche Rahmenbedingungen geschaffen werden. "Es braucht transparente Regeln, damit es zu keiner Wettbewerbsverzerrung kommt." Dass die Öffnung mehr Kunden bringt, glaubt Cech nicht. Da ist Lugner anderer Meinung: "Als wir während der EM 2008 sonntags geöffnet hatten, hatten wir ein Umsatzplus von 79 Prozent."

Erwin Pellet ist Obmann der Handelssparte in der Wirtschaftskammer Wien.

KURIER: Auch Händler außerhalb der Tourismuszonen wollen am Sonntag aufsperren. Warum will die Kammer keine stadtweite Regelung?
Erwin Pellet: Ich verstehe die Sorgen der Händler, etwa in der Neubaugasse. Aber für eine komplette Liberalisierung ist Wien noch nicht reif genug. In erster Linie geht es ja um die Touristen – und die kaufen ohnehin kaum in der Neubaugasse ein.

Dennoch fühlen sich die Betroffenen benachteiligt. Was kann die Wirtschaftskammer ihnen anbieten?
Wir werden versuchen, ihnen verbesserte Aus- und Weiterbildung anzubieten, damit sie mehr Stammkunden gewinnen können. Diese gehen nicht sonntags auf die Mariahilfer Straße einkaufen.

Verstimmt sind aber auch die Einkaufszentren am Stadtrand.
Sie werden keine Nachteile erleiden. Auch hier gilt: Von Touristen werden sie kaum frequentiert.

Wie wollen Sie der Gewerkschaft die anfallende Sonntagsarbeit schmackhaft machen?
Es wird niemand gezwungen, im Geschäft zu stehen. Und jeder Mitarbeiter, der dazu bereit ist, bekommt den festgelegten 100-prozentigen Aufschlag.

Was in allen anderen Bundesländern längst schon Usus ist, könnte bald auch in Wien Realität werden: Tourismuszonen, in denen die Geschäfte auch am Sonntag offenhalten dürfen. So lautet zumindest die Empfehlung einer siebenköpfigen Arbeitsgruppe der Wirtschaftskammer Wien (WKW).

Geht es nach ihr, sollen solche Tourismuszonen auf alle Fälle die Innenstadt umfassen, allenfalls auch die Innere Mariahilfer Straße, die Gegend rund um das Schloss Schönbrunn – Gegenden also, wo besonders viele Touristen nächtigen bzw. eine hohe Dichte an Sehenswürdigkeiten besteht.

Händler sind gegen halbe Lösungen

Tourismuszonen sind ein wichtiger Schritt, um Wien als moderne Weltstadt zu positionieren, die bei ihren Gästen künftig auch mit einem zeitgemäßen Einkaufserlebnis punktet“, ist der neue Kammerpräsident Walter Ruck überzeugt. Gegenüber dem KURIER spricht er von einem „kammerinternen Paradigmenwechsel“, der den enormen Veränderungen im Städtetourismus geschuldet sei. „Allein in den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Nächtigungen in Wien um 60 Prozent auf fast 13 Millionen gestiegen.“ Im selben Zeitraum habe sich die Gesamtzahl der Betten verdoppelt, besonders stark fiel der Anstieg im Fünf-Sterne-Bereich aus. Und gerade an Samstagen und Sonntagen sei die Auslastung der Hotels am höchsten.

„Studien zeigen, dass Tourismuszonen dem Wiener Handel Mehreinnahmen von 140 Millionen Euro bringen würden. Zusätzlich würden 800 Arbeitsplätze entstehen“, rechnet Ruck vor. „Es wird aber keine Verpflichtung geben, dass alle Geschäfte in den Zonen offen haben müssen“, betont der Kammerpräsident. Er rechnet damit, dass die Neuregelung „frühestens im Sommer 2015“ in Kraft treten könnte.

Mitglieder-Befragung

Zunächst sollen aber in einer Urabstimmung alle 100.000 Mitglieder der Wiener Kammer ihre Meinung zu den Tourismuszonen äußern – die größte Befragung in der Geschichte der Kammer. Das Ergebnis der Umfrage wird in der zweiten November-Hälfte vorliegen. Parallel dazu laufen Gespräche mit den Sozialpartner und der Stadt Wien.

Dort steht man der Sonntagsöffnung nach wie vor sehr skeptisch gegenüber: „Durch Tourismuszonen kommen viele kleine Geschäfte unter Druck, aufsperren zu müssen“, heißt es im Büro der zuständigen Vizebürgermeisterin Renate Brauner (SPÖ). Gleichzeitig verweist man auf die während der EURO 2008 erlaubte Sonntagsöffnung, die wirtschaftlich betrachtet alles andere als erfolgreich war.

Doch auch kammerintern herrschst keine Einigkeit: „Die Fachgruppe der Sparte Tourismus- und Freizeitwirtschaft wurde nie in diverse Gespräche eingebunden“, sagt Obmann-Stellvertreter Willy Turecek. Sein Gegenüber von der Gastro-Sparte, Peter Dobcak, kontert: „Ich kann nicht verstehen, dass Turecek eine Idee verurteilt, bevor ein Gesamtkonzept erstellt wurde.“

Scharfe Ablehnung an der geplanten Sonntagsöffnung kommt vom SPÖ-Wirtschaftsverband: „Abermals stellt die Kammer die Interessen weniger gut vernetzter Hoteliers über die Bedürfnisse der Einzelhändler“, sagt Direktor Peko Baxant. Und diese würden am Sonntag nicht im Geschäft stehen wollen, wie zuletzt eine Umfrage des Wirtschaftsverbandes gezeigt habe.

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