Sicherheitstechnik veraltet: Kritik nach Zugsunglück

Zwei Personen schweben in Lebensgefahr, darunter der Lokführer des einen Zuges. Der andere Lokführer soll laut unbestätigten Meldungen den Führerstand rechtzeitig verlassen haben.
Untersuchungsbericht nach Crash mit 50 Verletzten. Fehlende Riskoanalyse, hohe Belastung des Fahrdienstleiters, 201 Störfälle in sieben Monaten.

50 Verletzte, neun davon schwer. Dazu ein Sachschaden von 4,6 Millionen Euro. Die Ursache für eines der schwersten Zugsunglücke der vergangenen zehn Jahre war bereits nach wenigen Stunden gefunden: Ein unachtsamer Fahrdienstleiter, der ein Gleis zwischen den Bahnhöfen Penzing und Hütteldorf irrtümlich freigab, hatte den Zusammenprall auf der Wiener Vorortelinie ausgelöst. In einem Prozess wurde der Betroffene danach zu einer Diversionsstrafe von 3500 Euro verurteilt.

Doch nun hat die Bundesuntersuchungsstelle des Verkehrsministeriums ihren Abschlussbericht verfasst. Darin werden andere Probleme offenbart. Die Sicherungsanlage im Bahnhof Penzing etwa wird als veraltet und extrem unübersichtlich beschrieben, sie stamme aus den 1880er-Jahren. Der (verurteilte, Anm.) Fahrdienstleiter...war auf Grund der Vielzahl und gleichzeitig zu erledigenden Aufgaben überfordert. Auf einer Skala von 1 bis 10 wird seine Belastung für den Normalbetrieb mit "8" und für den Störungsfall mit "10" angegeben.

201 Störungen in sieben Monaten

Derartige Störungsfälle waren nicht so selten, wie in dem Bericht festgehalten wird: In den rund sieben Monaten vor dem schweren Frontalunfall gab es 201 Störungen an Sicherheitstechnischen Einrichtungen, 133 davon wegen Störungen bei Weichen oder Weichensignalen. Allein am Unfalltag waren es fünf. Dazu seien Gleise eingespart worden, ohne eine Risikoanalyse zu erstellen.

Laut Aussage des Fahrdienstleiters hatte es zu keinem Zeitpunkt praktische Störfalltrainings gegeben. Der Dienstunterricht war unzureichend in Form von lediglich theoretischen Lehrgesprächen, heißt es in seiner Aussage. Und weiter: Dazu hat die alte Anlage nicht einmal akustische Warnsignale. (...) Mit einer mordernen Sicherungsanlage hätte sich der Unfall keinesfalls ereignen können. Eine Modernisierung sei aber aufgrund anderweitiger Investitionen drei bis vier Mal zurückgestellt worden. Der Fahrdienstleiter hätte nicht nur die Sicherungsanlage zu bedienen, sondern auch den Bahnsteig beobachten und Durchsagen machen müssen. Diese Belastung sei unmenschlich.

ÖBB: "Sicherheit hat oberste Priorität"

Bei den ÖBB weist man Vorwürfe zurück, man habe sicherheitsrelevante Themen übergangen: "Bei den ÖBB hat Sicherheit oberste Priorität", erklärt Sprecher Michael Braun. "Sicherungsanlagen wie jene in Penzing sind an vielen Teilstrecken im Einsatz, sie sind im Betrieb zuverlässig." Die vielen Störungen gebe es nur, weil die ÖBB "jedes kleinste Vorkommnis bis hin zum durchgebrannten Lämpchen" dokumentiere. Durch diese Störungen entstünde also keine Gefahr für die Fahrgäste. Es wurde zwar bisher kein zweiter Fahrdienstleiter in Penzing installiert, aber der jeweils Diensthabende ist nicht mehr für die Zugbeobachtung zuständig und hat keine Fahrgastkontakte mehr.

Zweistelligen Millionenbetrag investiert

Obwohl offenbar alles mit der Technik in Ordnung ist, wurde wenige Monate nach dem Unglück die Sicherungsanlage im Bahnhof Hütteldorf ausgetauscht. Kostenpunkt: Ein zweistelliger Millionenbetrag. Und seit 1. Juni wird der Bahnhof Penzing um 8,5 Millionen Euro renoviert. Die Begründung lautet: "Er wird verschönert und barrierefrei".

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