Saftige Strafen für Viagra-Fälscher

100.000 Geschädigte: Bande operierte europaweit, Betrugs-Schuldsprüche in Österreich rechtskräftig

Sechs Mitglieder einer international tätigen Bande von Arzneimittel-Fälschern sind in Wien zu saftigen Haftstrafen verurteilt worden. Der Oberste Gerichtshof hat die Schuldsprüche für die fünf Israelis und einen Österreicher wegen schweren gewerbsmäßigen Betruges und Geldwäsche kürzlich bestätigt.

Am 18. Dezember entscheidet das Oberlandesgericht Wien noch über die endgültigen Strafen, die Angeklagten hoffen auf etwas Milde, sie hätten doch bloß „Serviceleistungen“ angeboten.

Der 38-jährige Haupttäter Rafael T. (siehe unten rechts) und eine Mitangeklagte haben in erster Instanz im Wiener Landesgericht jeweils fünfeinhalb Jahre Gefängnis ausgefasst. Rafael T. hatte auch seine Familie – Bruder, Schwester, Schwager – in die kriminellen Geschäfte einbezogen, die anderen Angeklagten wurden zu Strafen zwischen 18 Monaten bedingt und fünf Jahren unbedingt verurteilt.

8,3 Millionen Euro

Die Machenschaften wurden durch die Ermittlungen der Europol-Sonderkommission „Vigorali“ (siehe unten) aufgedeckt. Die Bande hatte in Österreich, Ungarn, Spanien, Frankreich und Großbritannien operiert. In Online-Apotheken mit seriösem Anstrich wie www.apotheke-austria.com, www.pharmathek-europe.com und www.meddirekt.com wurden Potenzmittel wie Viagra, Cialis, Levitra und Kamagra sowie diverse Schlankheitspräparate angeboten.

Rund 100.000 Österreicher zahlten in den Jahren 2012 bis 2014 insgesamt 8,3 Millionen Euro für diese Arzneimittel, die sie ohne Rezept und zu verbilligten Preisen als vermeintliche Originalmedikamente bezogen. Die Viagra-Pillen steckten in Packungen mit Aufdruck des Pharmaunternehmens Pfizer, die das Potenzmittel an sich vertreiben. Auch deshalb wähnten sich die Kunden auf der sicheren Seite. Mit den auf diesem Weg gehandelten Mittelchen hat Pfizer aber gar nichts zu tun.
Um den Sendungen einen noch vertrauenswürdigeren Anstrich zu geben, wurden als Absender Apotheken in Österreich angegeben.

Beim Prozess in Wien verlas Richterin Helene Gnida aus Vernehmungsprotokollen mit Geschädigten, die überwiegend meinten, Originalware bekommen zu haben. „Die Seite hat auf mich einen seriösen Eindruck gemacht“, erklärte einer.

Eine Kundin wollte ihrem Mann das im Internet bestellte Viagra heimlich in die Marmelade mischen. Sie hat es dann doch nicht getan. Die erwünschte Wirkung wäre ohnehin ausgeblieben.

Möglicherweise wäre das Mittel aber auch sozusagen nach hinten losgegangen. Viele Kunden klagten über Übelkeit, Durchfall, Kopfschmerzen und Herzrasen. Es waren nämlich meist gar keine oder ganz andere Wirkstoffe oder manchmal auch eine Überdosis enthalten.

Beschwerden

Einige Kunden wurden erst stutzig, als die erwünschte Wirkung auch bei mehrmaligem Versuch nicht eintrat und beschwerten sich telefonisch bei Pfizer. Dort kam man aufgrund der gefälschten Chargennummern auf den Packungen dahinter, dass es sich um Fälschungen handelt.

Schließlich flog der Schwindel in Österreich auch durch die falschen Absender – die österreichischen Apotheken – auf. Als nämlich das Porto für dickere Briefe erhöht wurde und die unterfrankierten Sendungen an den vermeintlichen Absender zurück gingen, schlugen die Apotheker Alarm. Das Bundeskriminalamt konnte die Bandenmitglieder schließlich ausforschen. In Österreich wurden bei darauf folgenden Hausdurchsuchungen insgesamt 1,7 Millionen Tabletten sichergestellt.

Hintermänner

In den ersten Monaten nach dem Europol-Zugriff am 1. September 2014 waren die einschlägigen Internet-Seiten gesperrt, später wurde der illegale Handel wieder aufgenommen. Die Bevölkerung sei durch die Aktion aber gewarnt, dass Lifestyle-Produkte aus dem Internet größtenteils Fälschungen sind, sagt Silvia Strasser, Sprecherin des Bundeskriminalamtes.

Laut dem Produktpiraterie-Bericht 2014 legt das illegale Geschäft mit gefälschten Markenartikeln speziell im Bereich Mobiltelefone zu. Die Finanz konnte Waren im (Original-)Wert von mehr als drei Millionen Euro aus dem Verkehr ziehen, 2013 waren es noch 1,9 Millionen. Die gefälschten Smartphones kommen meist aus China. Aber auch von Mitteln gegen Haarausfall über Produkte zum Abnehmen bis zu Potenzpillen wird mit allem gehandelt, was angeblich jung, schlank und potent macht.

Die Operation „Vigorali“ ist großteils abgeschlossen. Neben den sechs Schuldsprüchen gibt es noch einige im Sommer eingebrachte Anklagen. Die Ermittlungen gegen die Hintermänner in Israel, Ungarn und Großbritannien, von denen beim Prozess in Wien nur die Vornamen Amon, Daniel und Boris bekannt wurden, laufen noch. Es sind Rechtshilfeersuchen offen.

Auch in Deutschland hat eine Bande mit gefälschten Viagra gehandelt. Der Drahtzieher wurde in Potsdam zu sechs Jahren Haft verurteilt. Auch dort ist ein Österreicher am Schwindel beteiligt, dieser hatte sich jedoch nach Uruguay abgesetzt.

Die österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit testet sichergestellte Arzneimittel-Fälschungen wie das vermeintliche Viagra. In den meisten ist gar kein oder zu wenig Wirkstoff enthalten, einige Fälschungen können schwere Nebenwirkungen auslösen.

Produktion

Die gefälschten Medikamente werden in Blechdachhütten in China und Indien hergestellt. Das verwendete Wasser ist verschmutzt, jegliche Qualitätskontrolle unterbleibt, wie das Fachmagazin des Innenministeriums Öffentliche Sicherheit berichtet.

Innerhalb der Bande wurden die Arbeiten aufgeteilt: Verpackung, Versand, Zahlungsverkehr. Sogar die zwölfjährige Stieftochter eines Angeklagten musste mitanpacken. Die Ware wurde über eine Spedition in ein Lager in Wien-Simmering gebracht und anschließend an die Kunden verschickt.

Das eingenommene Geld wurde auf Bankkonten in Zypern verschoben, später in Unternehmen in England verschleiert und schließlich nach Israel überwiesen. Beschafft hat sich die Bande die gefälschten Mittel für zwei bis drei Cent pro Pille, die Kunden zahlten bis zu 20 Euro pro Pille.

Saftige Strafen für Viagra-Fälscher
ABD0021_20141218 - WIEN - ÖSTERREICH: Die sechs Angeklagten der "Viagra-Bande" am Donnerstag, 18. Dezember 2014, vor Beginn eines Prozesses wegen schweren gewerbsmäßigen Betrugs und Geldwäscherei im Straflandesgericht Wien. - FOTO: APA/HERBERT NEUBAUER
Der 38-jährige Hauptangeklagte Rafael T. behauptete im Prozess, nicht gewusst zu haben, dass es sich um wirkungslose Fälschungen handelte. Er habe geglaubt, die Tabletten kämen nur nicht von der Originalfirma. „Ich habe sie ja selber genommen, nicht ein Mal, sondern zehn, zwanzig Mal.“ Die Reaktion bei ihm wurde vor Gericht nicht weiter besprochen, aber jeder wisse doch, dass man so etwas in der Apotheke und nicht im Internet kaufe.

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