Reisegruppe nach Syrien unter Terrorverdacht

Reisegruppe nach Syrien unter Terrorverdacht
Neun Personen und ihr Chauffeur stehen vor Gericht. Anwälte kritisieren die Anklage als zu vage.

Ein Dutzend vermummte und bewaffnete Justizwachebeamte bilden am Montag eine menschliche Mauer vor den Zuschauerrängen im Wiener Schwurgerichtssaal. Dahinter nehmen neun Angeklagte Platz. Einer, der nicht in U-Haft sitzt, zwängt sich durch die Reihe aus Uniformierten. Dann lichtet sich die Menschenmauer. Die Sinnhaftigkeit der Aktion, von der es wegen des Fotografier- (und Handy-)Verbots keine Bilder gibt, bleibt dem Beobachter verborgen.

Im August 2014 stoppten Verfassungsschützer zwei Autos vor zwei Grenzübergängen. Ziel der Reisenden, sei, über die Türkei als Transitland das selbst ernannte Kalifat der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) in Syrien gewesen. Mitgliedschaft in einer Terror-Vereinigung, sanktioniert mit bis zu zehn Jahren Haft, wirft ihnen die Staatsanwaltschaft vor.

Der Arzt, der HTL-Schüler, die Arbeitslosen und die junge Frau im Tschador – sie alle sollen IS-Terroristen sein. Die Staatsanwältin bezeichnet sie als Kämpfer – wortwörtlich als „Foreign Fighters“. Zu Tausenden würden sich solche Söldner auf syrischen Schlachtfeldern tummeln. In diesem Fall sei dem IS der „Nachschub abgeschnitten“ worden.

Syrien ohne Dschihad?

Geständnisse, von denen die Staatsanwältin noch berichtet hatte, waren keine zu hören. Nur ein Angeklagter, der im Kalifat auf Brautschau gehen und sich als Hilfsarbeiter verdingen wollte, war letztlich geständig. Die anderen sprach von Urlaub oder einem „neuen Leben“ in Syrien, jedoch ohne Dschihad.

Der Vorwurf ist für die Verteidiger so weit hergeholt wie das syrische Kriegsgebiet entfernt ist. Von einem Anwalt stammt die Darstellung, wonach es sich um eine Reisegruppe nach Syrien handle. Ein Satz war mehrfach zu hören: „Eine Ausreise ist nicht strafbar.“

Ist sie das doch? Die Staatsanwältin würde das bejahen. „Der Gesetzgeber wollte nicht auf einen terroristischen Anschlag warten“, erklärte sie. Eine Beteiligung stehe deshalb schon „vorweg unter Strafe“. Das klang dann so: „Der Arzt hätte Hilfe leisten können.“ Etwa einem verwundeten Kämpfer. Oder: Die 4000 Euro eines Angeklagten hätten dem IS zugutekommen können.

Die laut Anklage zentrale Figur war der angebliche Schlepper, 34, dessen Situation seine Anwältin mit einem Beispiel auf den Punkt bringen wollte: „Stellen Sie sich vor, sie sind Taxifahrer und erfahren während der Fahrt, dass ihr Gast in den Dschihad will.“ Das Verhalten des 34-Jährigen, der Autos in die Türkei überstellte, dort verkaufte und deshalb Reisende um wenig Geld dorthin mitnahm, erfülle „den Tatbestand nicht“. In seiner Aussage blieb der 34-Jährige unklarer als noch zuvor gegenüber der Polizei. Er will erst spät von den Dschihad-Absichten erfahren haben. Später habe er davon gewusst und geglaubt, mit einem „blauen Auge“, einer Geldstrafe, davonzukommen. Vier Prozesstage stehen noch an.

Eine ähnliche Anklage brachten die Behörde in Salzburg gegen zwei Mädchen, 16 und 17, ein. Beide wollten in Syrien heiraten, schafften es aber nicht dorthin.

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