Rechte Aktivisten besetzten Votivkirche

Rechte Aktivisten besetzten Votivkirche
Gruppe von "Identitären" wollte Protestcamp der Asylwerber beenden. Die WEGA musste sie nach draußen begleiten.

Die Tore sind versperrt. In die Votivkirche kommt keiner rein. Und keiner kommt raus – außer im medizinischen Notfall. Und der tritt ein. Wieder einmal erleidet ein hungerstreikender Flüchtling einen Schwächeanfall und wird von der Rettung versorgt. Doch die Besetzer haben Verstärkung bekommen. Diesmal allerdings von einer unerwarteten Seite. Die rechte Gruppierung „Die Identitären“ (siehe unten) kam zur „Besetzung der Besetzung“.

Flugzettel

Direkt nach der Messe gegen 12.30 Uhr betraten neun junge Männer zwischen 20 und 30 Jahren die Votivkirche. Sie enthüllten ein Transparent mit dem schwarzen Kreis auf gelbem Hintergrund und ließen sich im rechten Kirchenschiff nieder. Vor der Kirche verteilten Sympathisanten Flugzettel. „Asyl ja. Missbrauch nein“. Kontakt zu den Flüchtlingen suchten sie nicht. „Sie haben gesagt, sie würden Schutz suchen“, schildert Caritas-Sprecher Klaus Schwertner.

Rechte Aktivisten besetzten Votivkirche

Hilfe wurde ihnen sogar angeboten, wurde allerdings abgelehnt. Ihre Forderungen gaben die Identitären auch sofort via YouTube und Facebook bekannt: Schwedenbomben, Decken und Tee.

Rechte Aktivisten besetzten Votivkirche
Zuletzt waren es etwa die erst in der Votivkirche, dann im Servitenkloster untergekommenen Flüchtlinge, die er vor Profilierungsversuchen auf deren Kosten zu schützen versuchte.

Für Schwertner ist klar: „Das ist eine bewusste Provokation. Hier wird versucht zu eskalieren.“ So weit kam es aber nicht. Sowohl Identitäre als auch die rund 40 bis 50 Flüchtlinge behielten kühlen Kopf. Auch zuletzt rund 200 bis 250 linke Gegendemonstranten vor der Kirche machten nur kurz Krach.

Die 40 bis 50 Flüchtlinge, die seit 23. Dezember in der Votivkirche für mehr Rechte protestieren, hießen die rechtsextremen Besetzer sogar willkommen (siehe Foto). "Sie sind ein bißchen schüchtern, aber wir versuchen einen Kontakt mit ihnen herzustellen. Wir heißen jeden willkommen - hier zu frieren ist ein großes Zeichen der Solidarität", wird ein Flüchtling in einer Aussendung der ÖH zitiert. Auch Tee und Decken hätte man den Aktivisten zur Verfügung gestellt: "Wir tun unser Bestes, um den Österreichern zu helfen - auch wenn es sich um Rassisten handelt."

Mit der Aktion wollten die Identitären laut eigenen Angaben erzwingen, dass die Besetzung in eine Moschee verlegt wird. Zitat: „Wir vom Verein für mitmenschliche Wärme und Recht auf Heimat erklären hiermit die Besetzung der Votivkirche für besetzt. Lange genug haben wir dem Treiben untätig zugeschaut, jetzt handeln wir. Wir sind als Unterstützungsteam für den illegalen Asylanten Markus Unterrainer.“

Rechte Aktivisten besetzten Votivkirche
Votiv

Der angebliche Markus Unterrainer, der im Trachtenanzug posiert, habe seinen Pass weggeworfen, sei somit staatenlos und fordere nun eine menschenwürdige Unterkunft.

Polizei rückte an

Gegen 16.30 Uhr wollten die Identitären die Kirche räumen. Doch sie trauten sich ohne Polizeischutz nicht hinaus. Demonstranten hatten die Kirche umstellt. Die WEGA wurde angefordert. Gegen 17 Uhr wurden die Identitären von der Polizei zu drei Transportern begleitet. Demonstranten bewarfen sie dabei mit Schneebällen.

Die Caritas hat schon einmal Bekanntschaft mit den Identitären gemacht. Im Vorjahr störten Mitglieder in Affenmasken die Veranstaltung „Tanz die Toleranz“.

Die Identitären stammen aus Neonazi-Kreisen

Ihre Heimat haben die Identitären in Frankreich. Seit einigen Monaten treten sie auch in Österreich auf – speziell die Wiener Gruppe. Erstmalig bei einer Veranstaltung der Caritas, die sie durch Tanzeinlagen in Affen- und Schweinemasken störten.

Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands hat die Gruppierung im Auge. Laut Andreas Peham stammen einige Mitglieder aus dem organisierten Wiener Neonazismus. Er vermutet, dass jüngere Burschenschafter dahinterstecken und nennt sie „Neonazis mit kleinem Latinum“.

Die Identitären beschreiben sich als Wiener Jugendliche, die sich einem idealistischen Ziel widmen, und präsentieren sich als Underdogs: „ Wir treten für den Erhalt unserer Identität ein. Es gibt Initiativen und Vereine zu jedem denkbaren Zweck, von Hamsterzüchtung bis hin zu Wehrdienstverweigerung. Fast jede fremde Religion und Kultur hat in Wien ihren Verein, der ihre Interessen vertritt. Was ist mit uns echten Wienern?“

Auf Twitter hat die Aktion zahlreiche Reaktionen hervorgerufen:

Weiterführende Links

Fragen und Antworten zum Protestcamp in der Votivkirche

Identitäre Bewegung (Wikipedia)

Der Tanzstil erinnerte an „Krocha“, die Musik an den Prater-Dome und die Masken an den Faschingsdienstag. Mit einer Störaktion auf einem Caritas-Event in Wien betraten die „Identitären“ vor einem Monat die öffentliche Bühne. Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes über ihre Herkunft, Ideologie und den Platzhirschen FPÖ.

KURIER: Unbekannte in Schweine- und Affenmasken tanzen am „Tanz der Toleranz“ der Caritas. Was war da Ihr erster Gedanke?

Andreas Peham: Ich war peinlich berührt. Ein misslungener Versuch, poppig zu sein und jugendkulturelle Authentizität auszustrahlen.

Jetzt weiß man, dass es sich um „Identitäre“ gehandelt hat. Wie würden Sie diese Bewegung politisch einordnen?

Dazu fehlen noch programmatische Äußerungen. Man kann sie nach der Herkunft einiger Mitglieder, nämlich aus dem organisierten Wiener Neonazismus, im rechten Lager verorten. Wir vermuten, dass jüngere Burschenschafter und keine Jugendlichen aus dem Arbeitermilieu dahinterstecken. Man kann sagen, Neonazis mit dem kleinen Latinum.

Steht die rechte Szene nach der Verhaftung des Neonazis Gottfried Küssel unter Druck?

Der verstärkte Druck sorgte für eine Umorientierung weg vom klassischen Nationalsozialismus. Sie sind umgeschwenkt auf einen Kurs, den man zusammenfassen kann als Versuch, eine Neue Rechte zu positionieren. Eine jüngere Generation hat mit den Inhalten des Neonazismus gebrochen. Warum auch immer: Ist es Taktik oder eine Neuausrichtung?

Wen will man ansprechen? Selbst die elektronische Musik ist apolitisch.

Das ist eher Prolo-Techno, ohne Arbeiter abwerten zu wollen. In der Szene lehnt man das total ab.

Diese Gruppierung rühmt sich damit, nicht rassistisch, sondern „identitär“ zu sein. Wofür steht dieses Konzept?

Das wird als Ethnopluralismus bezeichnet. Es ist nur eine Modifikation des Rassismus. Die zentrale Bezugsgruppe, und das teilen sie mit Rassisten, sind die Völker. Die Kulturen in ihren Identitäten sind gleichberechtigt und sollen erhalten bleiben. Das ist globale Apartheid, jedes Volk ist in seiner Identität abgeschlossen. Es ist aber nicht viel gewonnen, wenn man von kultureller Identität anstatt von Rassismus spricht.

Sie sind also schwer sichtbar – auch für die Polizei.

Es ist zu hoffen, dass der Verfassungsschutz die Kontinuität zu den Vorläufergruppen kennt und sie im Auge behält. Jeder Mensch kann sich mäßigen, das gestehe ich jedem zu. Es gab noch nichts Strafrechtliches, aber eine Gefahr geht von ihnen aus.

Von Affenmasken?

Wenn man hört: „Die Rassen sollen sich nicht mischen.“ Da weiß man, das sind Rassisten. Aber wenn jemand sagt: „Die Kulturen sollen ihre Identität bewahren.“ Mit diesem intellektuellen Touch kann es sein, dass sie mehr Menschen erreichen und Gehör finden.

In ihrer Heimat Frankreich ist die Gruppe gewachsen.

Dort gab es andere Voraussetzungen. In Österreich sind die Versuche, den Rechtsextremismus zu modernisieren, gescheitert. Warum? Weil die FPÖ zu er-folgreich ist. Die Neue Rechte ist in Deutschland oder Frankreich aus dem Scheitern des parteiförmigen Rechtsextremismus entstanden. Hier ist der Ring Freiheitlicher Jugend der Platzhirsch. Wenn er sich für den rechten Rand öffnet, dann ist kein Platz mehr.

Ist das derzeit der Fall?

Nachdem die FPÖ-Jugend unter Johann Gudenus zuerst nach rechts rückte, versuchte man danach auch in Wien, die Grenze zum rechten Rand deutlicher zu ziehen, was Platz für Gruppen wie die Identitären schuf. Jetzt scheint dies wieder etwas zurückgenommen zu werden, was die Zukunftsaussichten für derartige Gruppen nicht verbessert.

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