Radikalisierung in Wiener Hinterzimmer-Moschee

Wie er seit elf Jahren versucht, so zu werden wie sein großes Vorbild Osama bin Laden.

Im Islamischen Staat ist Mohamed Mahmoud heute eine Art Popstar, der selbst von Top-Terroristen hofiert wird. Zuletzt machte der Wiener internationale Schlagzeilen, als er sich inmitten von geköpften Leichen im syrischen Rakka fotografieren ließ.

Doch so bekannt der 29-Jährige jetzt ist, so dunkel ist der Weg seiner Radikalisierung. Der Wiener kommt im Juni 1985 als erster Sohn des Imams Sami Mahmoud auf die Welt. Dieser lehrt in der 240 Quadratmeter großen Sahaba-Moschee in der Lindengasse 1, war in der ägyptischen Muslimbruderschaft aktiv und dürfte in tödliche Anschläge verwickelt gewesen sein. "Der Vater war sehr radikal und umstritten. Jeder hat einen Bogen um ihn gemacht", erinnert sich Omar Al-Rawi, zu dieser Zeit Integrationsbeauftragter. "Diese Moschee war niemals Teil der islamischen Glaubensgemeinschaft", betont Carla-Amina Baghajati, Sprecherin der IG. "Dort wurde eine Gesinnung gelehrt, die anders als die unsere ist."

Vor allem Bosnier sind im Umfeld zu finden. In Bosnien gibt es heutzutage bereits ganze Dörfer, die abgeschottet sind und quasi islamistisch geführt werden, wird im letzten Sicherheitsbericht des Innenministeriums gewarnt. Wien spielt dabei bis heute eine sehr wichtige Rolle.

Deutsch mit 12 Jahren

Mahmoud wird in der Lindengasse seine ersten heftigen Auseinandersetzungen über den Islam führen. Der Wiener hat zuvor vermutlich eine saudi-arabische Privatschule in Floridsdorf sowie eine Hauptschule besucht. Erst mit zwölf Jahren lernt er offenbar Deutsch. 2003 wird sein Lehrer, Abu Omar, in Mailand auf offener Straße von der CIA entführt. Mahmouds Vater, ein Freund von Abu Omar, muss deshalb in Wien 17 Stunden zum polizeilichen Verhör. Anschließend fährt Mahmoud mehrere Monate nach Syrien und in den Irak. Er behauptet, in einem El-Kaida-Camp gewesen zu sein. Wahrscheinlich ist, dass er mit dem Namen seines Vaters tatsächlich Kontakte zu Radikalen knüpfte.

Wieder in Wien zurück, kommt es in der Sahaba-Moschee zu Auseinandersetzungen mit anderen jungen Aktivisten. Stein des Anstoßes sind die Anschläge vom 11. September. Mahmoud hält Osama bin Laden für einen Helden, den anderen ist er zu wenig radikal. Mahmoud gründet die "islamische Jugend Österreichs" und die Globale Islamische Medienfront (GIMF), um bin Laden zu huldigen. Beide Organisationen bestehen aus ihm und seiner damaligen Frau Mona S.

Erstmals dürfte er nun davon träumen, so wie sein Vorbild zu werden. Er nennt sich Abu Usama al-Gharib. Usama huldigt seinem Vorbild bin Laden und al-Gharib bedeutet "der Fremde" – als der sich Mahmoud in Österreich stets fühlt. Ab 2006 versucht er Journalisten zu kontaktieren und erzählt wirre Entführungsgeschichten. Im ORF outet er sich als Urheber eines Drohvideos und gerät ins Visier der Polizei. Es wird ein "Trojaner" eingesetzt, um seinen PC auszuspionieren. Als er Infos zu einem Terroranschlag während der EURO 2008 sammelt, wird er verhaftet. Nachdem er zu vier Jahren Haft verurteilt wird, versuchen die Entführer zweier Österreicher in der Sahara, ihn freizupressen.

Bereits in der Haft knüpft Mahmoud Kontakte zum deutschen Rapper "Deso Dogg" (alias Daniel Cuspert). Sie gründen die Salafistensekte Millatu Ibrahim und versuchen erstmals, weltweit in die Schlagzeilen zu gelangen, als sie Massenproteste gegen Mohammed-Bilder der deutschen rechten Partei "proNRW" organisieren. Doch das misslingt. Dennoch gelingt es Mahmoud und Cuspert, die erste Gruppe radikaler Kämpfer in Europa zu rekrutieren. Zunächst stehen Libyen und Mali im Mittelpunkt, doch Cuspert gelangt nicht dorthin. Deshalb zieht "Deso Dogg" in den Syrienkrieg, während Mohammed vermutlich in Kairo untertaucht. Dort verbrennt er seinen Pass und wird deshalb in der Türkei verhaftet, als er sich nach Syrien durchschlägt.

Aus der Haft unterstützt er einen Aufruf von 20 Top-Propagandisten des Dschihads, wonach sich alle den ISIS-Kämpfern anschließen sollen. Wenig später wird der Islamische Staat ausgerufen. Dort lebt Mahmoud nun im syrischen Rakka mit seiner neuen Frau Ahlam Al-Nasr, eine der prominentesten IS-Hetzerinnen und -Autoren.

"Das war gespenstisch"

Die Sahaba-Moschee, vor wenigen Wochen kurioserweise in Österreich als aktuelle Basis des Dschihads beschrieben, gibt es seit zwei Jahren nicht mehr. Der Vermieter, der für den nächsten Auslandsoscar vorgeschlagene Kameramann Thomas Kiennast ("Das finstere Tal") beendete den Mietvertrag: "Der Staatsschutz war oft da und das war dort gespenstisch. Als dann Leute da schliefen statt zu beten, habe ich sie aus dem ewigen Mietvertrag herausgekauft", berichtet er.

Mahmouds Vater lebt bis heute in Wien. Es wird berichtet, dass er sich von seinem Sohn und allen radikalen Ideen losgesagt hat. Er besucht nun eine Moschee in Rudolfsheim, die nicht radikal ist.

Mohamed Mahmouds radikaler Weg:

1985 Im Juni wird Mahmoud in Wien geboren. Später bekommt er drei Brüder und eine Schwester.

2003 Erste Reise nach Syrien und Irak. Vermutlich erste direkte Kontakte zu Islamisten.

2005 Gründung mehrerer Organisationen wie GIMF und IJÖ.

2007–2011 Haft in Wien wegen Terrorismus.

2011–2012 Gründung der (mittlerweile verbotenen) Sekte „Millatu Ibrahim“, erste Kontakte zu radikalem Rapper „Deso Dogg“.

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