Häupls Nein blockiert die Reform in Wien

Wiens Bürgermeister Häupl sieht Befeuerung der Obdachlosigkeit.
Wiens Bürgermeister fordert ein Konzept vor Schließung von Polizeistationen.

Schon einen Tag vor der Bekanntgabe der Zusperr-Liste der Polizeidienststellen war Innenministerin Johanna Mikl-Leitner klar, dass sie Abstriche machen muss.

Am Montag, um 7.30 Uhr, besuchte sie kurzfristig mit Wiens Polizeipräsidenten Gerhard Pürstl den Wiener Bürgermeister Michael Häupl im Rathaus. Doch der wollte sich bei dem kurzfristig angesetzten Termin nicht überzeugen lassen, schon im ersten Anlauf der von Mikl-Leitner geplanten Polizeireform für Wien zuzustimmen.

Auch wenn er de facto bei diesem Thema kein Vetorecht hat, stellte Häupl bei dem Gespräch der Innenministerin politisch die Rute ins Fenster. Ohne dem via KURIER vor einer Woche verlangten Sicherheitskonzept wolle er nicht über die Schließung von Dienststellen reden. Eine Einigung zwischen den Spitzenpolitikern war damit in weite Ferne gerückt. Am Ende wurde vereinbart, sich zu vertagen. Bis Ende Februar soll das neue Konzept für Wien stehen.

Am Dienstag wiederholte Häupl bei einem Pressegespräch seine Wünsche. „Ich sage seit neun Monaten, Wachzimmer zu schließen ist kein Konzept.“ Denn Wien wachse jährlich um die Einwohnerzahl von Krems, in Floridsdorf und Donaustadt würden „mehr Menschen leben als in Graz“. Das will der Bürgermeister bei der Reform berücksichtigt wissen. Im Kern geht es um 1000 Polizisten mehr in Wien, mehr Präsenz der Beamten auf der Straße und neben Schließungen auch um neue Wachzimmer in den Außenbezirken.

Auch wenn sich Häupl und Mikl-Leitner in der Sache am Montag noch nicht einig waren, könnte der Konflikt trotzdem gelöst werden. Denn die Wiener Polizei arbeitet seit Monaten an dem neuen Konzept. Auch Stadtpolitiker wurden bereits eingebunden. Im Herbst reisten Bezirkspolitiker mit Vertretern der Wiener Polizei nach München, um sich dortige Strukturen anzuschauen.

Erste Details

Wiens Landespolizei-Vizepräsident Karl Mahrer lüftete gegenüber dem KURIER die ersten Eckpunkte des Wiener Sicherheitskonzeptes. Demnach soll die Polizei an neuralgischen Punkten der Stadt sichtbarer werden. Polizeiinspektionen sollen aus den Nebenstraßen auf die Hauptstraßen und große Plätze verlegt werden. Die Präsenz an den großen Bahnhöfen soll ebenfalls erhöht werden. Aus der Wiener City, wo es eine hohe Dichte an Wachstuben gibt (siehe unten) werde man sich wegen der hohen Zahl an Einpendlern und Regierungsgebäuden nicht zurückziehen. Angedacht ist aber, mehr Beamte in die Grätzeln zu schicken, um dort das subjektive Sicherheitsgefühl der Wohnbevölkerung zu heben.

Die Reaktionen auf die Schließungen aus den Bundesländern lesen Sie unter

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Sicherheit definiert sich nicht an der Zahl der Polizeiposten, sondern an der Präsenz der Exekutive auf der Straße. So weit die einfache wie logische Formel der Innenministerin.

Um eine Dienststelle Tag und Nacht zu besetzen, braucht es fünf Beamte, sagt Johanna Mikl-Leitner. Da ist noch keiner auf Patrouille. Also sperrt sie Kleinposten zu und schickt 500 Beamte auf die Straße.

Ist damit alles gut? Nein. Denn das subjektive Sicherheitsgefühl von Bürgern stellt sich erst ein, wenn die Polizei vor Ort als „Freund und Helfer“ agiert.

Und da gibt es regional Handlungsbedarf, wie etwa in Wien. In Teilen der Stadt passen Polizeistruktur und Bevölkerungswachstum nicht mehr zusammen. Bürgermeister Häupl hat daher die Innenministerin bei ihrem Reformeifer eingebremst. Erst ein neues Sicherheitskonzept, dann reden wir über Wachstuben, lautete sein Konter.

Jetzt wird an der Polizeireform in Wien weiter gefeilt. Denn wollen Häupl und Mikl-Leitner als Gewinner dastehen, braucht es hier den großen Wurf.

In der Wiener City mit der geringsten Bevölkerungsdichte könnten weitere Wachzimmer dem Rotstift zum Opfer fallen. In den modernen Wohnburgen am Wiener Stadtrand – mit stark wachsender Bevölkerung – fehlen Wachzimmer. Es werden aber keine neuen Polizeiposten kommen, eher sind auch hier Streichungen zu erwarten.

Proteste in der City

„Wir haben hier in der City, bezogen auf die Bevölkerungsdichte, die höchste Kriminalitätsrate, und natürlich auch die meisten Touristen in Wien. Wenn in unserem Bezirk Wachzimmer geschlossen werden sollten, dann ist das alles andere als eine gute Idee“, weiß Spitzengastronom Josef Bitzinger. Er ist unter anderem auch Inhaber des Gourmet-Würstelstandes hinter der Staatsoper.

Keine 50 Meter davon entfernt liegt das Mini-Wachzimmer in der Goethegasse, direkt neben dem Burggarten. In dem Grätzl rund um die Oper ist die Befürchtung jetzt groß, dass im Zuge der Polizeireform zumindest dieser unscheinbare Posten in der City wegrationalisiert werden könnte. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner legte sich Dienstag bezüglich eventueller Schließungen in Wien nicht fest. Entscheidungen sollen im Februar fallen.

Der Obmann der Kärntner-Straßen-Kaufleute, Rainer Trefelik, erklärte die besonderen Rahmenbedingungen rund um das Opern-Grätzl und die Kärntner Straße: „Wird die Goethegasse geschlossen, dann liegt das nächste Wachzimmer am Stephansplatz. Und die Polizisten dort haben bereits einen riesigen, arbeitsintensiven Rayon zu bearbeiten.“ Trefelik im Klartext: „Wir brauchen den Grätzl-Beamten. Denn wenn Kaufleute, etwa wegen eines Ladendiebstahls am Posten Goethegasse anrufen, dann kennen die Polizisten automatisch die Anschrift. Und sie kennen Straßenzüge sowie U-Bahnzugänge.“ Nachsatz der Geschäftsleute: „Der Kontakt mit Beamten, die uns hier im Grätzl kennen, funktioniert gut. Wir brauchen sie hier.“ Trotzdem warten Bitzinger und Trefelik noch mit Kritik an Innenministerin Mikl-Leitner zu: „Nicht alles, was eine Reform ist, ist auch eine Katastrophe. Man muss die exakten Rahmenbedingungen kennen.“

Polizei am Stadtrand

Auch einige Kilometer von der City entfernt ist die Meinung der Bürger offenbar nicht anders. „Erst vor Kurzem hat mich ein Mann am Nachmittag auf offener Straße angefallen. Gott sei Dank haben mir zwei Frauen geholfen. Polizei war ja keine da. Es wird immer unsicherer hier“, erzählt Johanna Mauerhofer, die seit 44 Jahren in Floridsdorf wohnt. In der Umgebung befindet sich derzeit ein Polizeiwachzimmer. Dass Posten gestrichen werden sollen, sehen viele Bewohner des 21. Bezirks problematisch. Auch die Bäckereiangestellte Tamara Hermann will hier weiterhin Wachzimmer, anstatt nur Polizei auf der Straße. „Die Kriminalität nimmt immer mehr zu und gleichzeitig streicht man Posten? Das ist für mich komplett unlogisch. Hier im Geschäft schützen wir uns zwar mit Überwachungskameras, aber trotzdem braucht man doch die Beamten, wenn etwas passiert.“

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