"Pegida ist in Österreich obsolet"

Islamophobe Vorfälle nehmen zu. Mehrmals wurden Moscheen beschmiert, Verkehrsschilder überklebt.
Der Islam ist eine Projektionsfläche, sagt Farid Hafez. Das Islamgesetz sei Feindbild-Politik.

KURIER: In Wien waren rund 350 Pegida-Fans und rund 5000 Gegner auf der Straße. Was sagt das aus?
Farid Hafez:
Es zeigt, dass es in der Zivilgesellschaft mehr Antirassismus als organisierten Rassismus gibt. Es zeigt auch, dass es aufgrund der FPÖ in Österreich keiner Pegida bedarf. Die FPÖ deckt das, was Pegida will, ab – und noch mehr. In Wirklichkeit ist Pegida in Österreich obsolet. Das war ein Experiment, um zu schauen, ob man breitere gesellschaftliche Schichten inkludieren kann.

51 Prozent der Österreicher halten laut einer Umfrage den Islam für eine Bedrohung. Deckt sich das mit Ihrer Forschung?
Es gibt in Österreich keine Langzeitstudie dazu. Aber alle kleineren Studien weisen darauf hin, dass die Zahl stimmen dürfte.

"Pegida ist in Österreich obsolet"

Die Religion Islam wird gleichgesetzt mit Terror, religiöser Intoleranz und Frauenunterdrückung. Woher stammen die rein negativen Assoziationen?
Weil ein Islam-Diskurs vorherrschend ist, in dem solche Assoziationen permanent wiederholt werden. Ein Beispiel: Eine Wochenzeitung zeigt ein Cover mit dem Satz ,Warum der Islam so gefährlich ist‘ und dazu ein Terror-Bild aus Paris. Das Problem dabei ist: Solche Meldungen und Bilder sind jeden Tag in jedem Medium zu sehen. Es geht nicht mehr darum, etwas kritisch aufzuzeigen, sondern es werden Stereotype geschaffen, die sich in den Köpfen festschreiben.

Medien müssen ereignisbezogen berichten. Enthauptungen oder Anschläge durch Fanatiker, die sich auf den Islam berufen, finden nun mal statt.
Das ist korrekt. Aber eigentlich sollte es so berichtet werden: Drei IS-Mitglieder haben einen Menschen geköpft. Jeder Gegenstand muss als solcher benannt werden. Wenn es einen Islam-Bezug gibt, dann muss man ihn ansprechen. Aber wir erleben danach eine Islam-Diskussion, in der die Präsenz des Islam in Europa infrage gestellt wird.

Pegida wird als Islam-kritisch bis -feindlich beschrieben. Wo beginnt Kritik, wo Feindschaft?
Pegida gibt Islam-Kritik vor, schürt aber Islam-Feindschaft. Es ist einfach nur eine Verschönerung eines rassistischen Inhalts. Wenn von Religionskritik außerhalb des akademischen Raums gesprochen wird, ist entscheidend, von wem sie angewandt und wofür sie benutzt wird. Kritik an muslimischen Personen und Handlungen sind notwendig. Wir beobachten aber, dass Einzelbeispiele auf den Islam projiziert werden. An der Verallgemeinerung erkennt man, dass es nicht um einen konkreten Gegenstand, also um Kritik geht, sondern um den Versuch, Islam-Feindlichkeit salonfähig zu machen.

Ist Islamfeindlichkeit in der Mitte der Gesellschaft angelangt?
Sie war von Anfang an dort. Ich verweise auf eine Studie über das Islam-Bild in der deutschen Auslandsberichterstattung. Es ist ein kriegerisches und gewaltverherrlichendes Bild. Man darf nicht vergessen, dass die orientalistischen Diskurse unser Bild vom Islam prägen. Der Islam ist immer das andere, an dem Europa sich definiert.

Am Wochenende wurde in Wien erneut eine Moschee (siehe Zusatz-Bericht unten) beschmiert. Wie besorgniserregend ist die Situation?
Die Zahl an Vorfällen steigt im vergangenen halben Jahr stark an, seit der Diskussion um die Gruppe Islamischer Staat. Zahlen gibt es dazu keine. Mehrere Stellen sind sensibilisiert, die Vorfälle zu dokumentieren.

Welche Gesellschaftsschicht neigt am ehesten zu Angst und Vorurteilen?
Natürlich sind Menschen eher betroffen, wenn sie von Abstiegsängsten bedroht sind. Das größere Problem ist aber, dass die Angst dort instrumentalisiert wird, wo es keine Spur von Abstiegsängsten gibt. Ein Beispiel ist das Islamgesetz (das bis Sommer in Kraft treten soll, Anm.). Das stammt von ÖVP und SPÖ, also von privilegierten Parlamentariern, im bewussten Kalkül, den Rechten das Ufer abzugraben und den Menschen das Signal zu geben, wir tun etwas gegen den Terrorismus. Hier wird bewusst mit Stereotypen und Feindbildern gearbeitet, um die Menschen vermeintlich zu beruhigen. Die Dynamik, die entsteht, ist teuflisch.

Drei Hakenkreuze waren am vergangenen Wochenende auf eine Tür und zwei Fenster einer Moschee des Vereins Atib in Wien-Meidling geschmiert worden – die Täter sind unbekannt.

„Die Stimmung ist besorgniserregend“, sagt Atib-Sprecher Selfet Yilmaz. Nun hofft er jedoch, dass die spontane Aktion eines jungen Wieners die Stimmung wieder zum Positiven wendet.

Der 22-jährige Marc Hangler kam diese Woche bei der Moschee im 12. Bezirk vorbei, als die Vereinsmitglieder sich daran machten, die Hakenkreuze zu entfernen. „Er hat sich spontan bereit erklärt, mitzuhelfen“, sagt Yilmaz. „Ich bin Mitglied und Sprecher der Kampagne ,Gleiche Rechte für Muslime‘“, sagt Hangler. Als er von den Hakenkreuz-Schmierereien gehört hat, wollte er sich selbst ein Bild von der Lage machen. „Ich bin zur Moschee in die Schönbrunner Straße und habe mich dort bei den Leuten gemeldet.“ Dann habe er gemeinsam mit Muslimen Tür und Fenster gesäubert.

TV-Aufnahmen

Auch der türkische Fernseh-Sender TRT war vor Ort, um über die Nazi-Symbole auf dem Gotteshaus zu berichten. Nun filmten sie einen jungen Österreicher, der beim Wegschrubben der Hakenkreuze half.

„Diese Aktion von Herrn Hangler wird für eine Umbruchstimmung sorgen“, sagt Atib-Sprecher Yilmaz. „Das Video ist weltweit zu sehen. Gerade in einer Zeit, in der der Islam immer wieder kritisiert wird, ist das ein positives Zeichen.“

„Wir arbeiten viel mit muslimischen Vereinen zusammen“, sagt Hangler. So setzen sich die Aktivisten dafür ein, dass islamische Frauen ein Kopftuch tragen dürfen, wenn sie dies wollen.

Zur allgemeinen Stimmung gegenüber den Islam in Österreich meint Hangler: „Nach den Attentaten von Paris gab es eine große Kampagne, die Muslime in ein entsetzliches Licht gerückt hat.“ Man dürfe Terroristen oder den IS in Syrien und im Irak nicht mit dem Islam gleichsetzen. „Die nutzen die Religion nur als Deckmantel. Es gibt sehr viel mehr Muslime in der Welt, die Gutes tun und Leuten helfen.“

Die Schmieraktion in Meidling war nicht der einzige Vandalenakt in den vergangenen Wochen. So wurden kurz nach Weihnachten eine Schweinsnase und Innereien vor der Tür der Kocatepe-Moschee in Wien-Floridsdorf deponiert. Der Verfassungsschutz ermittelt.

Kommentare