Patienten als Druckmittel

Patienten als Druckmittel
Gebietskrankenkasse ermittelte mit bedenklichen Methoden gegen Arzt.

Der Prozess gegen einen Wiener (Drogen-)Arzt, der die Krankenkasse um 700.000 Euro betrogen haben soll, geht nach hinten los. Die Kasse hat offenbar Patienten unter Druck gesetzt, gegen den Allgemeinmediziner auszusagen, indem ihnen der Entzug der Sozialversicherungskarte angedroht wurde.

Der inzwischen mit Berufsverbot belegte Dr. P., dessen Ordination in Wien-Mariahilf seit 2012 geschlossen ist, soll der Krankenkasse nie erbrachte Leistungen verrechnet haben. In seiner Praxis lagerten rund 100 eCards, die er auch ins Lesegerät gesteckt haben soll, wenn die Patienten gar nicht bei ihm im Wartezimmer saßen. Der Angeklagte sagt, er habe die Karten der meist drogenabhängigen Patienten aufbewahrt, damit sie sich nicht auch noch von einem anderen Arzt Substitutionspräparate holen. Er selbst stand jedoch im Ruf, bei der Verschreibung großzügig zu sein und die halbe Karlsplatz-Szene zu versorgen.

Die Ermittlungsmethoden der Krankenkasse, deren Ergebnisse zur Anklage geführt haben, stellen sich allerdings zunehmend als fragwürdig heraus. Nicht nur, dass Hunderte – eigentlich durch die ärztliche Schweigepflicht geschützte – Patienten in der Krankenkasse und vor Gericht über ihre körperlichen und psychischen Probleme Auskunft geben mussten. So schilderte ein Zeuge am Montag im Wiener Landesgericht, er habe bei Dr. P. Rat wegen seiner Depressionen gesucht, nachdem ihn seine Freundin verlassen hatte.

Kein Dolmetscher

Die – wie der Arzt – überwiegend aus dem Iran stammenden Patienten können oft nicht einmal ihr Geburtsdatum auf Deutsch nennen, bekamen bei den Befragungen bei der Kasse aber keinen Dolmetscher beigestellt. In den Protokollen stand dann etwa, der Patient sei bloß zwei Mal im Jahr bei dem Arzt gewesen, vor Gericht gab dieselbe Person an, zwei Mal im Monat dort gewesen zu sein.

Einige Patienten – häufig Asylwerber – berichteten im Zeugenstand, Dr. P. habe sich fürsorglich um sie gekümmert und sogar Hausbesuche gemacht, bei denen er auch Infusionen verabreichte.

Der Angeklagte ist über die vorgeworfene Betrugssumme von 700.000 Euro entrüstet. Er gesteht ein, bei der Abrechnung vielleicht etwas großzügig bzw. schlampig gewesen zu sein. Dass er Behandlungsgespräche verrechnet habe, obwohl sich die Patienten nur im Vorzimmer ein Rezept geholt hätten, bestreitet er. Ein Schreiben der Ärztekammer entlastet Dr. P., demnach ist für Beratungen im Substitutionsprogramm weder eine bestimmte Gesprächsdauer noch ein bestimmter Inhalt vorgegeben.

Auch eine Manipulation der Verrechnungen durch die Krankenkasse steht im Raum, der Prozess wurde vertagt.

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