Neue Problemgebiete der Polizei

Symbolbild.
Anzeigen rückläufig, im Alsergrund und der Leopoldstadt nahm die Kriminalität aber deutlich zu.

Wird Wien tatsächlich sicherer? Die aktuelle Kriminalstatistik deutet darauf hin. Denn 15 Bezirke weisen im Vergleich von 2013 zu 2014 rückläufige Anzeigen-Zahlen auf. In acht Bezirken stieg die Kriminalität (siehe Grafik unten). Sogar in Schwerpunkt-Bezirken wie Favoriten ging die Anzeigenflut um 9,4 Prozent (um 1976) zurück.

Neue Hotspots

Dafür entwickelten sich Bezirke wie die Leopoldstadt (plus 7,5 %) oder Wien-Alsergrund (plus 31,1 %) zu den neuen Problemgebieten. Bei den Deliktgruppen stieg in Wien einzig der Haus- und Wohnungseinbruch um 3,4 Prozent. Alle anderen Verbrechensarten stagnieren oder präsentieren sich rückläufig.

Christof Hetzmannseder, Leiter des Büros für zentrale Koordination, erklärt, warum: "In vielen Hotspots der vergangenen Jahren wurden Maßnahmenbündel gesetzt. Denn eine Maßnahme allein ist für seriöse Verbrechensbekämpfung zu wenig. Das reicht von verstärkter Streifentätigkeit, über Prävention, bis zur Sensibilisierung der Bevölkerung sowie verstärkten Zivilstreifen." Nachsatz: "Man darf aber nicht vergessen, dass Kriminalität dadurch nicht nur bekämpft, sondern leider auch verdrängt wird." So dürfte es bei den Nachbarbezirken Josefstadt und Wien-Alsergrund gewesen sein. "Schon wenn eine personell starke Bande von Taschendieben oder Trickbetrügern ihre Einsatzgebiete verlagern, kann die Statistik kippen. Ähnliches gilt beim organisierten Fahrraddiebstahl", sagt Hetzmannseder.

Neue Problemgebiete der Polizei

Als funktionierendes Beispiel für gezielte Maßnahmen gilt Wien-Döbling. Die Anzeigen-Rate ging in einem Jahr um 12,8 % oder 1175 Amtshandlungen zurück. Nach dem schlechten Ergebnis 2013 wurden sogar Hundebesitzer auf Gassi-Tour gebeten, verdächtige Personen bei der Exekutive zu melden. Das Ergebnis gibt dieser Strategie recht.

Apropos Bürger: Immer häufiger tragen aufmerksame Passanten zur Aufklärung von Verbrechen bei. "Der Bürger ist sensibler und engagierter geworden. Früher war der Wiener defensiv. Heute ist Zivilcourage spürbar. Das ist kein Vernadern, sondern eine Hilfe für die Beamten. Lieber einmal zu viel Alarm schlagen, als bewusst wegschauen", motiviert der hohe Polizeioffizier die Bevölkerung zur Mitarbeit.

Delikte in den Öffis

Ein weiterer Aspekt, warum sich die Kriminalität in Wien teilweise verschiebt, sind Eigentums-Delikte in den Öffis – speziell in den U-Bahnen. Denn als Tatort gelten die Stationen, wo Täter aussteigen. Viele Diebe bevorzugen es, in den City-Stationen die Züge zu verlassen. Sie können in der Menge besser untertauchen. So rangiert die Innere Stadt mit 15.560 Anzeigen unter den im Spitzenfeld.

Was für die Polizei nicht so gut aussieht: Bei Einbrüchen in Wien sank die Aufklärungsrate von 7,8 auf 6,9 Prozent.

Österreich wird sicherer. Die Gesamtkriminalität sank im Jahr 2014 im Vergleich zum Vorjahr um 3,4 Prozent. Wurden 2013 noch 546.396 Fälle zur Anzeige gebracht, so waren es im abgelaufenen Jahr 527.692. Die Anzeigenflut ging in sämtlichen Bundesländern zurück (in Kärnten um 4,8%, in Oberösterreich um 4,2%, in Salzburg um 3,2 %, in Tirol und 2,2%, in Vorarlberg um 1,5%, in der Steiermark um 0,7%); jedoch nicht in allen Bezirken, wie die aktuelle Kriminalitätsstatistik belegt.

In Rohrbach in Oberösterreich ist die Kriminalitätsrate um 21,4 Prozent angestiegen, in Kirchdorf hingegen um 20 Prozent gesunken. Im Bezirk Völkermarkt in Kärnten fiel sie um 13,3 Prozent. Im selben Zeitraum und im selben Bundesland stieg sie im Bezirk Feldkirchen um 8,8 %. Warum weist die Statistik solche Unterschiede aus? "Im Fall von Feldkirchen handelt es sich um einen kleinen Bezirk mit 989 Anzeigen im Jahr 2014. Es gab einen Anstieg an Suchtmitteldelikten, das fällt bei der Gesamtstatistik rasch ins Gewicht", sagt Gottlieb Türk, Leiter des Landeskriminalamtes Kärnten.

Auch bezüglich der Aufklärungsquote der Kriminalfälle existieren große Differenzen: In den Landeshauptstädten sind sie traditionell schlechter als im ländlichen Bereich. In Klagenfurt liegt sie bei 43,4 %, in Linz bei 46,1 %, in Salzburg bei 45,2 %, in Innsbruck bei 49,9 %, in Bregenz bei 56,3 % und in Graz bei 41,9 %. "Das ist ein altbekanntes Phänomen und liegt daran, dass sich organisierte Kriminalität meist auf den urbanen Bereich konzentriert", betont Walter Kundigraber von der Kriminalprävention in Graz.

Positiver Ausreißer im Ländervergleich ist der Bezirk Rohrbach mit einer Quote von 70,8 Prozent. "In Rohrbach gab es Strukturmaßnahmen wie die Zusammenlegung von Dienststellen. Außerdem wurde die Einsatzgruppe Nord gegründet, die sich speziell mit Kriminalfällen befasst", kennt der Pressesprecher des Landespolizeikommandos Oberösterreich, David Furtner, die Gründe.

Differenziert man zwischen den Delikten, so haben strafbare Handlungen gegen Leib und Leben stets die höchsten Aufklärungsquoten. Auch hier glänzt mit Urfahr eine oberösterreichische Gemeinde: 95,3 Prozent der 362 Straftaten wurden positiv erledigt, was ebenfalls der oben erwähnten "EG Nord" zugeschrieben werden kann. Den niedrigsten Wert weist hier übrigens Landeck in Tirol (75,5 %) auf.

Wer strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen begeht, hat hingegen gute Chancen, nicht belangt zu werden. In diesem Segment hinkt Landeck mit einer Aufklärungsquote von nur 15,2 Prozent (bei 2646 Fällen) ebenfalls hinterher. "Das liegt hauptsächlich daran, dass wir pro Wintersaison um die 1300 Ski-Diebstähle vorliegen haben", sagt Landecks Bezirkspolizeikommandant Werner Hauser. Zum Vergleich: wieder besticht Rohrbach mit 58,4 Prozent Aufklärungsquote.

Was strafbare sexuelle Handlungen betrifft, konnten einige Bezirke sämtliche Straftaten klären: Im Fall von St. Veit oder Spittal in Kärnten ist diese 100-Prozent-Quote bei 14 bzw. 33 Anzeigen repräsentativ. Dies gilt weiters für Kirchdorf an der Krems (14 Anzeigen) in Oberösterreich oder Lienz (9 Anzeigen) in Tirol. Doch hier gibt es ebenfalls "Problemfälle" wie Wolfsberg (43,8 % Aufklärungsquote bei 16 Fällen) oder Feldkirch (46,8 %/77 Fälle).

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