Nervenkrieg um Streik in den Spitälern

Ende März war es noch eine Demo, mit der die Ärzte gegen die Umstrukturierungen in den Gemeindespitälern protestierten. Jetzt wird über einen Streik abgestimmt
Die Stadt hofft auf wachsenden Widerstand der Ärzte gegen die starre Haltung der Kammer.

Showdown im Streit um die neuen Arbeitszeit- und Gehaltsmodelle an Wiens Gemeindespitälern: Ab Freitag will die Ärztekammer die rund 3200 Ärzte in den Spitälern des Krankenanstaltenverbunds (KAV) befragen, ob sie streikbereit sind.

Es sei denn, es kommt in letzter Minute noch zu einer Einigung zwischen Stadt und Kammer. Wie dies bereits vor knapp einem Monat im AKH der Fall war, als das zuständige Rektorat der MedUni mit einer Einmalzahlung über 8000 Euro für jeden Arzt einen Streik gerade noch verhindern konnte.

Eine solche Einigung bei den KAV-Spitälern ist allerdings – noch – nicht in Sicht. Seitens der Stadt beabsichtigt man derzeit kein Entgegenkommen analog zum AKH, auch weitere Gespräche mit der Kammer sind für die nächsten Tage keine geplant. "Obwohl es nach der letzten Verhandlungsrunde eine Einigung bei vier von fünf Punkten gab, sind plötzlich wieder alle Punkte offen, ständig kommen neue Forderungen. Die Ärztekammer will offenbar keine Einigung", wettert Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ).

Primarärzte

So habe man sich etwa zuletzt darauf verständigt, bei der Gehaltsanpassung für Primarärzte bis Ende 2015 eine Lösung zu finden. Jetzt fordere die Kammer eine Umsetzung bis 1. September.

Seitens der Stadt hofft man jetzt darauf, dass angesichts dieser Vorgehensweise immer mehr Ärzte ihrer Standesvertretung die Gefolgschaft aufkündigen. Tatsächlich flatterte der Stadträtin zuletzt ein Brief ins Haus, in dem sich zehn Primarärzte zum eingeleiteten Reformkurs der Stadt bekennen und sich "von den Aktionen der Ärztekammer" distanzieren. Den Streitpunkt Primarärzte-Gehälter als Begründung für die Ablehnung des Gesamtpaketes heranzuziehen, "wird von uns nicht unterstützt", betonen die Unterzeichner. Und auch die SP-nahe Kammer-Fraktion hat zuletzt dafür plädiert, den Widerstand aufzugeben (siehe Interview).

Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres lässt sich davon nicht beeindrucken: "Zehn von insgesamt 140 Primarärzten sind keine Mehrheit." Obendrein habe er dem Fünf-Punkte-Papier keineswegs zugestimmt. "Gleich nach der Sitzung habe ich gesagt, dass dieses wohl keine Mehrheit in der Kurie finden wird."

Szekeres rechnet vielmehr mit einer breiten Zustimmung für Kampfmaßnahmen bei der Abstimmung. Ein Streik könnte dann im September über die Bühne gehen – für die SPÖ so kurz vor der Wahl ein denkbar unangenehmes Szenario.

Als Chef der Sozialdemokratischen Ärzte hat Marcus Köller für die Annahme des Angebots der Stadt im Streit rund um die Spitäler des Krankenanstaltenverbunds plädiert. Prompt wurde er als Vizechef der Ärztekammer-Kurie für angestellte Ärzte abgewählt. Diese vertritt die Interessen der Spitalsärzte.

KURIER:Wie überraschend kam für Sie Ihre Absetzung als Vize-Kurienchef?

Marcus Köller:Mich hat dies schon überrascht. Ich habe mir erwartet, dass man in der Demokratie das Recht auf freie Meinungsäußerung hat.

Wie erklären Sie sich den massiven Widerstand der Ärztekammer gegen die Arbeitszeit- und Gehaltsregelungen in den Gemeindespitälern?

Die Leute sind ein Arbeitszeit-System gewohnt, das 30 Jahre existiert hat. Natürlich gibt es jetzt angesichts der geplanten massiven Umstellungen Ängste. Es gab anfangs sehr viele Missverständnisse – etwa dass flächendeckend ein Schichtdienst eingeführt werden soll. Auch von der Einsparung von 382 Dienstposten ist man längst weg.

Ist nicht vor allem die Info-Politik der Stadt verantwortlich für diese Verunsicherung?Der KAV hat viel Information bereitgestellt. Gleichzeitig haben sich manche Kollegen sehr bemüht, die Ängste bewusst zu schüren. Mit der Intention, Misstrauen gegen die Gewerkschaft zu schüren, und dann selbst als Gewerkschaft hervorzugehen.

Ist das Misstrauen gegen eine von einem SPÖ-Gemeinderat geführte Gewerkschaft, die mit einer SPÖ-Stadträtin verhandelt, nicht berechtigt?

Es war ja bei den Verhandlungen auch die Personalvertretung dabei, die nicht zur SPÖ gehört, und eben auch die Ärztekammer.

Jetzt droht ein Streik. Was erwarten Sie sich davon?

Unsere Fraktion wird keinen Streik befürworten. Er würde auf dem Rücken der Patienten ausgetragen werden. Es ist fraglich, ob die Öffentlichkeit dafür Verständnis hätte. Ich glaube auch, dass die Bereitschaft der Ärzte dafür sinkt, wenn sie in den kommenden Monaten sehen, wie das neue Arbeitszeit-Modell in der Praxis funktioniert.

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