"Mystery Shopping": Angst vor Lockvogel im Wartezimmer

Franz Mayrhofer aus einer Mariahilfer Gruppenpraxis
Patientenanwalt versteht "Geheule" der Kammer nicht. Dabei sind auch Patienten skeptisch.

Es ist aktuell eines der heißesten Eisen in der Gesundheitspolitik – doch bei manchen Patienten ist das Thema noch nicht so richtig angekommen: Fragt man sie, was sie vom "Mystery Shopping" in Arztpraxen hält, antworten sie mit ratlosem Gesicht. "Davon höre ich zum ersten Mal", sagt einer der Wartenden in der Gruppenpraxis MedizinMariahilf im sechsten Wiener Bezirk.

Wie berichtet, sollen die Krankenkassen bei Verdachtsfällen schon bald Testpatienten in Ordinationen schicken dürfen, um Sozialbetrug aufzudecken – also etwa Missbrauch von eCards oder nicht gerechtfertigte Krankschreibungen. Die Ärztekammer läuft seit Monaten gegen dieses Vorhaben Sturm und spricht von Bespitzelung. Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient werde massiv beeinträchtigt.

Damit weiß sie sich auf einer Linie mit Patienten, die sich mit diesem Thema bereits näher beschäftigt haben: "Ich verstehe, dass sich die Ärzte auf den Schlips getreten fühlen", sagt etwa Moa Janes. "Ich glaube nicht, dass es so viele Ärzte gibt, die Sozialbetrug machen." – "Ich würde das schon etwas grenzwertig finden", sagt ein anderer Patient.

Das Kuriose dabei: Ausgerechnet die Patientenanwälte sind in dieser Frage genau gegenteiliger Meinung: "Manche dunklen Bereiche kann man nicht anders ausleuchten als mit Mystery Shopping", sagt Gerald Bachinger, Sprecher der Arge Patientenanwälte. "Auch der Verein für Konsumenteninformation setzt diese Methode erfolgreich ein." Zuletzt habe er etwa damit aufgedeckt, dass man bei privaten Zahlungen rascher einen MRT-Termin bekommt.

Immer wieder gebe es Gerüchte über Gefälligkeitskrankschreibungen. "Das beschädigt das Image der Ärzteschaft. Es soll daher in ihrem Interesse sein, solche Gerüchte zu zerstreuen", betont Bachinger. Er plädiert freilich ausschließlich bei konkreten Verdachtsfällen für den Einsatz von Testpatienten.

Bachinger kann das "Geheule der Ärztekammer" nicht verstehen. Allerdings: "Es herrscht hier, wie auch bei anderen Themen, innerhalb der Standesvertretung ein klares Ost-West-Gefälle: Ob Mystery-Shopping, Elga oder Primärversorgungszentren – es ist vor allem die Wiener Kammer, die lautstark dagegen auftritt."

"Sittenwidrig"

Diese wiederum schart jetzt neue Mitstreiter hinter sich: "Der Einsatz eines Lockspitzels ist nach gefestigter Rechtsprechung des OGH sittenwidrig, wenn verwerfliche Methoden angewendet werden: etwa Anstiftung zu einem verbotenen Handeln oder Aufstellung wahrheitswidriger Behauptungen", sagt Michael Enzinger, Präsident der Rechtsanwaltskammer Wien. Die Verhältnismäßigkeit sei nicht gegeben.

Das glaubt auch Franz Mayrhofer von der Mariahilfer Gruppenpraxis: "Es ist ja nicht so, dass wir Ärzte nicht kontrolliert werden. Wenn ich übermäßig viele Rezepte verschreibe, Leistungen abrechne oder Krankschreibungen mache, werde ich schon jetzt zum freundlichen Gespräch in die Kassa eingeladen." Das Mystery Shopping sei eine rein populistische Maßnahme, sagt der Arzt. "Wie kann man behaupten, Krankenstände werden zu großzügig verschrieben, wo doch ihre Gesamtzahl rückläufig ist?" Künftig werde er neuen Patienten "mit sehr reservierten Gefühlen" entgegentreten und vorsichtshalber zusätzliche Untersuchungen anordnen müssen. "Auch wenn sie unter Umständen gar nicht nötig sind. So entstehen erst recht Mehrkosten."

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