Mit Klotz am Bein ins neue Leben

Mit Klotz am Bein ins neue Leben
Unverschuldet verschuldet pendeln die Aktivisten zwischen Resignation und Hoffnung.

Elmar Völkls Rucksack auf dem Weg ins neue Leben wiegt trotz seines Freispruchs im Tierschützer-Prozess schwer. Genau 566.380 Euro schwer. "Ich habe aufgegeben, auf eine Entschädigung zu hoffen", meint er. Während Martin Balluch, das Gesicht des Verfahrens, die Republik gerade auf 600.000 Euro Schadenersatz klagt, pendeln die ehemaligen Mitangeklagten zwischen Resignation, Abwarten und Hoffnung.

Völkls Schadensverzeichnis umfasst ein Dutzend Posten – vom Psychotherapie-Selbstbehalt bis zur Tür, die bei der Polizei-Razzia im Mai 2008 aus der Wand gerammt wurde. Und natürlich die rund 450.000 Euro Anwaltskosten, die trotz Freispruch nicht ersetzt werden. "Er weiß, dass ich sie derzeit nicht habe und hat sie noch nicht geltend gemacht. Aber das Geld steht ihm zu", so Völkl. Den Balluch-Prozess verfolgt er nur mehr am Rande: "Die letzte Entscheidung hab ich gar nicht mehr fertig gelesen."

Anderes Leben

Er will sich vom Rucksack nicht hinunterziehen lassen: Nach vier Jahren beim Verein gegen Tierfabriken, arbeitet der 38-Jährige sich in seine neue Aufgabe ein – er soll für das vegane Lokal Swing Kitchen in Wien ein Franchise-Konzept entwickeln. Seinen VgT-Resturlaub nutzt er zum Wälzen betriebswirtschaftlicher Literatur.

"Ohne den Prozess wäre mein Leben ganz anders verlaufen", meint Völkl. Als er 2008 in U-Haft kam, arbeitete er als Assistent an der TU, schrieb an seiner Dissertation. Als das Verfahren im Mai 2011 nach 88 Prozesstagen mit Freispruch endete, schrieb er die Arbeit noch fertig, kehrte Physik und Chemie den Rücken und widmete sich erst recht dem Tierschutz.

"Ich kann meine Situation als Herausforderung ansehen", meint er. Das sei ihm schon in der U-Haft und beim Prozess gelungen. "Obwohl es mit all den Vorurteilen schwer war", so Völkl. "Selbst meine Mutter hat gemeint, man kommt nicht einfach so mit der Justiz in Berührung."

Neun verlorene Jahre

Felix Hnats Blick ist weniger optimistisch – sowohl jener zurück als auch der nach vorn. Hnat dissertierte an der WU, als er in U-Haft kam. Heute lebt der 32-Jährige von Sozialhilfe, ist Obmann der Veganen Gesellschaft – ehrenamtlich. "Wenigstens eine sinnvolle Beschäftigung", meint er.

Anders als Völkl hat er sich zu einer Klage entschieden. Am Landesgericht Eisenstadt kämpft er vergleichsweise aber um Peanuts. Weil Hnat im Prozess Verfahrenshilfe bewilligt bekommen hatte, geht es um einen kaputten Computer, um Fahrtgeld und die Kosten der psychologischen Betreuung.

Indirekt bedrohen die horrenden Anwaltskosten aber auch ihn. "Bis zu drei Jahre nach dem Freispruch kann sich der Staat die Verfahrenshilfe zurückholen, wenn Vermögen vorhanden ist", erklärt Anwalt Stefan Traxler.

Bei Hnat hat die Staatsanwaltschaft nach dem Freispruch 2011 berufen. Erst Ende Mai 2014 wurde er rechtskräftig freigesprochen. Richtig durchatmen kann er 2017 – neun Jahre nachdem der Spuk mit den Hausdurchsuchungen begonnen hat.

Für die Tierschützer kommen die Kosten einer Strafe durch die Hintertür gleich. Am Gesetz , das lediglich eine Pauschale vorsieht, übten auch Juristen bereits Kritik. "Wenn jemand freigesprochen wird und dann auf einem Kostenberg sitzenbleibt, ist das geradezu skandalös", meint etwa Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk im KURIER.

Im Justizministerium verweist man darauf, dass die pauschale Entschädigung mittlerweile erhöht wurde – statt 1250 Euro würden die freigesprochenen Tierschützer heute 3000 bekommen.

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