Mit dem Taxi zum legalen Glücksspiel

Eingesackt: Betreiber verhüllten zum Jahreswechsel die Spielautomaten mit schwarzen Müllsäcken und sperrten ihre Wettlokale zu.
Automatenbetreiber in Wien machen dicht und bringen ihre Gäste nach Niederösterreich.

Die Stimmung passt so gar nicht zum Wetter: Herrlicher Sonnenschein wärmt die Besucher des Wiener Praters. Doch für gute Laune sorgt das nicht. Eine Gruppe Männer steht vor einer verschlossenen Tür. Es ist die des Spielcasinos. „30 Jahre lang spiel’ ich jetzt“, sagt Willi S. „Und jetzt will man mir erklären, dass ich das nicht darf. Dabei ist das das Einzige, das ich mir gönne. Keinen Urlaub, kein teures Essen.“

Philipp K. steht ihm gegenüber. „Ein Witz ist das“, schüttelt er den Kopf. „Ein Wahnsinn!“ Er wartet auf das Taxi. Denn das bringt ihn nach Klosterneuburg. Kostenlos. Den Fuhrlohn übernimmt Glücksspielbetreiber Novomatic. Denn in NÖ sind die einarmigen Banditen weiterhin erlaubt. Und als kleine Aufwandsentschädigung gibt es für Herrn K. auch noch Spielguthaben dazu. 50 Euro mindestens. Für Stammspieler gerne auch mehr. „Praktisch“, sagt Philipp K. „Ich wohn ja auch gleich in Klosterneuburg.“

Türen zu

Seit 1. Jänner ist das kleine Glücksspiel in Wien verboten. Und entgegen der ursprünglichen Kampfansagen sind sämtliche Novomatic-Spielstätten tatsächlich geschlossen. Besucher werden von einem Türsteher empfangen – und wieder verabschiedet. „Viele waren’s heute schon, die ich weggeschickt habe“, sagt ein Türsteher im Prater. „Da sind ja auch viele alte, einsame Leute dabei, viele alte Damen“, erklärt Willi S. „Die sitzen jetzt alle traurig daheim.“

Die Finanzpolizei lässt sich mit den Kontrollen Zeit. Gestern wollte man „nur stichprobenartig kontrollieren und schauen, ob das Gesetz eingehalten wird“, erklärt Wilfried Lehner, Chef der Finanzpolizei. Doch man ist für den Ernstfall gerüstet. Denn begleitet werden die Kontrollen von der Polizei. Und die ist auch mit Schwerfahrzeugen im Einsatz, um illegale Automaten gleich aufladen und lagern zu können.

Die vielen kleinen Glücksspieltempel in der Reinprechtsdorfer Straße in Wien-Margareten halten sich jedenfalls daran. Besucher stehen vor verschlossenen Türen. „Außer Betrieb“, prangt ein gelber Aufkleber auf der Scheibe. In den Lokalen sind die Automaten mit Müllsäcken verhüllt. Den Wettanbietern – ihre Lokale sind offen – hilft das aber wenig. „Mehr Geschäft haben wir heute nicht“, erklärt ein Mitarbeiter.

„Das ist eine Farce“, schüttelt der Chef eines Automatenlokals den Kopf. „In der Kärntner Straße bei den Casinos Austria dürfen’s weiterspielen und die verdienen Millionen.“ Ein Lokalaugenschein dort zeigt: Diese Lücke hat sich bei den Automatenspielern noch nicht herumgesprochen. Es sind vor allem Touristen, die den Weg ins Casino finden.

„Und in der Ketzergasse in Wien ist das Spielen verboten. Geht man die Straße rüber, nach Vösendorf, gibt’s drei offene Lokale.“

Großer Andrang

Der Ansturm auf die Wettlokale am Wiener Stadtrand ist noch ausgeblieben. In einem Wettlokal in Vösendorf sind trotzdem alle 15 Automaten besetzt. „Da ist heute die Hölle los“, erzählt Stammgast Günter R. Neben den Taxikosten wird den Gästen hier noch 100 Euro Extrabonus geboten. Der 53-Jährige ist dennoch unzufrieden: „Bisher habe ich die Ruhe geschätzt. Jetzt suche ich mir wohl ein anderes Lokal.“ Marija K. ist hingegen mit dem Taxi nach Vösendorf gekommen. Der Service sei gut, allerdings ärgert sie sich über die 15 Minuten Fahrzeit: „Ich hatte ein Wettlokal um die Ecke. Ich hoffe, dass die Regelung rasch wieder aufgehoben wird. Das Gesetz ist ohnehin sinnlos.“

Eine Meinung, die allerdings nicht von allen Spielern geteilt wird. „Das Verbot macht durchaus Sinn“, ist ein 58-Jähriger Bauarbeiter überzeugt. In den legalen Wettbüros gäbe es zumindest eine gewisse Kontrolle und das Glücksspiel werde überwacht. Immerhin seien daran schon zu viele Existenzen zu Grunde gegangen, sagt der 58-Jährige, und nimmt sich dabei nicht aus.

Es geht um viel Geld: In Wien stehen 2600 Glücksspielautomaten. Rund 1500 davon betreibt die Novomatic. Jährlich bringen die Automaten 40 bis 50 Millionen Euro. Nun drohen den Betreibern Strafen über 22.000 Euro pro Gerät. Mit entsprechend harten Bandagen wurde bereits im Vorfeld um das kleine Glücksspiel gekämpft. Novomatic-Vorstand Harald Neumann kündigte in einem KURIER-Interview außerdem den Verlust von 500 bis 1000 Jobs an.

Die Novomatic brachte ihre Anwälte in Stellung und drohte mit Schadenersatz-Klagen gegen die Stadt Wien in der Höhe von 100 Millionen Euro. Helmut Kafka vom Automatenverband befürchtet eine Abwanderung der Spieler ins Internet.

Und eine Analyse von Kreutzer, Fischer & Partner-Consulting spricht von schwerwiegenden finanziellen Folgen für die Stadt Wien. Die Einnahmen durch das kleine Glücksspiel könnten bei Weitem nicht aus den zwei zusätzlichen Casino-Lizenzen lukriert werden. Denn: Der typische Automaten-Spieler in Wien zähle eher zur unteren bis mittleren Einkommensschicht, knapp die Hälfte habe einen Migrationshintergrund. „Es ist schon absurd zu glauben, dass der Arbeiter aus der Vorstadt plötzlich ein Casino im ersten Wiener Gemeindebezirk besucht“, meint Studienautor Andreas Kreutzer.

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