Milliardengeschäft mit gefälschter Ware

Objekte der Begierde: Smartphones und Zubehör sind beliebte Fälscherware.
Von Handys bis zu Potenz-Pillen: Produktpiraten fälschen alles, was sich verkaufen lässt.

Die wackeligen Kartons kamen den Zöllnern am Flughafen Wien-Schwechat verdächtig vor: schlecht verpackt, unterschiedliche Größen. Die Beamten wurden neugierig. Deklariert war die Fuhre als Handy-Bestandteile. Sie öffneten einen der Kartons. Die Deklarierung war richtig. Allerdings: Die Teile waren bloß in dünnem Plastik verpackt. Ein Griff und ein geschulter Blick brachten Klarheit: Die Bauteile waren gefälscht. 112.710 Stück, um genau zu sein.

Großaufgriffe wie diese sind selten. "Danach war in diesem Sektor lange nichts", erzählt Gerhard Marosi, Leiter der Abteilung Betrugsbekämpfung im Finanzministerium. Bis Ende Februar. Da tauchten am Flughafen erneut gefälschte Handys und Zubehör wie Ladekabel, Hüllen oder Akkus auf. "Es gab erneut einen Aufgriff mit 1800 Stück, im März waren es zwei mit 874 und 200 Stück."

Milliardengeschäft mit gefälschter Ware
Gerhard Marosi, Leiter der Abteilung Betrugsbekämpfung

Das Geschäft mit gefälschten Markenartikeln ist lukrativ. Die Finanz hat dafür einen Namen: Produktpiraterie. Und die legte laut dem aktuellen Produktpiraterie-Bericht 2014 speziell im Bereich der Mobiltelefone gehörig zu. Waren im (Original-)Wert von mehr als drei Millionen Euro konnten Zollbeamte im Vorjahr aus dem Verkehr ziehen. Im Vergleich: Ein Jahr zuvor betrug der Warenwert rund 1,9 Millionen Euro. "Geiz ist geil", sagt Gerhard Marosi, Leiter der Abteilung Betrugsbekämpfung im Finanzministerium.

Das gilt auch bei angeblichen Schnäppchen, die im Internet kursieren. Nagelneue Marken-Smartphones um 200 bis 300 Euro. Ein Klick und die Bestellung ist unterwegs. Zumeist aus China. Die gelieferte Ware ist zwar ebenso wenig original wie der Preis, "aber anscheinend gibt es einen Markt dafür", weiß Marosi aus Erfahrung.

Schein statt Sein: Das ist nicht nur bei Smartphones durchaus beliebt. Die Zoll-Mitarbeiter stoppen täglich Produktfälschungen aller Art. Nicht nur am Flughafen, auch in der Zollstelle in Wien-Inzersdorf. Im Vorjahr waren es zum Beispiel 1526 Stück Kleidung, 1128 Taschen, oder 695 Paar Sportschuhe.

Die zweite große Warengruppe sind und bleiben Medikamente. Auch wenn die entsprechenden Aufgriffe im aktuellen Bericht weniger geworden sind. Das hat in erster Linie mit der "Operation Vigorali" zu tun – einer groß angelegten Aktion des Bundeskriminalamts. Acht Personen wurden festgenommen, der Prozess läuft. Sie sollen auf zahlreichen Internet-Plattformen gefälschte Arzneimittel verkauft haben. Allein in Österreich wurden laut Polizei 20.000 Pakete mit rund 300.000 gefälschten Medikamenten sicher gestellt.

Wirkungsloses "Viagra"

In erster Linie waren es Potenzmittel, die über das Internet bestellt worden waren. Allerdings: Die Kopien der berühmten blauen Tabletten waren völlig wirkungslos.

Potenz-Pillen führen bei den Medikamenten-Fälschungen noch immer die Rangliste an. "Aber bestellt wird alles, was im Lifestyle-Bereich angesiedelt ist. Abnehm-Produkte genauso wie Mittel gegen Haarausfall." Die Warnung davor bleibt nicht aus: "Im Internet kann ich nicht feststellen, woher die Ware kommt", warnt Marosi.

Ein abschreckendes Beispiel – allerdings aus Russland – hat er immer parat: Bei einem gefälschten Herzmedikament handelte es sich um gemahlenen Ziegelstaub. Für die richtige Färbung sorgte gelbe Straßenfarbe, den Glanz erhielten die Tabletten durch Möbelpolitur.

Fälscherwaren aller Art im Wert von 5,45 Millionen Euro wurden im Vorjahr vom Zoll in Österreich aus dem Verkehr gezogen. Ein Großteil der aufgegriffenen Waren wird später vernichtet. Und das ist fast nichts im Vergleich zu Deutschland. Dort wurden im Jahr 2014 Waren im Wert sagenhaften 137,72 Millionen Euro abgefangen. EU-weit handelt es sich gar um 768 Millionen Euro. Die OECD schätzt, dass der Weltwirtschaft durch Schutzrechtsverletzungen jährlich rund 200 Milliarden Euro verloren gehen.

Die Europäische Beobachtungsstelle für Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums hat für den Bereich Kosmetik eine Studie erstellt: Durch Fälschungen bei Düften, Make-up oder Zahnpasta büßt die Branche 7,8 Prozent des Umsatzes ein. Pro Jahr bedeutet das einen Verlust von 4,7 Milliarden Euro, weitere verwandte Wirtschaftszweige verlieren 4,8 Milliarden Euro. Das kostet auch 51.561 Arbeitsplätze, die Hälfte davon im Handel.

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