MERS-Patientin noch nicht über den Berg

Bisher wurden laut WHO 835 per Labortest bestätigte Erkrankungen registriert.
Die 29-Jährige kam am 22. September nach Österreich – ihr Zustand ist weiterhin kritisch.

Der Zustand jener Patientin, die am Sonntag wegen einer MERS-Erkrankung in die Isolierstation der Infektionsabteilung des Kaiser-Franz-Josef-Spitals in Wien aufgenommen worden ist, war am Donnerstag unverändert. Dies teilte ein Sprecher des Krankenanstaltenverbundes (KAV) der APA mit.

"Der Zustand der Patientin ist weiterhin kritisch", sagte der Sprecher. Die behandelnden Ärzte hätten aber im ersten österreichischen Fall dieser Virusinfektion "einen vorsichtig positiven Trend" festgestellt.

Die mit dem seit 2012 vor allem im Nahen Osten aufgetauchten MERS-Virus ("Middle Eastern Respiratory Syndrome Coronavirus" - MERS-CoV) angesteckte Frau aus Saudi-Arabien wird mit antiviralen Medikamenten auf der Klasse der Protease-Hemmer und spezieller unterstützender Therapie mit fein abgestimmter Beatmung behandelt. MERS-CoV-Erkrankungen können eine virale Entzündung der unteren Atemwege (Bronchiolitis) und in der Folge akutes Lungenversagen (ARDS) auslösen.

Am Donnerstag veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Details zu dem ersten MERS-Coronavirus-Fall in Österreich. "Bei dem Fall handelt es sich um eine 29 Jahre alte Frau mit saudi-arabischer Staatsbürgerschaft, die am 22. September auf einem Flug von Doha (Katar) nach Wien gereist war", hieß es vonseiten der WHO.

Bestätigung

Die Frau war von Affif in Saudi-Arabien über Riad mit dem Auto nach Katar gereist. Zwei Tage nach der Ankunft in Wien sei sie in ärztliche Behandlung gekommen und am 26. September in ein Privatspital aufgenommen worden. Zwei Tage später, am 28. September, erfolgte dann die Aufnahme in der Infektionsabteilung des Kaiser-Franz-Josef-Spitals. Einen Tag darauf lag laut WHO bereits die Bestätigung des MERS-Verdachts durch eine Polymerase-Chain-Reaction-unterstützte Laboruntersuchung (RT-PCR) vor, ein weiterer Bestätigungstest fiel am Dienstag dann ebenfalls positiv aus.

Die Weltgesundheitsorganisation: "Alle in Österreich identifizierten Kontaktpersonen wurden über die Erkrankung informiert und werden durch die österreichischen Gesundheitsbehörden beobachtet. Bisher zeigten zwei enge Kontaktpersonen Symptome der oberen Atemwege und wurden ins Spital aufgenommen."

"Alle High-Risk-Personen wurden besonders beobachtet und auch serologisch (Labortest; Anm.) untersucht. Zwei dieser Personen haben grippale Symptome entwickelt. Die gute Nachricht ist, dass alle Laborergebnisse negativ waren", sagte die Sektionsleiterin für öffentliche Gesundheit im Gesundheitsministerium, Pamela Rendi-Wagner, am Donnerstag.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO): "Die österreichischen Gesundheitsbehörden nehmen an, dass die Patientin vor und während der internationalen Flüge infektiös war." Deshalb hätte man den Behörden in Katar auch alle Informationen zukommen lassen.

Die Gesundheitsbehörden im Nahen Osten sind seit Monaten speziell aufmerksam, was MERS-Coronavirus-Infektionen angeht. Bisher wurden laut WHO 835 per Labortest bestätigte Erkrankungen registriert. Es gab zumindest 301 Todesfälle. Die Zahl der Neuerkrankungen ist in der jüngeren Vergangenheit laut WHO gesunken. Ein Problem könnte allerdings mit den derzeitigen Pilgerreisen von Muslimen nach Mekka entstehen. Möglicherweise gibt es für MERS-Infektionen auch ein jahreszeitlich schwankendes Risiko. Die WHO wies darauf hin, dass es im Frühjahr zu mehr Erkrankungen gekommen ist.

Lokalaugenschein in der Wiener Infektionsabteilung

1. Virus-Art: Das Coronavirus MERS (Middle East Respiratory Syndrom) wurde erstmals im März 2012 bei Patienten mit einer schweren Atemwegsinfektion identifiziert. Aktuell befindet sich eine betroffene Frau aus Saudi-Arabien in einer auf Infektionserkrankungen spezialisierten Krankenhausabteilung in Wien in Behandlung. MERS hat Ähnlichkeit mit dem SARS-Virus.

2. Übertragung: MERS wird nach Erkenntnissen saudi-arabischer Wissenschafter direkt von Kamelen auf den Menschen übertragen. In der Fachzeitschrift "New England Journal of Medicine" beschreiben die Forscher wie sie dies anhand eines Fallbeispiels nachweisen konnten: Ein Mann starb im November vergangenen Jahres an dem Virus und zwar kurz nachdem er seine mit MERS infizierten Kamele behandelt hatte. Die Wissenschafter fanden heraus, dass die Genome des Krankheitserregers des Mannes und des Virus, das zum Tod des Tieres führte, identisch waren. Bei einer Überprüfung von Dromedarbeständen im arabischen Raum und zum Teil auch angrenzenden afrikanischen Ländern wurde ebenfalls ein großer Anteil positiv auf MERS-CoV getestet. Bei engem Kontakt mit erkrankten Personen kann es auch zu einer Mensch-zu-Mensch Übertragung kommen.

3. Symptome und Krankheitsverlauf: Die Erkrankung beginnt meist 2-13 Tage nach der Ansteckung (Inkubationszeit) mit Fieber, Husten und Kurzatmigkeit. Bei einigen Erkrankungsfällen trat zusätzlich Durchfall und Erbrechen auf. Es kommen milde Verlaufsformen (Symptome wie bei einer Erkältung) und Infektionen ohne jegliche Symptome vor.

4. Folgen: MERS kann unter anderem zu schweren Atemwegsleiden, zu Lungenentzündung und Nierenversagen führen. Mehr als 40 Prozent der Patienten sterben, es gibt keinen vorbeugenden Impfstoff.

5. Risiko-Patienten: Untersuchungen zeigten, dass für Menschen mit Grunderkrankungen, wie z.B. Diabetes, beeinträchtigter Immunabwehr, chronischen Herz-, Lungen- oder Nierenerkrankungen ein höheres Infektionsrisiko besteht.

6. Fälle: Bisher sind bei dem Ausbruch des Virus weltweit etwa 800 Menschen erkrankt. In der EU sind bisher zwölf „importierte“ Fälle aufgetreten. Alle bisher an MERS-CoV erkrankten Personen haben sich im Nahen Osten auf der Arabischen Halbinsel angesteckt, oder hatten Kontakt mit Personen, die dort erkrankten. In Saudi-Arabien starben laut Angaben des Gesundheitsministeriums bisher 282 Menschen an MERS.

7. Gefahr in Österreich: Laut einers Aussendung des Gesundheitsministeriums besteht in Österreich derzeit kein erhöhtes Risiko für eine MERS-CoV Erkrankung in der Allgemeinbevölkerung. Ein Import aus einem betroffenen Gebiet kann jedoch nicht ausgeschlossen werden.

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