"Menschenschlichten" in der U-Bahn

Bitte einsteigen: Durchsagen sollen helfen, den richtigen Eingang zu finden.
Mit Aufklebern sollen Passagiere auf weniger überfüllte Eingänge hingewiesen werden.

Das Rattern des herannahenden Zugs wird immer lauter. Und wie als Antwort darauf: Fußgetrappel im Laufschritt. Die einfahrende U-Bahn muss doch noch erwischt werden; es könnte doch die letzte sein. Das scheint zumindest in einigen Köpfen der Fahrgäste vorzugehen. Wie sonst wäre die große Eile zu erklären, mit der sie sich an Menschen auf der Rolltreppe vorbeidrängen und über die Stufen hüpfen?

Aber eigentlich wundert sich Bernd Sobotka darüber schon gar nicht mehr.

Ändern möchte er das Verhalten der Wiener trotzdem. Der 43-Jährige ist Bereichsleiter bei den Wiener Linien und für die Sicherheit und Pünktlichkeit im U-Bahnnetz verantwortlich. Sein Ziel: Eine schnelle Abfertigung der Züge, um die Passagiere rasch an ihr Fahrziel zu bringen. Und dazu braucht es keine Menschen, die sich noch im letzten Moment durch schon schließende Türen zwängen. Oder Menschen, die sich wie Trauben vor dem ersten Waggon sammeln – während ein paar Abteile weiter hinten gähnende Leere herrscht. "Das ist der Herdentrieb", glaubt Bernd Sobotka. Und wohl ein bisschen die Bequemlichkeit. Denn um kürzest mögliche Wege zu haben, steigen die Fahrgäste so ein, dass sie beim Aussteigen die Rolltreppe genau vor sich haben.

Um die Fahrgäste zum Verteilen zu motivieren, hat Bernd Sobotka im September an besonders stark frequentierten Stationen blaue Aufkleber mit der Aufschrift "Bitte nützen Sie alle Einstiege" angebracht. Vor so einem Schild bei der U3-Station Westbahnhof trifft der KURIER den Bereichsleiter um sieben Uhr Früh. Mit 109 Millionen Fahrgästen ist die U3 die am stärksten ausgelastete U-Bahn-Linie.

Fahrgastwechsel

Geschäftsfrauen mit Aktentaschen, Kinder mit Schultaschen und Bauarbeiter mit Rucksäcken sammeln sich am Beginn des Bahnsteigs. Die U-Bahn fährt ein. Die Masse vor den Eingängen teilt sich nahezu manierlich, lässt die Fahrgäste aussteigen. "Na, vielleicht zeigen unsere Ansagen doch langsam Wirkung", sagt Sobotka und meint jene Durchsagen, die während des Stoßverkehrs halbstündlich in den Stationen erklingen und die Passagiere daraufhinweisen, Fahrgäste zuerst aussteigen zu lassen und auch den Raum in der Mitte des Zuges zu nutzen.

Allerdings lediglich auf Deutsch. Prinzipiell gibt es alle Durchsagen zwar auch auf Englisch, und bei akuten Problemen werden auch beide Sprachen verwendet. Aber man wolle die Menschen nicht dauernd mit Durchsagen zudröhnen. Außerdem: "Es kommen dann Beschwerden, weil das Englisch so schlecht sei." Dabei hat es bereits Schulungen des U-Bahn-Personals mit Native Speakern gegeben.

Dass eine rasche und effektive Aufteilung der Menschenmassen prinzipiell möglich ist, zeigen Großveranstaltungen wie Konzerte oder Fußballspiele im Stadion, das innerhalb von zwei Stunden geleert werden kann. Dank Leitsystem und den Anweisungen eines engagierten U-Bahn-Mitarbeiters, der wie der Moderator einer Talkshow die Leute animiert und sie auf die letzten freien Sitzplätze verteilt.

Falls die neuen Aufkleber und Durchsagen also nicht die erwünschte Wirkung zeigen, wäre mehr Personal auf den Bahnsteigen für Bernd Sobotka auch eine Überlegung für den U-Bahn-Alltag.

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