Mehr Mitspracherecht für Umweltschützer in Wien

Im Fall der Stammersdorfer Ziesel pochten NGOs vergeblich auf die Aarhus-Konvention.
Wien setzt als erstes Bundesland die Aarhus-Konvention um. NGOs haben bald Zugang zu Gerichten.

Den Stammersdorfer Zieseln, die seit drei Jahren „sanft umgelenkt“ werden, damit sie einem großen Wohnbauprojekt Platz machen, hilft die geplante Gesetzesänderung zwar nicht mehr – ist die Novelle doch nicht rückwirkend anwendbar. Bei künftigen umweltrelevanten Bewilligungsverfahren sollen Umweltorganisationen, wie Global 2000, WWF oder Umweltdachverband, aber mehr Mitspracherecht bekommen. Zumindest einmal in Wien.

Die Bundeshauptstadt ist nämlich das erste Bundesland, das die sogenannte Aarhus-Konvention vollständig umsetzt. Die Änderungen des Nationalpark- sowie des Naturschutzgesetzes liegen seit Donnerstag zur Begutachtung auf.

Konkret sollen anerkannte Umweltorganisationen – 27 davon sind in Wien aktiv – bei Projekten, für die keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) notwendig ist, gegen Bescheide Beschwerde beim Wiener Verwaltungsgericht erheben dürfen. Zudem muss die Behörde den NGOs die Bescheide auf einer elektronischen Plattform vier Wochen lang zur Verfügung stellen.

Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich

Das ist allerdings kein freiwilliges Entgegenkommen, sondern ob eines Übereinkommens der UN-Wirtschaftskommission für Europa – eben der nach der dänischen Stadt Aarhus benannten Konvention, die bereits im Oktober 2001 in Kraft getreten ist – Pflicht. Da man sich in Österreich mit der Umsetzung seither Zeit gelassen hat, leitete die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik ein.

In Brüssel ist man der Ansicht, dass der Zugang von Umwelt-NGOs zu Gerichten bis dato nicht ausreichend umgesetzt wurde – insbesondere im Abfall-, Wasser-, Luftreinhalte-, Naturschutz-, Jagd- und Fischereirecht. Die Landesumweltreferenten (in Wien hat SPÖ-Stadträtin Ulli Sima die politische Verantwortung) beschlossen im Mai 2015 daher die möglichst rasche Umsetzung der Konvention.

In Wien, wo immer öfter Bürgerinitiativen rechtliche Bedenken gegen unliebsame Bauprojekte anmelden, setzt man nun den entsprechenden Schritt. „Zum einen befolgen wir eine völkerrechtliche Vereinbarung, zum anderen haben wir durch geregelte Verfahren mehr Rechtssicherheit“, begründet man die Initiative seitens der Behörde. Die anderen Bundesländer werden über kurz oder lang nachziehen müssen.

Keine Parteienstellung für NGOs

Wunschlos glücklich sind die Umweltlobbyisten trotzdem noch nicht: „Der Wermutstropfen ist, dass uns nur nachträgliche Überprüfungsrechte, aber keine Parteienstellung im Verfahren eingeräumt werden sollen“, sieht etwa Wolfgang Rehm von der Umweltorganisation VIRUS die Aarhus-Konvention „noch nicht 100-prozentig“ erfüllt. Seiner Ansicht nach wäre es „gescheiter, sich gleich im Verfahren zusammenzusetzen, anstatt im Nachhinein Fehler zu suchen“.

Als Beispiel führt er die eingangs erwähnte Floridsdorfer Ziesel-Debatte an. In der Causa beruft sich VIRUS ja auch schon bisher auf die Aarhus-Konvention und fordert mit Hilfe von Rechtsanwalt Wolfgang List Parteienstellung sowie Einblick in die Bescheide ein. Wenn nötig, will man bis zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) gehen.

„Hätte das nun geplante Gesetz bereits 2013 (als die Umweltschutzabteilung MA22 die Absiedlung von Zieseln und Feldhamstern per Bescheid bewilligte; Anm.) gegolten, hätten wir Rechtsmittel dagegen ergreifen können“, erklärt Rehm.

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