"Medizinisch macht es Sinn"

"Medizinisch macht es Sinn"
Österreichs größtes Rehabilitationszentrum soll mit zwei Wiener Unfallspitälern fusionieren.

Nirgendwo im Land werden so viele Menschen nach schweren Unfällen wieder auf ein selbstständiges Leben vorbereitet wie im Rehabilitationszentrum Weißer Hof bei Klosterneuburg, NÖ. Rund 1600 Patienten pro Jahr durchlaufen in der mitten im Wienerwald gelegenen Einrichtung Reha-Programme.

"Wir setzen auf ganzheitliche Reha-Konzepte", sagt Chefärztin Karin Gstaltner. Zur medizinischen Behandlung komme psychologische und soziale Betreuung sowie Training für den beruflichen Wiedereinstieg. Lediglich die Hotelkomponente des 1987 eröffnete Hauses halte mit den zeitgemäßen Konzepten nicht mehr ganz mit: "Heute würde man keine Mehrbettzimmer bauen, wie es damals üblich war." Aus medizinischer und therapeutischer Sicht sei der Weiße Hof jedoch auf dem letzten Stand, betont Gstaltner.

Zusammenführung

Und trotzdem sind die Tage des Reha-Zentrums gezählt. Eine kürzlich erstellte Machbarkeitsstudie der AUVA – die staatliche Unfallversicherung ist Träger des Reha-Zentrums – hat ergeben, dass es Sinn macht, die vier AUVA-Einrichtungen im Großraum Wien an einem Standort zusammenzulegen. Gemeint sind der Weiße Hof, das Lorenz-Böhler-Unfallkrankenhaus in Wien-Brigittenau und das UKH Meidling samt dem als eigenständige Einheit geführten Reha-Zentrum Meidling.

Auf dem ersten Blick klingen die Pläne paradox. Tragen nicht die Ruhe und die idyllische Umgebung des Weißen Hofs zum Gelingen der Rehabilitation bei?

Karin Gstaltner hat, wie auch die Chefärzte der drei anderen betroffenen Häuser, an der Studie mitgearbeitet: "Für Patienten, die nach einem Unfall wieder gehen lernen, ist der Weiße Hof ideal." Die Reha-Programme für diese Patientengruppe dauern einige Wochen und verlaufen meist unkompliziert. "Diese Patienten werden aber immer weniger, weil es für sie auch billigere private Anbieter gibt".

Kaserniert

Auf die Mehrzahl Patienten im Weißen Hof treffe dieses Schema nicht mehr zu. Viele Unfallopfer, die eigentlich nicht stationär aufgenommen werden müssten, seien hier, weil es in Österreich kaum ambulante Reha-Angebote gebe. "Die fühlen sich bei uns kaserniert", sagt Gstaltner.

Immer größer werde auch die Gruppe der schweren Fälle mit Polytraumen, Amputationen, Querschnittslähmungen oder Schädel-Hirn-Verletzungen. Bei diesen Patienten dauere die Behandlung sehr lange und beinhalte oft Komplikationen. Gstaltner: "Für viele dieser Komplikationen sind wir nicht eingerichtet. Wir haben keine Intensivstation, kein MR, keinen Computertomograph." Fast jede Woche müsse ein Patient nach Komplikationen mit dem Notarztwagen in eine Intensivstation gebracht werden.

Diese Nachteile würden wegfallen, wenn Akutbehandlung und Rehabilitation an einen Standort zusammengeführt werden, fasst die Chefärztin zusammen.

Ob es tatsächlich dazu kommt, steht noch nicht fest. Nach der positiven ersten Erhebung wurde eine Feinstudie in Auftrag gegeben, die bis Frühjahr 2015 weitere offene Fragen klären soll – darunter so entscheidende Parameter wie Standort der neuen Klinik, Zeitplan und Kosten des Projekts. Karin Gstaltner: "Was wir nach der Grobstudie wissen – medizinisch macht die Zusammenführung Sinn."

Die Reha-Spezialisten

AUVA - Die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, so der volle Wortlaut, ist ein selbstverwalteter Sozialversicherungsträger, wie es auch die Krankenkassen oder Pensionsversicherungen sind. Hauptaufgaben sind die Verhütung von Arbeitsunfällen sowie Behandlung und Rehabilitation nach Unfällen. Zu diesem Zweck unterhält die AUVA elf Unfallkrankenhäuser und Reha-Zentren in ganz Österreich. Auch für die Auszahlung von Invalidenrenten nach Arbeitsunfällen ist die AUVA zuständig.

Beklagen will sich niemand, aber den Optimismus der Chefärztin teilt man in der Belegschaftsvertretung nicht wirklich: „Ich kann nicht genau sagen, wie die Stimmung bei den Ärzten und dem Pflegepersonal ist, bei den Arbeitern herrscht jedenfalls Skepsis“, sagt der Obmann des Arbeiter-Betriebsrats im Reha-Zentrum Weißer Hof, Reinhard Niedermaier.

Ja, die knapp 300-köpfige Belegschaft sei von Anfang an über die mögliche Zusammenlegung des Weißen Hofs mit den Wiener Unfallspitälern informiert worden. Und ja, die Direktion der AUVA habe eine Job-Garantie für alle Mitarbeiter abgegeben.

Trotzdem will keine rechte Freude über die Umzugspläne aufkommen, sagt Niedermaier. Einerseits bringe der idyllisch im Wienerwald gelegene Standort des Reha-Zentrums Vorteile in der Behandlung der Patienten: „Unser großes Plus ist die schöne Umgebung, in der die Patienten ins Arbeitsleben zurück finden.“

Zulagen

Andererseits befürchtet der Betriebsrat bei einem möglichen Umzug nach Wien Nachteile für die Belegschaft. „Laut Kollektivvertrag erhält jeder Mitarbeiter, der nicht in Wien oder einer Landeshauptstadt arbeitet, eine Zulage zwischen knapp 400 und etwas mehr als 600 Euro jährlich. Um dieses Geld würden wir umfallen.“ Außerdem gebe es am Weißen Hof kostenlose Mitarbeiter-Parkplätze, während die Kollegen der Wiener AUVA-Spitäler für das Parken zahlen müssten, sagt der Obmann des Arbeiter-Betriebsrats.

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