MaHü: Schlacht geschlagen, neue Fragen

MaHü: Schlacht geschlagen, neue Fragen
Am Tag nach der Entscheidung für die Fuzo beginnt für Rot-Grün die Arbeit - Renate Kaufmann tritt zurück.

Am Tag nach der Abstimmung ist auf der Mariahilfer Straße (siehe unten) alles beim Alten. Menschen flanieren in der Sonne über die Gehsteige, Autofahrer mit ortsfremden Kennzeichen werden von Polizisten umgeleitet – jedoch: Immer mehr Fußgänger wagen sich auf die Mitte der Straße. Am Tag nach dem Sieg ist für Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) daher klar: "Es liegt noch viel Arbeit vor uns." Noch sind viele Fragen ungeklärt:

Wann beginnt der Umbau der Mariahilfer Straße?

Der Plan ist, mit den Bauarbeiten für den ersten Abschnitt Mitte Mai zu beginnen. Bis zum Herbst soll dann ein Stück Fußgängerzone und ein Stück Begegnungszone baulich umgestaltet sein.

Wann werden weitere Querungen geöffnet?

Schon in den nächsten Wochen sollen die ersten Querungen geöffnet werden. "Zuvor werden wir uns in einer Arbeitsgruppe mit dem Handel und Verkehrsexperten zusammensetzen, um ein Konzept zu erarbeiten", sagte Vassilakou am Samstag.

Dürfen die Radler jetzt wirklich durch die Fußgängerzone radeln?

Ja, 52,9 Prozent stimmten dafür, in ganzen Zahlen aber nur 9.125 aller 33.122 Teilnehmer an der Umfrage, da jene, die die Fußgängerzone ablehnten, keine Unterfragen zu Radlern und Querungen ausfüllen durften. Gerade unter den Ablehnern dürften aber viele sein, denen auch das Radfahren ein Dorn im Auge ist. Bürgermeister Michael Häupl (SP) hatte sich stets gegen das Radfahren in der Fuzo ausgesprochen. Er nahm das Ergebnis zur Kenntnis. "Wir werden die Sorgen von Eltern mit kleinen Kindern ernst nehmen. Wir werden uns darum nicht nur mit der Polizei kümmern, sondern uns auch geeignete Maßnahmen überlegen", versprach er im KURIER-Interview.

Wie knapp war es für Rot-Grün wirklich?

Die Erleichterung bei Vassilakou war deutlich spürbar. "Sie wäre zwar nicht zurückgetreten, hätte aber einen nachhaltigen Imageschaden gehabt", analysiert Politologe Peter Filzmaier. Auf Jubelposen verzichteten die Grünen daher konsequent. Wäre die Abstimmung negativ ausgangen, wäre der Koalitionssegen sehr schiefgehangen. "Eine Neuauflage von Rot-Grün nach der nächsten Wahl wäre damit unmöglich geworden, sie ist aber auch so ins Wanken geraten", sagt Filzmaier.

Was sagen die Kritiker? "Das Ergebnis wurde mit allen Tricks eingefahren", sagt Christian Jirik von der Initiative pro1070. Vor allem der Ausschluss der Kaufleute sei ein Skandal. Während die FPÖ ebenfalls von einem Verbrechen an der direkten Demokratie spricht, gibt sich die ÖVP konstruktiv. Sie will jetzt eine Fußgängerzone, die allen gefällt. Vassilakou solle alle Beteiligten ins Boot holen.

So soll die MaHü in Zukunft aussehen

Einen Tag nach der für sie erfolgreichen Abstimmung tritt Renate Kaufmann (SP) als Bezirksvorsteherin von Mariahilf zurück.

"Man soll gehen, wenn es am schönsten ist", sagte Kaufmann, 58, in einer ersten Stellungnahme zum KURIER. Seit ihrem Amtsantritt 2001 hat sie sich für eine Fußgängerzone auf der Mariahilfer Straße eingesetzt. "Das ist mein Kind gewesen", sagte Kaufmann. Dieses Ziel habe sie nun erreicht. Auch andere Projekte wie etwa Erweiterungen von Parks habe sie umgesetzt. Zudem sei der Bezirk schuldenfrei.

Der Rückzug soll in den kommenden Wochen erfolgen, noch muss ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin gefunden werden. Kaufmann selbst will nicht mehr politisch aktiv sein. "Man kann Politik nicht halb machen. Ich habe in den letzten Jahren auf vieles verzichtet."

Nun will sie sich mehr ihrer Familie und anderen Projekten widmen. Derzeit schreibt sie an einem Buch.

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"Wir haben beide für die Verkehrsberuhigung gestimmt. Bei den Radfahrern waren wir geteilter Meinung. Ich dafür, Karin dagegen. Manche Radfahrer sind schon rücksichtslos. Es wird sich aber einspielen."Eckhard Kremser mit Karin Hamedl aus Neubau
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"Ich bin mit dem Ausgang nicht zufrieden. Wenn schon eine Fußgängerzone, dann eine für Fußgänger. Es hat aber auch zuvor gut funktioniert. Ich verstehe nicht, warum für einen grünen Schmähso viel Geld ausgegeben wird."Matthias Lörincz, Rudolfsheim
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"Ich komme ein, zwei Mal im Monat auf die Mariahilfer Straße. Ich finde die Verkehrsberuhigung gut, auch wenn ich nicht mitstimmen konnte. Für die Geschäftsleute ist es allerdings schwierig. Auch die Radfahrer müssten viel mehr achtgeben."Elisabeth Schultheis, Penzing
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"Nach zwei Jahren endlich eine Entscheidung. Ich habe dafür gestimmt, auch für die Radfahrer. So soll es in einer modernen Stadt einfach aussehen. Allerdings gehört das Verkehrskonzept noch einmal überarbeitet, eine gute Lösung für alle ist ja möglich."Ivo Antunic, Neubau

Es war bis zum Abend spannend, aber zuletzt ging sich doch noch ein Ja für die umstrittene Fußgängerzone in Österreichs größter Einkaufsstraße aus: 53,2 Prozent der Bewohner der angrenzenden Bezirke Mariahilf und Neubau haben sich für die Verkehrsberuhigung der Mariahilfer Straße entschieden. Nach dem Bürgerentscheid soll es aber künftig weitere Querungen geben. Radfahren wird in der neuen Fußgängerzone erlaubt sein.

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Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) zeigte sich nach dem Endergebnis sichtlich erleichtert: "Ich sehe das Ergebnis mit großer Gelassenheit. Mich freut besonders die sehr gute Beteiligung."(siehe Interview unten)Auch beim Koalitionspartner, den Grünen, war die Freude groß, allen voran bei Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou: "Das Ergebnis ist wie Weihnachten und Ostern zusammen. Danke Mariahilf, danke Neubau. Das ist eine unglaubliche Reife, die hier an den Tag gelegt wurde". Bis zuletzt war mehr als fraglich, ob die Anrainer das grüne Prestigeprojekt tatsächlich wollen.

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Selten hat ein Verkehrsprojekt die Wiener mehr polarisiert als die Fußgängerzone in der Mariahilfer Straße, die seit Mitte August als Probebetrieb auf 1,6 Kilometer (inklusive zweier Begegnungszonen) eingerichtet wurde. Vor allem die neuen Verkehrsregelungen in den Seitengassen sorgten für Unmut unter vielen Anrainern. Besonders die grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou hatte scharfe Kritik einstecken müssen. Das Verkehrsprojekt wurde letztlich sogar zu einer Zerreißprobe für die österreichweit erste rot-grüne Landesregierung.

Noch am Freitagmorgen kamen die letzten Anrainer persönlich ins Amtshaus des siebenten Bezirks in die Hermanngasse, um ihre Stimme abzugeben.

Letzte Stimmzettel

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Fünf Minuten vor dem offiziellen Abstimmungsende warf Sandra Sedlaczek-Riederer unter Blitzlichtgewitter ihren Stimmzettel in die bereitgestellte Box. "Ich habe darauf vergessen und gestern in der Zeitung gelesen, dass heute die Abstimmung endet", erklärte die junge Mutter noch etwas außer Atem. Sie habe für die Verkehrsberuhigung gestimmt, samt Radfahrer und Querungen. "Man muss Neuem eine Chance geben. Dass die Grünen nicht alles richtig gemacht haben, ist klar. Aber in einer modernen Stadt sollte es Veränderung geben", sagt Sedlaczek-Riederer.

Walter Mühlwerth hat hingegen mit Nein gestimmt. "Wo zum Beispiel sollen denn die Einsatzfahrzeuge durchfahren, wenn da überall Sitzmöbel stehen?", fragte der alteingesessene Neubauer, der auch in der Bezirks-FPÖ aktiv ist. "Dazu kommt das massive Sterben der Geschäfte."

Auffällig war die unüblich hohe Beteiligung von knapp 68 Prozent. Sie liegt damit sogar über jener der vergangenen Wien-Wahl im Oktober 2010.

"Die grüne Mobilisierungskampagne ist gelungen", sagt Politologe Peter Filzmaier. Und: "Je konkreter das Thema ist, desto eher gebe ich eine Stimme dazu ab", analysiert der Experte. Zudem hätten die Grünen auch alle rechtlichen Grauzonen ausgenutzt, betont der Politologe. So wurden etwa die EU-Bürger befragt, die Geschäftsleute jedoch nicht.

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Und zum Ergebnis: "Die Grünen sind mit einem blauen Auge davongekommen", sagt Filzmaier. Allerdings: "Ruhmesblatt für die rotgrüne Stadtregierung war das nicht. Das grüne Prestigeprojekt Mariahilfer Straße hat einen Schönheitsfehler, der auch bis zur Wahl nicht mehr wegzubekommen ist."

Denn die Zahl jener, die die Verkehrsberuhigung ablehnen, ist auf alle Fälle groß, wie das Ergebnis der Abstimmung zeigt.

Vassilakou hat daher bereits reagiert. Sie kündigte zuletzt einen runden Tisch mit allen Parteivertretern für den kommenden Mittwoch an. Das ist auch nötig: "Es liegt nun an Vassilakou", betont Wiens ÖVP-Chef Manfred Juraczka, "alle Beteiligten mit ins Boot zu holen und der Einkaufsstraße wieder die Attraktivität zu geben, die sie vor der chaotischen halbjährigen Testphase hatte.

Auf die Verkehrsstadträtin kommt jedenfalls viel Arbeit zu.

Nicht einmal Politik-Beobachter ließen sich zuletzt zu einer Prognose hinreißen. Aber nun steht das künftige Schicksal von Österreichs größter Einkaufsstraße fest.

Knapp 50.000 Bewohner von Mariahilf und Neubau durften in den vergangenen Wochen über das grüne Prestigeprojekt abstimmen, das wie kein anderes seit Monaten die Stadt polarisiert. Mehr als zwei Drittel der Anrainer nahm auch tatsächlich teil.

In der Befragung sprachen sich 53,2 Prozent für die Beibehaltung der seit August getesteten Fußgängerzone samt zwei Begegnungszonen aus. Spätestens ab Mai verwandelt sich der 1,6 km lange Abschnitt für zwei Jahre in eine Großbaustelle. Die Mahü wird über diesen Abschnitt mit 420.000 Steinen gepflastert, die Niveau-Unterschiede zwischen Gehsteig und Fahrbahn verschwinden. Sämtliche Verkehrsteilnehmer bewegen sich dann auf einer Ebene.

Die erste Etappe des Umbaus betrifft den westlichen Teil von der Kaiserstraße bis zur Andreasgasse, nach der Winterpause ist 2015 der restliche Abschnitt bis zum Museumsquartier dran.

Insgesamt umfasst die Umbaufläche 39.000 m², das entspricht ungefähr fünf Fußballfelder. Zusätzlich bekommt die Einkaufsmeile mehr Sitzgelegenheiten, Grünflächen, Wassertische und Spielgelegenheiten. Eine neue Beleuchtung und kostenloses WLAN sollen ebenfalls kommen. Die Schanigärten werden weiter in Richtung Straßenmitte rücken, damit mehr Platz zum Flanieren entlang der Auslagen entsteht.

Außerdem sollen mehr Querungen geöffnet werden, die Radler dürfen hingegen weiter durch die Fußgängerzone fahren.

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Im Herbst 2015 soll die neue Mahü fertig sein. Der Umbau würde 25 Millionen Euro kosten. Das sei pro Quadratmeter deutlich günstiger als etwa die Neugestaltung der Fußgängerzonen in der Kärntner Straße und am Graben, betonen die Grünen.

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