Machtkampf um Wiens Spitäler

Protestkundgebung der Wiener Spitalsärzte gegen das neue Arbeitszeitgesetz. Wien, 23.03.2015
Ärztekammer fragt wieder, ob Mediziner die Arbeit niederlegen wollen.

Turbulente Wochen stehen den Wiener Gemeindespitälern bevor. Zum zweiten Mal seit 2015 befragt die Wiener Ärztekammer die rund 3500 Mediziner im Krankenanstaltenverbund (KAV) über ihre Streikbereitschaft.

Die Online-Befragung startet am kommenden Freitag und dauert bis 21. August. Die Kammer hat diese lange Frist gewählt, damit trotz Urlaubszeit möglichst viele Kollegen ihre Stimme abgeben können.

Stein des Anstoßes ist einmal mehr die Umsetzung der neuen Arbeitszeit-Regelungen für Spitalsärzte. Seit dem Vorjahr dürfen sie im Schnitt pro Woche nur mehr 48 Stunden arbeiten. Dies machte umfassende Begleitmaßnahmen erforderlich – von der Anpassung der Gehälter bis hin zur Umstrukturierung der Dienstpläne –, um die monatelang mühsam verhandelt wurde.

Im Vorjahr hatte sich der Streit unter anderem um die Entlohnung der Sonn- und Feiertagsdienste entzündet. Nach der Androhung von Kampfmaßnahmen konnte ein Streik durch eine Einigung in letzter Minute verhindert werden.

Machtkampf um Wiens Spitäler
Protestkundgebung der Wiener Spitalsärzte gegen das neue Arbeitszeitgesetz. Wien, 23.03.2015
Diesmal spießt es sich vor allem an der Umsetzung der neuen Dienstzeit-Regelungen. Vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass der KAV bis September 40 Nachtdienste streichen will, um so mehr Kapazitäten für die Versorgung der Patienten tagsüber zu schaffen. "Die Einsparung erfolgte ohne Zustimmung des Personals. Es handelt sich um einen glatten Vertragsbruch", kritisiert der Wiener Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres.

Notaufnahmen

Aus Sicht der Kammer drohe damit eine schlechtere Versorgung von Notfall-Patienten in der Nacht. Denn die vereinbarte Einführung zentraler Notaufnahmen sei nicht erfolgt. Zudem habe die Stadt verabsäumt, die Versorgung außerhalb der Spitäler auszubauen.

Ein weiterer Zankapfel ist die Umstellung von 25- auf 12,5-Stunden-Dienste. Seitens der Kammer befürchtet man, dass der KAV dieses Dienstmodell flächendeckend einführen will. In den meisten Abteilungen bringe der 12,5-Stunden-Dienst aber weder Arbeitserleichterung noch Kostenersparnis.

Im KAV versteht man nicht, dass die Kammer jetzt abermals mit Streik droht. "Es wird auch weiterhin genügend Nachtdienste geben. Die Patientenversorgung ist nicht gefährdet", betonte zuletzt Evelyn Kölldorfer-Leitgeb im KURIER. Sie sieht die aktuelle Kampagne der Ärzte auch vor dem Hintergrund der im kommenden Jahr statt findenden Ärztekammer-Wahlen.

Aus KAV-Sicht liegt keinesfalls ein Vertragsbruch vor: Die Etablierung der zentralen Notaufnahmen sei keine Voraussetzung für die Reduktion von Nachtdiensten gewesen. "Vielmehr wurde ihre Umsetzung bis 2018 festgelegt", heißt es im KAV. Nichtsdestotrotz habe man damit schon begonnen. Seit Abschluss der Verhandlungen gebe es bereits 26 neue Vollzeit-Kräfte für die Notfall-aufnahmen. Und es sei nicht zuletzt der Wunsch der Ärzte selbst gewesen, vermehrt 12,5-Stunden-Dienste absolvieren zu können.

Somit sind die Fronten wenige Tage vor Beginn der Streik-Abstimmung völlig verhärtet. Ob es diesmal tatsächlich zu Kampfmaßnahmen kommt, ist offen. Bei der letzten Abstimmung 2015 hatten sich jedenfalls 93 Prozent der Ärzte dafür ausgesprochen.

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