KURIER-Stadtgespräch: "Keine Betonkobel in der Schutzzone"

KURIER-Stadtgespräch: "Keine Betonkobel in der Schutzzone"
Eine hitzige Diskussion über die Zerstörung alter Wiener Grätzl.

Wiens historische Grätzl drohen zu verschwinden. Ob in Neustift, Grinzing oder Sievering – in den vergangenen Monaten fielen zahlreiche alte Häuser der Abrissbirne zum Opfer. Sie müssen oft Platz machen für Wohnbauten, die nicht ins Ortsbild passen.

KURIER-Stadtgespräch: "Keine Betonkobel in der Schutzzone"
Wie sehr das Thema aufregt, zeigte das Stadtgespräch, das der KURIER gemeinsam mit dem ORF am Dienstag beim Heurigen Wolff veranstaltete: Mehr als hundert Anrainer lieferten sich hitzige Wortduelle mit den zuständigen Politikern. Der Vorwurf der Bürger: Die Stadtregierung unternehme zu wenig, um die alten Ortskerne zu schützen. „Jeder kann ein Haus x-beliebig in der Schutzzone errichten. Hässliche Betonkobel haben dort aber nichts verloren“, empörte sich ein Besucher.

„Fast wöchentlich bekommen wir Anrufe, dass schon wieder ein Haus in einer Schutzzone abgerissen wurde“, beklagte Markus Landerer von der Initiative Denkmalschutz. In den vergangen Jahren habe sich die Situation dramatisch verschlimmert. Landerer würde gern wissen, wie streng die Stadt gegen Spekulanten vorgeht, die widerrechtlich alte Häuser abtragen. „Doch mit Verweis auf das Amtsgeheimnis werden Auskünfte dazu verweigert.“

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Strengere Bauordnung

Für Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) sind das „haltlose Vorwürfe“: Als etwa im Vorjahr zwei alte Winzerhäuser in Neustift abgetragen wurde, sei die Baupolizei sofort aktiv geworden. „Es erfolgte eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft und ein Antrag auf Entzug der Gewerbeberechtigung des Bauführers.“ Die Baupolizei könne aber nicht permanent jedes Haus in einer Schutzzone kontrollieren. Und: „Die Einflussnahme der öffentlichen Hand ist auf die rechtlichen Rahmenbedingungen beschränkt.“

Immerhin: Diese sollen jetzt verschärft werden, um Spekulanten einen Riegel vorzuschieben, kündigte Ludwig an: Künftig wird es Eigentümern schwerer gemacht, die Genehmigung für einen Abriss zu bekommen. Jede Baustelle muss einen baurechtlichen Geschäftsführer haben, der bei Verstößen gegen die Bauordnung haftbar gemacht wird.

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Nach der Abriss-Serie in Neustift habe die Stadt über das Areal eine Bausperre für die nächsten drei Jahre verhängt, betonte Planungsstadträtin Maria Vassilakou. Neubauten seien nur noch mit gesonderten Genehmigungen möglich. „Mit der Bausperre verschaffen wir uns Zeit, damit wir den örtlichen Bestand genau überprüfen können.“ Vassilakou tritt ebenfalls für mehr Transparenz in Bauverfahren ein. Für die Abschaffung des Amtsgeheimnisses sei allerdings der Bund zuständig.

Künftig, so versprach die grüne Vizebürgermeisterin, sollen Anrainer möglichst zeitgleich mit der Stadt über Bauvorhaben informiert werden. „Damit können sie bereits in einer Phase ihre Bedenken einbringen, in der die Stadt noch im Austausch mit dem Investor steht.“

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Bei allem Verständnis für die Sorgen der Anrainer gab Vassilakou eines zu bedenken: „Wien ist die am stärksten wachsende Stadt im deutschsprachigen Raum. Wir brauchen daher leistbaren Wohnraum.“ Die Zuhörer ließen sich von diesem Argument nicht überzeugen. Schließlich würden in ihrem Grätzl ja vor allem Luxuswohnungen gebaut werden. FPÖ-Bezirksrat Michael Eischer: „Der Bedarf an Wohnbau kann keine Ausrede sein, dass hässlich und schlecht gebaut wird.“kurier.at/stadtgespraeche

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