KAV-Abstimmung: Streit um Nachverhandlungen

87,44 Prozent stimmten gegen Einigung zwischen Stadt und Ärztevertretern. Ärztekammer-Präsident Szekeres fordert Nachverhandlungen, Stadt hält diese für "nicht sinnvoll".

Die rund 3.200 Ärzte in den Spitälern des Wiener Krankenanstaltenverbundes (KAV) haben sich am Montag gegen die zwischen Stadt und Ärztevertretern getroffene Einigung in Sachen neues Arbeitszeitgesetz ausgesprochen. 87,44 Prozent stimmten bei einem von der Wiener Ärztekammer durchgeführten Votum gegen die neue Regelung.

Szekeres fordert Nachverhandlungen

KAV-Abstimmung: Streit um Nachverhandlungen
ABD0062_20150305 - WIEN - ÖSTERREICH: Der Präsident der Wiener Ärztekammer Thomas Szekeres am Donnerstag, 5. März 2015, anl. einer Protestkundgebung der Ärztekammer gegen den Stellenabbau in Wiener Spitälern am Friedrich Schmidt-Platz in Wien. - FOTO: APA/HELMUT FOHRINGER
In einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz Montagmittag teilte Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres mit, dass er nicht an einen Rücktritt denkt. Er fordert Nachverhandlungen, solch ein eindeutiges Ergebnis dürfe nicht ignoriert werden. Die zuständige Stadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) schloss Nachverhandlungen bereits aus(mehr dazu weiter unten). Szekeres hatte angekündigt, dass bei einem negativen Votum seine Unterschrift unter der Vereinbarung mit der Stadt nicht mehr gelte. Er habe zwar so unterschrieben, es dürfe jedoch nicht sein, dass Personal reduziert wird, bevor die Rahmenbedingungen geändert werden. Der KAV habe noch "nicht einmal im Ansatz begonnen", die vereinbarten Strukturmaßnahmen durchzuführen. Stattdessen sei nur überlegt worden, wo und wie man Dienstzeiten und Personal einsparen könne. "Damit wird die Vereinbarung konterkariert und gebrochen", so Szekeres. Es sei beschämend, dass die Führung des KAV nicht wisse, wieviel Personal es in den jeweiligen Abteilungen gebe und was dieses leiste. Angesichts der langen Wartelisten auf OPs und Betten am Gang könne nicht die Rede davon sein, dass es zuviele Ärzte in Wien gebe, sagt der Ärztekammer-Präsident weiter.

Wehsely: Nachverhandlungen ausgeschlossen

Die Wiener Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) hat nach der Ablehnung bekräftigt, dass sie Nachverhandlungen nicht für sinnvoll hält. Wobei der Ansprechpartner diesbezüglich die Gewerkschaft sei, wie sie betonte. Wenn diese ebenfalls für neue Gespräche eintrete, "fangen wir von vorne an", warnte sie im Interview mit der APA.

An der Vorgehensweise von Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres lässt die Gesundheitsstadträtin eher kein gutes Haar: "Es widerspricht allen Erfahrungen in der Sozialpartnerschaft, dass man sich nicht mehr auf Unterschriften verlassen kann und dass Kompromisse nicht gemeinsam vertreten werden." Kein Punkt der Vereinbarung sei unbekannt gewesen. Schon bei der Pressekonferenz anlässlich der Einigung habe sie darauf hingewiesen, dass man künftig mit weniger Ärzte auskommen werde.

Die Kurie der Ärztekammer hatte angekündigt, dem Ergebnis folgen zu wollen. In der Einigung wurde unter anderem eine Anhebung der Grundgehälter, die Umstrukturierung der Dienstzeiten sowie eine Reduktion der Nachtdienste festgehalten. Im Vorfeld der Urabstimmung, an der 74,71 Prozent der Ärzte online und anonymisiert teilnahmen, hatten vor allem die Pläne des KAV im Zuge der Strukturreform bis 2018 rund 380 Ärzteposten einsparen zu wollen, für Unmut in der Ärzteschaft gesorgt - mehr dazu hier. Die Kurie hatte unter anderem deshalb keine Stimmempfehlung abgegeben, obwohl die neue Regelung von Vertretern der Ärztekammer, darunter Präsident Szekeres, mitverhandelt worden war.

Folgen des Votums noch unklar

Noch seien die Konsequenzen der Ablehnung unklar, hieß es in einer Aussendung der Ärztekammer am Montag. Die Kurie werde noch diese Woche die weitere Vorgangsweise besprechen. Jedenfalls sei die Politik in der Stadt gut beraten, das Votum zur Kenntnis zu nehmen und nicht gegen die Interessen der Kollegenschaft zu entscheiden, so Ärztekammerpräsident Szekeres.

Die Kurie hatte vor der Abstimmung beschlossen, das Ergebnis ab einer Beteiligung von 50 Prozent als bindend zu betrachten. Nachdem 74,71 Prozent der Belegschaft abgestimmt hatten, sei diese Marke deutlich überschritten.

"Ängste, dass daraus Arbeitszeiten resultieren, die mit privaten Planungen nicht mehr vereinbar sind"

Die Gründe für den negativen Ausgang der Urabstimmung sieht die Kammer in den Ängsten der Belegschaft, "dass daraus Arbeitszeiten resultieren, die mit den privaten Planungen nicht mehr vereinbar sind". Zudem seien Sorgen geäußert worden, dass die geplanten Personalreduktionen ohne begleitende Strukturmaßnahmen erfolgen würden. Auch die neuen Dienstzeiten sowie die damit einhergehende Reduktion von Nachtdiensten um ein Drittel schon ab Juli erscheine vielen Kollegen zu früh.

Dabei sei allerdings auch die Kommunikation oft "nicht ideal" gelaufen, betonte Szekeres, dessen Unterschrift sich ebenfalls unter der Einigung findet. Nun gelte es gemeinsam nachzudenken, wie man bei Arbeitszeiten und den Rahmenbedingungen "das Vertrauen der Kollegenschaft erreicht".

"Stimmung innerhalb der Ärzteschaft sehr, sehr schlecht"

KAV-Abstimmung: Streit um Nachverhandlungen
Ernest Pichlbauer

Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer hatte bereits mit einem negativen Ausgang der Abstimmung gerechnet. "Weil die Stimmung innerhalb der Ärzteschaft sehr, sehr schlecht ist", betonte er vor Bekanntwerden des Votums. Die Auswirkungen seien laut Pichlbauer weitreichend. Er ortete eine mögliche Abwanderung der Wiener Ärzte in die Bundesländer oder ins Ausland. Das hätte wiederum eine enorme Arbeitsverdichtung für jene Mediziner zur Folge, die sich entschließen, in der Bundeshauptstadt zu bleiben - "da treten dann Spiralen in Kraft, die unbeherrschbar sind und man weiß irgendwann nicht mehr, wie man gegensteuert", so der Gesundheitsökonom.

Die Wiener Spitalsärzte haben dem Verhandlungsteam für das neue Arbeitszeitmodell einen Denkzettel verpasst. Nur 12,56 Prozent konnten sich damit anfreunden, 87,44 Prozent stimmten dagegen. Es ist eine Zäsur im Wiener Spitalswesen. Jahrelang funktionierte die Partnerschaft zwischen der roten Gesundheitsstadträtin, dem roten Ärztekammerpräsidenten und der roten Gewerkschaft reibungslos. Alle Seiten haben nun verloren.

Die Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely, weil sie nach langen Verhandlungen keine Regelung mit den Ärzten vorweisen kann. Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres hat zwar ein Papier verhandelt, sich nach dem Gegenwind aber vom Ergebnis distanziert. Doch seine Ärzte folgen ihm nicht mehr und werfen ihm in internen Mails Verrat vor. Und auch von Christian Meidlinger, Chef der Gemeindebediensteten-Gewerkschaft, fühlen sich die aufgebrachten Ärzte nicht vertreten. Alle drei müssen nun schleunigst das Vertrauen der Ärzte wiederherstellen, denn sonst haben sie ihr Mandat verwirkt.

Gestärkt hat das Ergebnis die neu gegründete Ärztegewerkschaft Asklepios. Sollte es nicht bald eine Einigung geben, steht der größte Verlierer aber schon jetzt fest: Der Patient.

Kommentare