"Achtloser Konsum macht satt, aber nicht glücklich"

Kardinal Schönborn unterstützt das Lebensmittel projekt LeO von Caritas-Präsident Michael Landau dent Michael Landau
Kardinal Christoph Schönborn ruft zur achtsamen Verwendung von Lebensmitteln auf.

KURIER: Der Papst hat im Juni seine zweite Enzyklika, "Laudato si’", veröffentlicht. Darin spricht er über Konsumrausch, Umweltzerstörung und warnt davor, dass sich die Welt in eine "unermessliche Mülldeponie" verwandelt, wenn wir nichts tun. Das Interesse an dem Dokument war riesig. Warum?

Christoph Schönborn: Weil es unsere Sehnsucht nach einem guten Leben anspricht. Der Papst sagt: "Wir müssen wieder spüren, dass wir Verantwortung für die anderen und für die Welt haben. Wir merken, dass unsere fröhliche Oberflächlichkeit uns wenig genützt hat."

Wird die Frage des nachhaltigen Umgangs mit der Welt zum neuen großen Thema?

Das ist sie schon längst. Und vielleicht haben wir Europäer, die wir Müll trennen und mit Katalysator fahren, das Gefühl, die Sache wäre im Griff. Doch der Papst sagt uns: Steckt den Kopf aus eurer scheinbaren Idylle und seht, wie es mit der Welt tatsächlich steht, wie sehr sie leidet – auch wegen unserer Wegwerfkultur.

In Österreich landen jährlich alleine in privaten Haushalten 300.000 Tonnen Lebensmittel im Müll. Haben wir den Bezug zu unserem Essen verloren?

Ja und nein. Essen und Kochen spielen heute eine riesige Rolle. Man isst bewusst, glutenfrei, vegan, chinesisch oder italienisch. Aber der Überfluss macht, dass wir uns nicht mehr richtig über das Essen freuen. Der achtlose Konsum von Essen macht zwar satt, aber nicht glücklich.

Wie vermeiden Sie selbst Lebensmittelabfälle?

"Achtloser Konsum macht satt, aber nicht glücklich"
michael landau und kardinal schönborn
Mein Essen kommt normalerweise aus unserer Kantine. Dort wird so gekocht, dass ein Menü eher ausgeht, als dass am Schluss viel davon übrig bleibt. Wenn trotzdem etwas bleibt und verarbeitet werden darf, kommt es wieder auf den Tisch.

Papst Franziskus spricht von einer Entfremdung des Menschen von der Natur. Dazu passt, dass Menschen Joghurts wegschmeißen, nur weil sie über dem Ablaufdatum sind. Wie kann man die Menschen dazu bringen, mehr auf den Körper zu hören?

Ich bin nicht sicher, ob der Körper uns viel zu sagen hätte, was uns aus dem Gefängnis des Ichs herausführt. Es geht um das, was man derzeit in der Wiener U-Bahn vor dem Aussteigen so oft hört: "Seien Sie achtsam!"

Papst Franziskus warnt auch vor sozialen Medien. Zu langes Aufhalten im Internet führe zu "geistiger Umweltverschmutzung". Gleichzeitig sind der Papst, viele Bischöfe und Kardinäle und auch Sie auf Twitter aktiv. Wie passt das zusammen?

Der Papst tritt ja nicht für Abstinenz ein, sondern fürs Maßhalten. Das ist ein wichtiger Unterschied.

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