Kampf um "a schene Leich"

Erika Steindl will, dass man sich vom Toten verabschieden kann, wann und wo man will.
Bezirksrätin will sich aussuchen können, wo sie einst aufgebahrt wird.

Das Ehepaar Steindl hatte noch viel vor. Eine Reise nach Venedig war schon gebucht, Südafrika stand auch noch auf dem Programm. Am 14. Juli 2013 ärgerte sich der 74-jährige Johann Steindl wieder einmal über das Fernsehprogramm, wollte schlafen gehen und brach hinter der Badezimmertür zusammen. Herzinfarkt. Der Notarzt sagte zu Erika Steindl: "Sie können sich von Ihrem Gatten verabschieden, ich kann nichts mehr für ihn tun." Ein bis zwei Stunden danach wurde er in eine Leichenkammer der Wiener Friedhöfe gebracht.

Die Witwe kam erst langsam wieder zu sich: "Am Anfang hab’ ich nur funktioniert", sagt sie: Wer ist zu verständigen? Was ist zu organisieren? Dann erst wollte sie sich allein und in Ruhe von ihrem Mann verabschieden.

Doch nach dem Wiener Leichen- und Bestattungsgesetz kann man sich weder selbst, noch können sich die Angehörigen aussuchen, in welchem Ambiente der Tote bis zum Begräbnis gelagert wird. Und man hat als Hinterbliebener keinen Zutritt. Ein privater Bestatter darf die Aufbahrung nicht übernehmen, auch wenn er über ein Kühlhaus verfügt.

Vorsorge

"Mir hätte es gutgetan, wenn ich an dem Abend noch zu ihm gehen hätte können", sagt Frau Steindl. Die ÖVP-Bezirksrätin und Finanzreferentin in Wien-Penzing bezeichnet sich selbst als "kleinen Michael Kohlhaas". Sie will zu Lebzeiten vorsorgen und ihren Kindern ermöglichen, sich einst in Würde von ihr zu verabschieden. Sie will – wie man in Wien zu sagen pflegt – "a schene Leich". Auch wenn der Sohn den Kopf schüttelt und sagt: "Mama, wir wollen dich noch länger behalten."

Mithilfe ihres Anwalts Gerold Beneder zieht die 69-Jährige gegen die Wiener Landesregierung vor den Verfassungsgerichtshof. Dieser soll die Bestimmung im Wiener Bestattungsgesetz, wonach die Lagerung der Leiche in einer Bestattungsanlage erfolgen muss, aufheben. In Niederösterreich darf der Tote auch in der Leichenkammer des Bestattungsunternehmens aufgebahrt werden, die Hinterbliebenen haben jederzeit Zutritt und können den Raum entsprechend ausschmücken. Beneder erblickt darin eine Diskriminierung der Wiener Bürger.

Schimmel

Erika Steindl hat über ihren Bestatter bei den Wiener Friedhöfen Erkundigungen eingezogen, wo die Toten gelagert werden. Dass die Angehörigen dort keinen Zutritt haben, wird schon seinen Grund haben. Die Räume sind von Schimmel überzogen, von Pietät keine Rede. Beneder pocht auf das Grundrecht der Achtung des Privat- und Familienlebens.

Die Wiener Landesregierung entgegnet, Tote hätten keinen Grundrechtsschutz. "Ich als Bezirksrätin soll keine Rechte mehr haben, wenn ich tot bin", sagt Erika Steindl entrüstet: "Das lasse ich mir nicht gefallen. Ich will das jetzt regeln, sonst ziehe ich nach Niederösterreich."

Es gehe nicht darum, Leichen bei sich daheim aufzubewahren, erklärt Beneder. Selbstverständlich müssen hygienische Maßstäbe eingehalten werden. Doch seien die beim privaten Bestatter mindestens genauso gut und zu geringeren Kosten gegeben. Tatsächlich betont die Stadt Wien, dass sie den Wegfall betriebsnotwendiger Einnahmen befürchtet, wenn bei 14.000 Todesfällen im Jahr die Aufbahrungen privat erfolgen würden. Beneder: "Es geht also in Wahrheit ums Geld. Uns aber geht es um die Trauerarbeit in angemessenem Rahmen."

Wie es heißt, soll sich der Verfassungsgerichtshof in der Mai-Session mit der Eingabe befassen.

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