Justiz ließ Häftling fast sterben

Gastwirt Veyis: Er lag nach der Notoperation im künstlichen Koma
Republik Österreich zu 25.000 Euro Schmerzensgeld verurteilt

Der Wiener Gastwirt namens Veyis Er musste 29 Tage schwere, 40 Tage mittelschwere und 40 Tage leichte Schmerzen erleiden – und schuld daran ist die Republik Österreich. Sie ist ihrer Fürsorgepflicht gegenüber den der Justiz anvertrauten Häftlingen nicht nachgekommen.

So steht es sinngemäß im Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen, das dem 51-Jährigen 25.000 Euro Schmerzensgeld und Verunstaltungsentschädigung zuspricht und die Haftung des Staates für Spätfolgen feststellt. Veyis Er saß nämlich ab Juli 2011 in der Justizanstalt Josefstadt in U-Haft und wäre beinahe an einem Blinddarmdurchbruch gestorben.

Nicht simulieren

Dass der "kleine" Automatenbetrüger ab Mitte August mehrfach über Bauchschmerzen klagte, wurde von den Gefängnisärzten mit der Bemerkung abgetan, er solle nicht simulieren. Seine Frau sagt: "Es hat keiner zugehört." Das medizinische Personal behauptete später, der Häftling habe gar keine Bauchschmerzen angezeigt, das Gericht folgte diesen Angaben allerdings nicht.

Am 8. September lag ein alarmierender Blutbefund (mit erhöhter Leukozytenzahl) vor, auf den man jedoch unbedingt hätte reagieren müssen.

Aber fünf Tage lang tat sich gar nichts.

Dass das Fax mit dem Blutbefund etwa eineinhalb Meter vom Schreibtisch des Chefarztes der Krankenabteilung entfernt eingegangen ist und diesem trotzdem "nicht zu Gesicht gelangt" sein soll (aus dem Urteil), konnte im Prozess "nicht schlüssig" erklärt werden.

Notoperation

Erst am 13. September wurde Veyis Er mit dem endlich erkannten Verdacht auf Blinddarmentzündung ins Krankenhaus überstellt. Da war es bereits ein Durchbruch, der Patient wurde einer Notoperation unterzogen. Danach musste er in künstlichen Tiefschlaf versetzt werden, um die Schmerzen ertragen zu können. Es folgten mehrere Wochen Intensivstation, es hatte sich Wasser in der Lunge angesammelt, das abgesaugt werden musste. Im Dezember kam Veyis Er zurück in die Justizanstalt und wurde kurz darauf enthaftet.

Wäre der – abgesehen von Diabetes bis zu seiner Inhaftierung kerngesunde – Mann spätestens am 8. September ins Spital gekommen, hätte er laut dem von seinem Anwalt Gerold Beneder erkämpften Urteil auf Grund einer "normalen" Blinddarmoperation bloß drei Tage mittelschwere und fünf Tage leichte Schmerzen gehabt.

Auch die 40 cm lange, unschöne Narbe auf dem Bauch sowie die verbliebenen Schwierigkeiten beim Gehen und das Risiko später noch auftretender Bauchschmerzen oder gar Darmverschlüssen hätte sich der Mann erspart.

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