Junge Juden finden Wien "sehr gut"

Rosenberg und Mitbreit wollen „Facetten des Judentums offenlegen“.
Jenny Mitbreit und Nathan Rosenberg schildern, wie sie leben und welche Projekte sie verfolgen.

Wir treffen uns im "Bahur Tov", einem koscheren Restaurant im Zweiten Wiener Gemeindebezirk. Jenny Mitbreit und Nathan Rosenberg erzählen, wie sie sich als Jüdin und Jude in ihrer Heimatstadt fühlen. "Einfach sehr gut", sagen sie.

Jenny Mitbreit ist 19 und kam als Baby mit ihren Eltern von Moskau nach Wien. Hier maturierte sie in einer katholischen Privatschule. Seit einem Jahr studiert sie Judaistik. "Ich habe Interesse an Religion, später will ich mich beruflich im kulturell- jüdischen Bereich engagieren." Sie arbeitet bereits als Guide im Jüdischen Museum. Auch Nathan Rosenberg jobbt, er ist Sekretär an einer jüdischen Schule und will Medizin studieren.

Breiter Freundeskreis

Mitbreit hat jüdische und nichtjüdische Freunde, "bei mir ist das ausgeglichen". Es freut sie, dass ihre Schulfreunde an ihrem jüdischen Leben interessiert waren und sind. Geprägt wurde sie durch die Familie und die zionistisch-sozialistische Jugendorganisation Hashomer Hatzair. Sie lebt in einer "sehr traditionellen" Familie, die jüdischen Festtage werden gefeiert, regelmäßig geht sie am Samstag in die Synagoge.

Nathan Rosenberg besuchte die Zwi Perez Chajes Schule vom Kindergarten bis zur Matura. Auch er ist sehr traditionell in einem koscheren Haushalt aufgewachsen. Zu Shabbat wurden früher zwar Kerzen gezündet, danach aber der Fernseher eingeschaltet, was im religiösen Sinne nicht erlaubt ist. "Wenn man Shabbat hält, dann geht das nicht", sagte er sich mit 17 und fing an, sich an die Regeln zu halten. "Ich drehe von Freitag- bis Samstagabend das Handy ab. Am Shabbat nicht erreichbar zu sein, finde ich cool." Nicht-jüdische Freunde hat er "kaum eine Handvoll. Ich bin in einem sehr jüdischen Umfeld aufgewachsen, es ist nicht dazu gekommen. In den vergangenen Jahren wurden es aber immer mehr".

Antisemitismus

Einmal ist es ihm passiert, dass er in der U-Bahn-Station einen Mann beobachtet hat, der "Scheiß Jude" geschrien hat. Ein Passant hat den hasserfüllten Passanten dann zur Rede gestellt. "Das war mutig, er ist gegen Antisemitismus aufgetreten."

Antisemitismus spüren beide in den soziale Netzwerken, und Antisemitismus drückt sich auch darin aus, dass auf Mülltonnen "Fuck Israel" steht. Durch den Gaza-Konflikt hat sich viel in den Köpfen der Menschen verändert, es gibt antijüdische Stimmung von links und rechts. "Man ist vorsichtig geworden, was man sagt", bemerkt Jenny Mitbreit.

Beide wünschen sich, dass sich die Israelitische Kultusgemeinde (IKG), die "viel macht", sich stärker in der Öffentlichkeit präsentiert. "Es geht um die vielen Facetten des jüdisch-Sein. Egal, ob man gläubig ist oder nicht, im Endeffekt haben wir alle dieselbe Religion. Die Facetten des Judentums offenlegen, das sollte die Kultusgemeinde machen", sagt Mitbreit.

Shabbat-Projekt

Jetzt verfolgen beide das "Shabbos Project": 2013 wurde es als Pilotversuch in Südafrika gestartet. Heuer ist es bereits ein globales Projekt, bei dem religiöse und nicht-religiöse Juden einen Shabbat gemeinsam halten und diese Erfahrung teilen. Es wird gebetet, gegessen und am Samstagabend lässt man den Shabbat mit einer Feier ausklingen. Dieses Projekt findet Ende Oktober in Wien statt. Anmeldungen sind auf Facebook möglich.

Wiener Jüdische Gemeinde

Sonntag, 14. September, öffnet die Israelitische Kultusgemeinde (1010 Wien, Seitenstetteng. 4) von 11–17 Uhr ihre Pforten. Aus Sicherheitsgründen werden die Besucher gebeten, einen Lichtbildausweis mitzubringen.

Vielfältiges Programm

Führungen durch den mehr als 150 Jahre alten Wiener Stadttempel; Kantorenkonzerte mit Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg und Shmuel Barzilai; Auftritt des Wiener Jüdischen Chors; Informationen über koscheres Essen; Verkostung koscherer Weine; Buffet, Würstelstand und Kaffeehaus – alles koscher.

Jüdischer Friedhof

Erstmals sind Führungen am jüdischen Friedhof in Wien-Währing möglich.

Informationen

Details sind auf der homepage zu finden: www.ikg-wien.at

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