"Jesus", ein Chefinspektor und ein Raub

Der 29-Jährige wurde zu 20 Monaten bedingter Haft verurteilt.
Wollten ein Kriminalist und seine Frau die Versicherung um 100.000 Euro prellen?

Der Herr Chefinspektor leitete einst die Gruppe "Raub" eines Landeskriminalamtes. Ein alter "Hase", der mit seinem Raubein-Image eine Tatort-Rolle ausfüllen könnte und weiß, wie die Unterwelt arbeitet. Jetzt soll er selbst in dieses Schattenreich abgetaucht sein – zumindest laut Staatsanwaltschaft Wien, die ihm und seiner Frau vorwirft, einen schweren bewaffneten Raub erfunden zu haben, um 100.000 Euro von der Haushaltsversicherung zu kassieren. Ende Oktober beginnt der Prozess in Eisenstadt.

Es begann mit einem Notruf seiner Frau am 7. Februar 2011. "Mir ist jetzt grad die Taschen gstohl’n wurn." Und: "A Schwarzer", sei der Dieb gewesen, der ihr die Tasche im Haus in Wien-Favoriten entrissen und mit einer schwarzen Pistole ein Mal auf sie gefeuert habe. In der Tasche war Geld – viel Geld. Exakt 97.800 Euro, die die vermeintlich Überfallene soeben abgehoben und die sie einem zögernden Hausverkäufer unter die Nase halten wollte. So quasi als Verkaufsargument.

Es folgte ein Standardprozedere: eine Anzeige, Einvernahmen, eine Schadensmeldung bei der Versicherung. Letztere zierte sich. Dann griff der Chefinspektor zum Telefon. "Welche Unterlagen braucht ihr noch?" Die Versicherung schlug Alarm – plötzlich wurde gegen den Chefinspektor ermittelt.

Zugeschnitten?

Aus Sicht des Staatsanwalts war alles zu perfekt. Es war zugeschnitten auf einen Haftungsfall: War der Überfall in der Wohnung? Ja. Gab es Beweise für die Tat? Genügend. War das Geld überhaupt da? Nachdem es der Chefinspektor ihr überwiesen hatte, holte sie es von der Bank ab. Also ja.

Worauf stützt sich dann die Anklage? Auf "Implausibilitäten", wie es der Staatsanwalt nennt. Er hält vieles für unglaubwürdig und entlarvend: den für einen Raub ungewöhnlichen Modus operandi – die Schussabgabe; die Geldtransfers im Vorfeld; die kurzen Anrufe der Frau beim Beamten nach der Tat ("Vollzugsmeldung"); ein Widerspruch im Tathergang; und die Geschichte rund um die 2400 Euro, die er einem Informanten für den Tipp zahlte, dass der Verdächtige mit Spitznamen "Jesus" heiße.

Der nun suspendierte Beamte streitet die Vorwürfe ab. Sein Anwalt, Nikolaus Rast, sagt: "Wenn mein Mandant die Tat wirklich geplant hätte, wäre ihm niemand auf die Schliche gekommen." Der Ermittler steht auch in einem zweiten Verfahren rund um illegale Abfragen im Polizeisystem wegen Amtsmissbrauchs vor Gericht.

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