Islamist "bekehrt" seine Mithäftlinge

Der 20-jährige Sergo P. wurde am vergangenen Donnerstag gemeinsam mit seiner verschleierten Ehefrau und seiner Mutter nicht rechtskräftig als IS-Mitglied verurteilt
Justizanstalt Josefstadt: Katholischer Zellengenosse eines verurteilten IS-Mitglieds konvertierte zum Islam

Eine Katastrophe!“ So reagiert der katholische Seelsorger in der Justizanstalt Wien-Josefstadt, Hofrat Christian Kuhn, dem KURIER gegenüber auf die Nachricht, dass ein nicht rechtskräftig verurteiltes Mitglied des Islamischen Staates (IS) einen katholischen Mithäftling dazu gebracht hat, zum Islam zu konvertieren.

Kuhn warnt seit langem vor der „Ansteckungsgefahr“ der in den Haftanstalten einsitzenden Dschihadisten und deren ideologischer Beeinflussung von Mithäftlingen. In der Generaldirektion für den Strafvollzug steht man dieser Gefahr offenbar gelassener gegenüber. Von Problemen sei nichts bekannt, wird gegenüber der APA erklärt. Man achte ohnehin darauf, dass Dschihadisten keine Möglichkeit erhalten, mit anderen in diese Richtung Verdächtigen in Kontakt zu kommen.

Nachbeten

Der erst am Donnerstag zu zwei Jahren Haft verurteilte Tschetschene Sergo P. hatte allerdings einen bis dahin vollkommen unverdächtigen Zellengenossen „bekehrt“. Der 20-jährige Islamist schrieb dem bis dahin katholischen Mann Gebete auf, die dieser laut nachbeten musste. Schließlich änderte der Mithäftling sogar sein Religionsbekenntnis und konvertierte zum Islam.

Sergo P. hatte laut Urteil gemeinsam mit seiner damals schwangeren Ehefrau und seiner kranken Mutter nach Syrien fahren wollen, um sich dort der IS-Terrormiliz anzuschließen. Über die ganze Familie wurden Haftstrafen verhängt. Der 20-Jährige soll in der U-Haft versucht haben, mehrere Mithäftlinge vom „rechten Glauben“ zu überzeugen. Einige ersuchten, mit Sergo P. nicht weiter die Zelle teilen zu müssen, weil das Verhalten des Islamisten für sie nicht mehr tragbar war.

Mittlerweile befindet sich der 20-Jährige aus Sicherheitsgründen in Einzelhaft. Er war neben seinen Missionierungsversuchen auch noch durch andere Betätigungen aufgefallen. So zerlegte er den Lattenrost seines Bettes, schlug das Fenster ein und versuchte durch Zurufe, Kontakt mit ebenfalls inhaftierten Glaubensbrüdern zu bekommen.
In der Justizanstalt Josefstadt sitzt ein weiterer mutmaßlicher Islamist, der ebenfalls massiv für seine Auslegung des Glauben geworben haben soll. In diesem Fall reagierte die Gefängnisverwaltung pragmatisch: Man wies ihn einer Zwei-Mann-Zelle zu, die er sich mit einem Chinesen teilt. Der besitzt außer seiner Muttersprache keine weiteren Sprachkenntnisse.

Universalrezept für den Umgang mit Islamisten in den Gefängnissen ist das freilich keines. Seelsorger Kuhn erkennt bei diesen Häftlingen eine Art „Göttlichkeitswahn“, der ihnen die Erkenntnis erspare, selbst ein sterbliches Wesen mit einer eigenen Leidensgeschichte zu sein. Das sei ein neurotisches, in vielen Fällen sogar psychopathisches Element der Persönlichkeitsstruktur.

Wertschätzung

Islamist "bekehrt" seine Mithäftlinge
Kuhn empfiehlt eine „Reduktion des Göttlichkeitswahns“ und die „Stärkung der Erkenntnis, ein ’normaler’ sterblicher Mensch zu sein.“ Das bedeute in Haft: Verzicht auf jeden Sonderstatus. Man müsse ihnen vermitteln, dass der Status eines „normalen Menschen“ nicht Abwertung, sondern sogar erhöhte Wertschätzung durch die Umwelt bedeute.

„Nicht als Widerspruch, sondern als notwendige Ergänzung“ plädiert der Seelsorger gleichzeitig für eine Isolierung, nicht nur untereinander, sondern auch von gegenüber ideologischer Beeinflussung nicht ausreichend gefestigten Mithäftlingen. In den überfüllten Gefängnissen ist das freilich vielfach nur ein frommer Wunsch.

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