Im Schatten der Muslimbrüder

Im Schatten der Muslimbrüder
Leiterin der Religionspädagogischen Akademie sieht sich mit Vorwürfen aus der Vergangenheit konfrontiert.

Einen zeitgemäßen, europäischen Religionsunterricht im säkularen Staat sollen islamische Religionslehrer an Österreichs Grundschulen durchführen. Das Rüstzeug bekommen sie dafür an der Islamischen Religionspädagogischen Akademie (IRPA) in Wien-Liesing. Direktorin Amena Shakir wird nun eine angebliche Nähe zur Muslimbruderschaft unterstellt. Sie selbst bestreitet jede Nähe zu der Bewegung und sieht sich als Verleumdungsopfer.

Im Schatten der Muslimbrüder
Heinisch Historiker
Der Wiener Historiker Heiko Heinisch (Bild) stieß zufällig auf Shakirs Vorgeschichte. Er entdeckte, dass die Pädagogin früher Amena El Zayat hieß und die Deutsch-Islamische Schule in München-Freimann leitete, bevor sie 2002 nach Österreich kam.

Mit bayrischem Regierungsbescheid vom 5. Mai 2005 wurde diese Schule geschlossen. Der Schließungsbescheid richtete sich gegen die Trägerorganisation der Schule (DIBW).

Tarnverein

Laut Verfassungsschutz sei DIBW ein Tarnverein der Islamischen Gemeinde in Deutschland (IGD), die wiederum "als deutsche Zentrale des ägyptischen Zweigs der Muslimbruderschaft gilt". Ein Regierungsbericht: "Aufgrund des Berichts des Landesamtes für Verfassungsschutz geht die Regierung davon aus, dass die Verfassungstreue des Schulträgers als Voraussetzung für eine Genehmigung des Weiterbetriebs der Schule nicht mehr als gegeben angesehen werden könne."

Im Visier der Verfassungsschützer waren nahe Verwandte der Direktorin im Trägerverein. Ihr Bruder, Ibrahim El Zayat, soll der Deutschland-Chef der Muslimbruderschaft gewesen sein – was dieser aber immer bestritt. Und der Onkel von dessen Ehefrau soll Necmettin Erbakan sein, der Gründer der Milli Görüs – eine Organisation, die in Deutschland wegen Verfassungsfeindlichkeit unter Beobachtung steht.

Man kann niemandem seine Verwandtschaft vorwerfen. Doch laut Heinisch lägen Beweise für das Naheverhältnis von Direktorin Shakir zum ägyptischen Arm der Muslimbruderschaft vor; sie habe immerhin für die Bruderschaft in Deutschland gearbeitet.

Beim Rechtsträger der IRPA – der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) – zweifelt man dagegen weder Person noch Eignung der Schulleiterin an. Im Gegenteil: als frühere Dozentin an der Akademie habe sie sich für die Leitungsposition qualifiziert.

"Sippenhaftung"

Als Direktorin habe sie das Institut zudem in verschiedene Richtungen geöffnet. "In die Zeit, seit Frau Shakir die Leitung der IRPA übernommen hat, fallen etliche wichtige Weiterentwicklungen – von der engen Kooperation mit der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule, der Etablierung eines Erasmus-Programms, internationaler Vernetzung, bis hin zu mehr Forschungstätigkeit", sagt IGGiÖ-Sprecherin Carla Amina Baghajati.

Im Schatten der Muslimbrüder
BILD zu OTS - Mag.a Amena Shakir, Leiterin der IRPA (rechts) und Sebastian Kurz, Staatssekretärs für Integration (links)
Die Schule, an der sie früher tätig war, sei wegen des Schulerhalters geschlossen worden, "völlig unabhängig von der Tätigkeit der Direktorin" – und drei Jahre nach Ende ihrer Beschäftigung.

Im Hinblick auf Shakirs Verwandte, betont man bei der IGGiÖ: "Eine Person ist an ihren eigenen Taten zu messen und darf nicht in Sippenhaftung genommen werden."

Für Frau Shakir selbst sind die hergestellten Zusammenhänge "an den Haaren herbeigezogen" – sie spricht von Rufmord. "Ich habe nichts Verfassungsfeindliches getan. Ich habe keinerlei Verbindung zur Muslimbruderschaft. Und ich bin auch nicht für meinen Bruder verantwortlich – der seine Mitgliedschaft ebenfalls stets bestritten hat."

Dass die Schule, die sie früher leitete, geschlossen wurde, sei ihr nicht bekannt. "Sie wurde ja nicht in meiner Amtszeit geschlossen." Mit der damaligen Trägerorganisation stehe sie schon lange nicht mehr in Kontakt.

Warum nun besonderes Interesse an ihrer Person bestehen soll, kann Shakir nicht nachvollziehen. "Das ist Hetze. Denn bei den Menschen wird nur hängen bleiben, dass bei einer muslimischen Institution im Hintergrund etwas falsch läuft. Obwohl es nicht wahr ist."

Die „Islamische Gemeinschaft Millî Görüş e.V.“ (IGMG) wird beim deutschen Bundesamt für Verfassungsschutz unter dem Kapitel „Islamismus“ geführt. Ihr werden 31.000 Mitglieder zugerechnet. Hochgehalten werden die globalen Visionen des Gründers Necmettin Erbakan, der die Schaffung einer „neuen, großen Türkei“, die Überwindung des Laizismus sowie – letztlich mit globalem Anspruch – die Errichtung einer islamischen Gesellschaftsordnung anstrebte. Dazu stellt der deutsche Verfassungsschutzbericht fest: „Konsequenz dieser Sichtweise ist die Ablehnung westlicher Demokratien.“

Der ägyptischen „Muslimbruderschaft“ werden in Deutschland 1300 Mitglieder zugerechnet. Nach dem Sturz von Präsident Mohammed Mursi wurde die Muslimbruderschaft von der ägyptischen Regierung als Terrororganisation eingestuft. In Deutschland steht sie unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Daher nutzen die Muslimbrüder verschiedene andere „Islamische Zentren“ für ihre Aktivitäten. Bei öffentlichen Auftritten werden Bekenntnisse zur Muslimbruderschaft und verfassungsfeindliche Äußerungen grundsätzlich vermieden.

Einstufungen wegen Verfassungsfeindlichkeit für ganze Organisationen gibt es in Österreich nicht. Hier werden lediglich einzelne Straftaten verfolgt.

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