Gerangel mit Kasachstan um Leiche von Rakhat Aliyev

Gerangel mit Kasachstan um Leiche von Rakhat Aliyev
Die Witwe des Ex-Botschafters will verhindern, dass der Tote in seine Heimat überstellt wird. Die Kasachen bieten Mithilfe bei den Ermittlungen an.

Noch ist es nicht amtlich, ob sich der unter Mordverdacht gestandene kasachische Ex-Botschafter Rakhat Aliyev in seiner Zelle freiwillig erhängt hat oder womöglich in den Tod getrieben wurde. Doch schon jetzt gibt es ein Gerangel um seine Leiche.

Während die Anwälte des 52-Jährigen, Manfred und Klaus Ainedter, wegen des Anscheins der Befangenheit des Gerichtsmediziners eine zweite Obduktion fordern, sollen die Söhne Aliyevs aus erster Ehe versuchen, den toten Vater nach Kasachstan überstellen zu lassen. Ob im eigenen Interesse, damit Aliyev in der Heimat beerdigt werden kann, oder ob das Regime dahintersteht, ist unklar.

Der ehemalige Vizeaußenminister und Schwiegersohn des Staatschefs Nursultan Nasarbajew war nach der Scheidung von dessen Tochter in Ungnade gefallen. Aus Geheimdienstquellen ergibt sich, dass man Aliyev gejagt hatte und tot oder lebendig nach Kasachstan hatte zurückholen wollen.

Die letzten Stunden des Rakhat Aliyev

Die kasachische Botschaft, der im Fall Aliyev eine aufklärungswürdige Rolle zukommt, hat Österreich schriftlich ihre Mitwirkung an den Ermittlungen um Aliyevs Selbstmord angeboten. Die kasachischen Behörden bestehen „auf ausführliche und objektive Untersuchung der Todesursache.“ Dazu erklärte man sich gegenüber den Behörden und Aliyevs Anwälten bereit, „alle in solchen Fällen notwendigen konsularischen Handlungen durchzuführen und im ständigen Kontakt zu bleiben.“ Bisher hätte sich aber, so ließ Kasachstan noch wissen, Aliyevs Witwe nicht um Hilfe an die Botschaft gewendet.

Für Anregungen offen

Der stellvertretende Leiter der Wiener Anklagebehörde, Gerhard Jarosch, erklärte, man sei für Anregungen seitens der kasachischen Behörden offen: „Wir machen alles, was möglich ist. Die Kosten spielen dabei keine Rolle. Wir wollen uns später nicht allfälligen Vorwürfen aussetzen, es sei irgendetwas unterlassen worden.“

Die Anwälte Ainedter suchen nicht bei der kasachischen Botschaft, sondern anderswo Hilfe. Sie haben bei Staatsanwaltschaft, Gerichtsmedizin und Bestattungsgesellschaft umgehend deponiert, dass die Leiche von Rakhar Aliyev nach der Freigabe nur seiner Witwe Elnara Shorazova auszufolgen ist.

Inzwischen blühen von möglicherweise manipulierten Videobändern am Gang vor Aliyevs Haftraum bis zu ausgetricksten Sicherheitssperren der Zellentür die Verschwörungstheorien.

In der Justiz zeigte man sich am Donnerstag deshalb schon etwas genervt. Der Chef der Vollzugsdirektion, Peter Prechtl: „Ich sehe Fakten und keine Manipulationsgefahren.“ Um Zugriff auf die stets von einem Beamten bewachten elektronischen Videoaufzeichnungen zu erhalten, benötige man zwei Passwörter, gibt Prechtl zu bedenken. Eines davon kennen nur die Anstaltsleiterin und deren Stellvertreter, das andere die Personalvertreter. „Bei der Sicherung der Bänder waren Polizisten des Landeskriminalamts anwesend.“

Inzwischen wurde auch das in kyrillischer Schrift verfasste Tagebuch von Aliyev (aus dem, wie der KURIER berichtete, eine Seite herausgerissen worden sein soll) in seiner Zelle gefunden. „Es ist sichergestellt und wird nun übersetzt und ausgewertet“, bestätigte Nina Bussek, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien. Darin könnte sich ein allfälliges Motiv für den Dienstagfrüh in der Justizanstalt Josefstadt entdeckten Freitod finden.

Toxikologisches Gutachten

Wie nun feststeht, stammten die Mullbinden, mit denen sich Aliyev im Nassraum seiner Einzelzelle stranguliert hat, aus der Krankenstation. Dort war der 52-Jährige wegen seiner Herzkrankheit untergebracht. Abschiedsbrief hat Rakhat Aliyev keinen hinterlassen.
Eine weitere Obduktion – wie von den Anwälten beantragt – ist ungewöhnlich, wird von der Staatsanwaltschaft aber in diesem Fall nicht komplett ausgeschlossen. Bis ein endgültiges Ergebnis der ersten Obduktion vorliegt, wird es voraussichtlich ohnehin noch Wochen dauern. Auch ein toxikologisches Gutachten muss noch erstellt werden.

Zweite Obduktion gefordert

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