Fußgänger auf dem Vormarsch

Eugene Quinn
Die Stadt schafft Flaniermeilen und eine App, ein Londoner macht Touren für Wiener.

Wenn Johanna Rachinger in die Arbeit kommt, wechselt sie erst einmal ihre Schuhe.

Sie schlüpft von ihren bequemen Geh-Schuhen in die eleganten Arbeitsschuhe. Die Generaldirektorin der Österreichischen Nationalbibliothek geht täglich zu Fuß ins Büro (und meist auch wieder per pedes nach Hause). Von ihrer Wohnung in der Josefstadt bis zum Arbeitsplatz in der Hofburg sind es etwa 2,5 Kilometer. Das gibt ihr jeden Morgen eine halbe Stunde Zeit, den Kopf freizumachen. Und das Laufband im Fitnessstudio erspart sie sich auf diesem Wege auch.

Fußgänger auf dem Vormarsch
Johanna Rachinger geht durch den Burggarten zu Fuß in die Arbeit. Wien, 25.03.2015
Menschen wie Johanna Rachinger, für die gehen mehr ist, als der Weg zum Auto oder zur nächsten U-Bahn-Station, sind in Wien in der Minderheit. Geht es nach der Fußgängerbeauftragten Petra Jens, ist dies bald Vergangenheit. Um das Image des Gehens zu verbessern wurde 2015 als "Jahr des Zu-Fuß-Gehens" ausgerufen. Denn laut einer aktuellen Studie werden zwar ein Viertel der Wege in Wien zu Fuß zurückgelegt, diese Zahl hat sich in den vergangenen Jahren jedoch nicht stark verändert.

Kein Platz

Noch sei Zu-Fuß-Gehen das Stiefkind im Verkehr, meint der grüne Verkehrssprecher Rüdiger Maresch. Obwohl zu Fuß fast gleich viele Wege wie mit dem Pkw zurückgelegt werden, nimmt das Auto zwei Drittel der Straße ein. "Das muss sich ändern", fordert Maresch.

Fußgänger auf dem Vormarsch
leitsystem fußgänger
Im Fußgänger-Jahr 2015 nimmt die Stadt daher 2,5 Millionen Euro in die Hand, damit Fußgänger künftig weniger übergangen werden. Eine erste Maßnahme ist die Errichtung von Flaniermeilen quer durch die Stadt. Eine Route führt etwa vom Reumannplatz zum WU-Campus im Prater, eine andere von Floridsdorf bis zur Prater-Hauptallee. Längs der Flaniermeilen werden Hinweistafeln mit Umgebungsplänen errichtet. Die erste steht am Siebensternplatz in Neubau. Zusätzlich sollen sukzessive Sitzgelegenheiten, breitere Gehsteige und Begrünungen folgen

Vorbild sind Städte wie Barcelona, wo es ganze Wohngebiete mit Begegnungszone und 10 km/h Tempolimit gibt, oder Paris, wo manche Grätzel am Wochenende gänzlich autofrei sind.

Geh-App

Ab April wird es zudem einen eigenen Stadtplan für Fußgänger sowie eine Geh-App geben. Auf ihnen werden öffentliche Durchgänge, Sehenswürdigkeiten und Toiletten angezeigt. Zudem sollen die Wiener für das Gehen belohnt werden: "Mit der App werden Schritte zur Währung. Für gegangene Kilometer kann man sich Belohnungen abholen", erläutert Petra Jens. "Vom Schuhlöffel bis zum Trolley."

Diese Maßnahmen findet Eugene Quinn sehr gut, aber noch nicht genug: "Gehen muss sexy werden", fordert Quinn. "So wie bei den Italienern. Die haben es kapiert."

Fußgänger auf dem Vormarsch
Eugene Quinn , Wien am 23.03.2015
Eugene Quinn kommt aus London, war in Europa als Tourguide unterwegs und ist Botschafter der internationalen "Walk21-Conference", die im Herbst in Wien stattfindet. Quinn ist verwundert, dass viele Wiener am Wochenende zum Spazieren aufs Land fahren. "Dabei hat die Stadt so viel zu bieten."

Und so organisiert er Veranstaltungen, um den Wienern ihre Stadt schmackhafter zu machen. Wie zum Beispiel "Ohrwaschl-Konzerte", bei denen Gehsteigvorziehungen zur Bühne werden. Bald soll es auch "Soul Food Safaris" geben, bei denen die Gäste für ein Drei-Gänge-Menü zu drei Restaurants gehen. Am 2. Mai findet die erste "Ugly Walking Tour" statt, bei der Wiens hässlichste Häuser besucht werden. Vier davon, soviel verrät Quinn, befinden sich beim Stadtpark.

Mobilitätsagentur

Die Stadt nimmt sich heuer dem Zu-Fuß-Gehen an. Es gibt räumliche Änderungen, neue Karten und Großveranstaltungen, wie das Streetlife-Festival im Herbst.

Space and Place

Der Londoner Eugene Quinn organisiert mit der Gruppe „Space and Place“ Veranstaltungen in Wien, die Menschen zum Gehen und in Kontakt bringen möchte.

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