Der Fremde im Familiengrab

Der Fremde im Familiengrab
Volksanwälte deckten im Vorjahr 944 Missstände in der Wiener Verwaltung auf.

Die Wienerin staunte nicht schlecht, als sie ihr Familiengrab besuchte. Das hatte seit dem letzten Besuch Zuwachs bekommen, im Grab lag auf einmal eine fremde Person. Informiert wurde die Frau von der Beisetzung nicht. Auf die Frage, wer diese veranlasst habe, wurde der Dame von der Friedhöfe Wien GmbH die Auskunft verweigert: „Datenschutz“.

Mehr Beschwerden

Das ist nur einer von vielen Fällen, bei der Bürger im Vorjahr die Volksanwaltschaft einschalten mussten. In ihrem aktuellen Bericht listen die Volksanwälte 924 Beschwerden über die Wiener Verwaltung auf. Im Vergleich zu 2011 haben sich die Beschwerden um zehn Prozent erhöht. Es sind Einzelfälle, die aber Fehler im gesamten System aufzeigen.

So auch bei den Friedhöfen Wien: Hat der Inhaber keine Grabsperre verhängt, kann jeder für das Grab eine Bestattung veranlassen. Die Friedhöfe Wien verlangen nur ein Formular, bei dem der Auftraggeber unterzeichnen muss, die Zustimmung des Grabinhabers zu haben. Gerade bei verzwickten Familienfehden wird diese Lücke immer wieder ausgenutzt.

„Ich verstehe nicht, warum man die Grabinhaber nicht benachrichtigen kann, wenn eine Bestattung geplant ist“, sagt Volksanwältin Gertrude Brinek. „Zu aufwendig“, kontert ein Sprecher der Friedhöfe, zudem würden Adressänderungen oft nicht mitgeteilt. Immerhin eines hat die Volksanwaltschaft bewirkt: „Mittlerweile geben wir die Daten bei Beschwerden weiter“, erklärt der Friedhofssprecher.

Lange Einbürgerungsverfahren

Es sind nicht die einzigen Missstände in Wien. So kritisiert Volksanwältin Terezija Stoisits die langwierigen Einbürgerungsverfahren. Das prinzipielle Bemühen will Stoisits den zuständigen MA-35-Mitarbeitern dabei gar nicht absprechen. Aber: „Der Andrang steht in keiner Relation zu dem Personal, das die Fälle bearbeitet.“

Oder der Fall eines Wieners, dessen Auto ungerechtfertigt abgeschleppt wurden. Erst nach Einschalten der Volksanwaltschaft wurden ihm die Kosten in der Höhe von 332 Euro von der MA 48 zurückerstattet.

Existenziell bedrohlich wurde es für eine junge Brigittenauerin, die ihre Miete nicht rechtzeitig zahlen konnte. Eine Woche vor dem Delogierungstermin beglich die Studentin ihre Mietschulden. Dennoch wurde ihr einen Tag vor dem Delogierungstermin mitgeteilt, dass sie ihre Wohnung zu räumen habe. Nur aus Zeitgründen unterbrach der Gerichtsvollzieher am Tag darauf die Delogierung. Die Volksanwaltschaft konnte dann erwirken, dass die Frau doch in der Wohnung bleiben konnte.

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