Asylwerber: "Vorher gab es nicht sehr viel zu tun"

Stadtbauamt vergibt gemeinnützige Tätigkeiten an Asylwerber im Wiener Rathaus am 10.02.2016
Der Fonds Soziales Wien vermittelt Asylwerber für gemeinnützige Arbeiten in Einrichtungen der Stadt.

Nour sitzt an einem Schreibtisch im Rathaus. Vor ihm: ein dicker Ordner mit Rechnungen. Hinter ihm: dicke Ordner mit Rechnungen. Nour muss alle dieser Rechnungen vom Papier in Excel-Tabellen übertragen.

Der 19-jährige Syrer ist einer von derzeit 30 Asylwerbern, die in elf Dienststellen der Stadt Wien gemeinnützige Arbeit verrichten. Nour kam vor acht Monaten nach Österreich und hilft seit November drei Mal pro Woche in der Stadtbaudirektion des Rathauses. Wenn der junge Mann nicht gerade Rechnungen digitalisiert, verteilt er die Post oder hilft Kollegen mit CAD-Programmen – Software für die digitale Bauplanung, mit der sich der 19-Jährige gut auskennt: Nour lebte zwei Jahre zum Studium in Istanbul, in Wien hat er an der Universität für Bodenkultur (Boku) inskribiert. "Bei uns bekommt er einen Einblick in die Dienststelle, wie ein Ferialpraktikant", sagt Brigitte Jilka, Leiterin der Stadtbaudirektion.

Anerkennung

Seit Ende vergangenen Jahres können Asylwerber gemeinnützige Tätigkeiten in den Magistratsabteilungen und Einrichtungen der Stadt Wien verrichten. Etwa in der Landschaftspflege, bei der Betreuung von Park- und Sportanlagen, als Mitarbeiter im Straßendienst, bei Kinderbetreuungseinrichtungen , im Rahmen von Sport- und Kulturveranstaltungen oder als Unterstützung in der Verwaltung.

Denn die Verfahren dauern lang, und solange sie laufen, sind Asylsuchende nicht am Arbeitsmarkt zugelassen. "Wir bereiten Asylwerber auf das hiesiges Arbeitsleben und auf den Arbeitsmarkt vor. Zusätzlich stärken wir ihre Selbstständigkeit", sagt Renate Christ von der Koordinationsstelle für Flüchtlingswesen beim Fonds Soziales Wien. Sie leitet das Projekt.

Asylwerber: "Vorher gab es nicht sehr viel zu tun"

Für ihre Tätigkeit werden die Asylwerber versichert und erhalten einen Anerkennungsbeitrag. Der darf maximal 110 Euro pro Monat betragen und ist nicht steuerpflichtig. Dienstverträge gibt es keine: "Wir nehmen also niemandem den Arbeitsplatz weg", sagt Christ. Nur die Art und Weise, die Dauer und Höhe des Anerkennungsbeitrags wird vereinbart. Dieser soll zwischen drei und fünf Euro pro Stunde liegen. Die Tätigkeit endet, sobald die Flüchtlinge einen positiven Asylbescheid erhalten und damit auch Zugang zum Arbeitsmarkt haben.Nour hilft drei Mal pro Woche von 9 bis 12 Uhr in der Stadtbaudirektion. "Es macht mir sehr viel Spaß", erzählt der 19-Jährige. Denn: "Vorher gab es nicht sehr viel zu tun."

"Kompetenz-Checks"

Damit die Tätigkeiten auch zu den Berufen und Ausbildungen der Asylwerber passen, ersucht Renate Christ die Hilfsorganisationen, in deren Quartieren die Flüchtlinge untergebracht sind, um "Mini-Kompetenzchecks" – gemeint sind Listen mit Bildungsniveau und Berufen der Asylwerber. "Wir versuchen dann, die Zahnärztin in der Zahnambulanz unterzubringen", sagt Christ. Menschen mit wenig Bildung können sich etwa als Straßenkehrer betätigen. "Es geht darum, den Asylwerbern Struktur zu geben und sie beim Deutschlernen zu unterstützen."

Beim 19-jährigen Nour funktioniert das schon recht gut: "Ich lerne sehr viel Deutsch", erzählt er. Nicht nur, weil Englisch im Stadtbauamt für ihn "streng verboten" ist, sondern auch, weil er jeden Nachmittag einen Deutschkurs an der Boku besucht und auch sonst seine Zeit mit (fast) nichts anderem verbringt, als mit Deutschlernen. Denn eines ist für Nour klar: "Ich will als Bauingenieur arbeiten und große Häuser und Brücken bauen."

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