Flüchtlingsschmuggel: Fall seit Monaten bekannt

Flüchtlingsschmuggel: Fall seit Monaten bekannt
Mitarbeiter hat gegen Entgelt "Reisende an Sicherheitskontrollen vorbeigeschleust". Er wurde entlassen.

Seit drei Monaten ermittelt die Staatsanwaltschaft Korneuburg in dem Fall, wonach Security-Mitarbeiter am Flughafen Wien Flüchtlinge in die USA und nach Großbritannien geschmuggelt haben sollen. Der Akt sei seit 24. Februar anhängig, sagte Sprecher Friedrich Köhl am Dienstag. G4S teilte indes mit, dass "ein einzelner Mitarbeiter" des Unternehmens in die Schlepperbande involviert gewesen sei.

Die Verdächtigen sollen - gegen Entgelt - "Reisende an Sicherheitskontrollen vorbeigeschleust haben". Das sei ihnen "aufgrund ihrer dienstlichen Stellung möglich" gewesen, sagte Köhl. Über zwei der Beschuldigten sei "Ende Februar/Anfang März" die U-Haft verhängt, vier weitere seien angezeigt worden.

Der betroffene Mitarbeiter sei "sofort fristlos entlassen" worden, teilte G4S Österreich am Dienstag. Das Sicherheitsunternehmen habe in der Observationsphase uneingeschränkt mit der Kriminalpolizei zusammengearbeitet, um alle Beteiligten auszuforschen und zu überführen. G4S werde sich dem laufenden Verfahren gegen den entlassenen Mitarbeiter als Privatbeteiligter anschließen.

Bande tauschte Zutrittskarten aus

Die strengen Sicherheitskontrollen am Flughafen Wien seien "zu keinem Zeitpunkt geschwächt" gewesen, hieß es in der Aussendung weiter. "Die Schlepperbande war unter anderem bei einer nachgelagerten Dokumentenkontrolle aktiv, die für einzelne Flugdestinationen zusätzlich vorgeschrieben ist. Das Schleppen von Flüchtlingen wurde möglich, weil die Bande (deren Mitglieder bei unterschiedlichen Unternehmen beschäftigt waren) untereinander persönliche Zutrittsberechtigungskarten austauschte."

An Konsequenzen aus dem Fall nannte G4S neben der fristlosen Entlassung des Mitarbeiters im März auch eine genaue Analyse des gesamten Prozesses des Dokumenten-Checks am Flughafen Wien. "Ab sofort gilt bei der Überprüfung der Reisedokumente ein Vier-Augen-Prinzip." Außerdem seien die für Mitarbeiter auf dem Flughafen geltenden strengen Einstellungsüberprüfungen "noch einmal verschärft" worden.

Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 wurden die Sicherheitsvorkehrungen auf Flughäfen weltweit massiv verschärft. Dennoch ist Mitarbeitern eines privaten Security-Dienstes am Flughafen Schwechat gelungen, was Sicherheitsexperten bisher für ausgeschlossen hielten: Sie haben Flüchtlinge vorbei an den Pass- und Sicherheitskontrollen an Bord von Maschinen geschmuggelt und ihnen die illegale Einreise in die USA und nach Großbritannien ermöglicht. Am Flughafen muss man die brisante Angelegenheit zähneknirschend eingestehen.

Ans Tageslicht gebracht wurde das Sicherheitsleck in Schwechat durch einen groß angelegten Fall von Schlepperei. Wie der Sprecher der Staatsanwaltschaft Korneuburg, Friedrich Köhl, erklärt, wurden sechs Mitarbeiter des privaten Sicherheitsdienstes wegen des dringenden Tatverdachts festgenommen.

Verdächtige in U-Haft

Als Drahtzieher gelten der aus Sri Lanka stammende Tharindu J. (30), dessen Zwillingsbruder sowie ein gebürtiger Pole. "Zwei Hauptverdächtige sitzen in Untersuchungshaft, gegen die anderen vier liegen derzeit keine dringenden Haftgründe mehr vor. Sie sind auf freiem Fuß", sagt Köhl. Die Männer haben als Securitys im Auftrag der Austrian Airlines für Flüge in die USA und zu anderen Destinationen zusätzliche Ausreisekontrollen durchgeführt. Diese Position ermöglichte ihnen, die Flüchtlinge illegal an Bord der Flugzeuge zu bringen.

Das Vorgehen der Schlepper war so durchdacht, dass Ermittler des nö. Landeskriminalamtes und der Flughafen-Polizei mehrere Tage benötigten, um es nachstellen zu können. Tharindu J. und seine Komplizen überredeten Freunde und Bekannte für kleine Gefälligkeiten dazu, bei der Sache mitzuspielen. Sie lösten auf deren Namen Flugtickets sowie die Elektronische Einreisegenehmigung (ESTA) für die USA und ließen die Leute am Abreisetag einchecken und durch die Pass- und Sicherheitskontrolle gehen.

Durch die Hintertür

"Im Flughafengebäude warteten dann bereits die Illegalen, die zuvor unbemerkt vom Sicherheitsdienst über das Hintertürchen hineingeschmuggelt wurden. Der Austausch der Tickets erfolgte auf einer Toilette", sagt ein Ermittler.

"Die letzte Passkontrolle am Gate wird ebenfalls von dem privaten Sicherheitsdienst für unsere Fluglinie durchgeführt", bestätigt die Sprecherin der Austrian Airlines, Sandra Bijelic. Deshalb gelangten die Flüchtlinge tatsächlich unbemerkt an Bord.

Die Flüchtlinge stammten vorwiegend aus Sri Lanka und wurden über Deutschland und andere europäische Staaten nach Schwechat gebracht. Bei der Einreise am Zielflughafen dürften sie ebenfalls Unterstützung gehabt haben. Die Schlepper in Schwechat kassierten für die Abwicklung zwischen 7000 und 9000 Euro pro Person. Bisher konnten den Sicherheitsmännern elf solcher Fälle nachgewiesen werden.

Laut den Kriminalisten und der Flughafen-Polizei haben die amerikanische Botschaft in Wien und das Heimatschutzministerium (Homeland Security) der USA größtes Interesse an dem Fall und seiner Aufklärung. "Wenn ,Illegale‘ so einfach unbemerkt an Bord einer Maschine kommen, dann besteht natürlich ein gewisses Risiko, dass es auch Terroristen schaffen. Und das noch dazu, ohne eine Sicherheitskontrolle zu durchlaufen", heißt es vonseiten der Polizei.

Flughafen-Sprecher Peter Kleemann sieht die Verantwortung eindeutig bei der Fluglinie und dem beauftragten Sicherheitsdienst. Von der betroffenen Firma gab es dazu keine Stellungnahme. Die AUA will die Sache mit dem Security-Dienst intern regeln.

Hier geht's zum KURIER-Interview mit G4S-Chef Matthias Wechner.

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