Die Krux mit den Asylwerber-Jobs

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Flüchtlinge in der Votivkirche fordern ein Recht auf Arbeit. In der Praxis ist das schwierig.

Seit 23. Dezember punkt 23 Uhr befinden sich in der Wiener Votivkirche knapp 40 Asylwerber im Hungerstreik. Feste Nahrung verweigern sie, Wasser und Tee nehmen die Pakistani und Somalier aber zu sich (Lokalaugenschein siehe unten).

Eine der zentralen Forderungen der Flüchtlinge ist es, schneller auf dem heimischen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, also einer Beschäftigung nachgehen zu dürfen. Im KURIER-Interview zu Silvester betonte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, dass diese Möglichkeit schon während des laufenden Asylverfahrens besteht. Die Sprecherin von Sozialminister Rudolf Hundstorfer, Elisabeth Kern, konkretisiert: „Nach einer Wartefrist von drei Monaten ab Eröffnung des Asylwerber-Verfahrens können Flüchtlinge in diversen Saisonberufen wie Tourismus oder Landwirtschaft einen Job annehmen.“

Theorie und Praxis

Die Wartefrist sei notwendig, um zu klären, ob die betreffende Person nicht bereits in einem anderen Staat einen Asylantrag gestellt hat.

Allerdings klaffen Theorie und Praxis weit auseinander. Denn wegen der großteils bestehenden Sprachbarriere können Interessenten nur wenige Arbeiten auch seriös erfüllen. Gleichzeitig dürfen Asylwerber pro Monat nur einen bestimmten Betrag– je nach Höhe der Unterstützung – zur Grundversorgung dazu verdienen. Wird dieses Limit überschritten, fällt der arbeitswillige Asylwerber aus der gesetzlich vorgeschriebenen Grundversorgung (Unterkunft, Taschengeld, usw.) heraus. Somit bleibt das Interesse von Flüchtlingen und Arbeitgebern bescheiden. Kern: „500 Asylanten machen von diesem Angebot Gebrauch.“

Reinhart Jarisch wollte vor Monaten zwei Asylwerber beschäftigen – ganz legal. Doch das funktionierte nicht ohne Bürokratie und Problemen. „Da macht sich der Staat lächerlich“, resümiert der Universitätsprofessor aus Wien. Jarisch hat einen Weingarten bei Spitz. „Und die Steinmauer musste gerichtet werden.“ Einheimische fand er für den Knochenjob keine. Also engagierte er über das AMS zwei Asylwerber. Bedingung: Maximal 20 Stunden zu 6,86 Euro brutto. „Das hätte monatlich also rund 550 Euro ausgemacht“, rechnet Jarisch vor. „Aber Asylwerber dürfen maximal 110 Euro monatlich dazuverdienen. Sonst verlieren sie die Grundversorgung.“

Widerspruch

Die Krux mit den Asylwerber-Jobs
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Und genau das drohte den Männern aus Pakistan und Afghanistan. „Nach 14 Tagen haben die beiden das Schreiben bekommen, dass sie mit Ende des Monats das Wohnrecht verlieren“, ärgert sich Jarisch. Da platzte ihm der Kragen. Er nahm Kontakt mit dem Land Niederösterreich und dem Innenministerium auf. „Da sind zwei Bestimmungen gültig, die sich widersprechen – aber die Reaktion war lapidar. Das ist halt so.“ Also fand Jarisch eine „österreichische Lösung“. „Ich hab’ sie weniger, und teils vorarbeiten lassen.“ Sprich: Der Lohn wurde erst im Folgemonat gezahlt. „Die Männer wollten arbeiten und haben mir geholfen. Das ist doch besser, als herumzusitzen. Das bisserl Geld geben sie ja auch wieder aus.“

Am Abend setzten sich etwa 250 Demonstranten für die Votivkirchen-Besetzer ein. Der Protest in der Wiener City verlief ruhig.

Wenn hier jemand stirbt, dann liegt das in der Verantwortung der Politik“, versuchte Khan Adalat, 47, Mittwochvormittag die Regierung unter Druck zu setzen. Adalat gilt als Sprecher jener 40 Asylwerber, die sich in der bitterkalten Votivkirche im Hungerstreik befinden.

Den Eindruck, dass die Verweigerung von Nahrung als „Erpressungsversuch gegenüber Österreich“ zu werten sei, wollten die Flüchtlinge naturgemäß nicht bestätigen. „Wir appellieren an die soziale Verantwortung des Landes, wir fordern einen legalen Status.“

Während sich Kardinal Christoph Schönborn bereits ein Bild vor Ort machte, fanden noch keine Spitzenpolitiker den Weg in das Gotteshaus vor dem Sigmund-Freud-Park in der City.

Dafür wurden am Runden Tisch, Ende Dezember, Zugeständnisse an die Asylwerber gemacht. So konnten Unterbringungen in Wohnheimen und die Rückübernahme in die Grundversorgung garantiert werden. Auch die Kritik an diesen Unterkünften wurde ernst genommen. Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenministeriums: „Wenn Beschwerden über Unterkünfte eingehen, werden wir das prüfen.“ Für Ruth Schöffl, vom UNHCR ein positives Signal: „Bei den Quartieren eine Verbesserung herbeizuführen ist begrüßenswert. Wir werden sobald wie möglich Kontakt mit dem Innenressort aufnehmen.“

Treffen bei Ministerin

Die Besetzung und der folgende Hungerstreik in der Votivkirche sorgte schon für internationale Reaktionen. So wurde die Regierung vom UNO-Flüchtlingshochkommissariat aufgefordert, mit den Besetzern in Dialog zu treten. Dieser Aufforderung kam Innenministerin Johanna Mikl-Leitner Mittwochnachmittag spontan nach. Sie lud vier Kirchenbesetzer in das Ministerium: „Wir werden kommunizierte Einzelschicksale überprüfen. Aber über unrealistische Forderungen, wie den Stopp von Fingerprints oder den Ausstieg aus den Dublin-Verträgen, kann und will ich nicht verhandeln. Wir haben weiters Quartiere der Caritas und der Stadt Wien angeboten. Man muss unsere Hilfe jedoch annehmen.“

So sah das auch Caritas-Sprecher Klaus Schwertner: „Ein positives Signal der Bundesministerin. In manchen Bereichen braucht das Asylwesen aber Reformen.“

Die Ratlosigkeit der Asylwerber wächst von Tag zu Tag. „Manche sprechen davon, keine Flüssigkeiten mehr zu sich zu nehmen“, erklärt Johanniter Chefarzt Michael Hüpfl. Zwei bis drei Stunden am Tag checkt der Mediziner die Männer. Laut Gesetz ist Zwangsernährung nur während eines Hungerstreiks in der U-Haft möglich. Bei einem Hungerstreik in einer Kirche entfällt die Sorgepflicht des Staates.

Am Mittwoch wurde weiters bekannt, dass das Innenressort eine zweite Strategie fährt. Brigadier Grundböck: „Bei der gestern gestarteten Evaluierung sollen organisatorische, operative und kommunikative Vorgänge rund um die erfolgte Räumung beleuchtet werden.“

Weiter für Diskussionen sorgt die Räumung des Flüchtlingscamps vor der Votivkirche vergangene Woche. Laut Informationen, die dem KURIER vorliegen, hat Polizeipräsident Gerhard Pürstl Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) die Durchführung der Aktion angeboten. Dieser habe sich demnach einverstanden erklärt. Bei der Räumung um 4 Uhr Früh war dann auch eine Firma im Auftrag der MA 48 vor Ort. Offiziell betont man bei der Polizei, dass man von sich aus tätig geworden ist.

Dass die Aktion ohne Einbindung des grünen Koalitionspartners erfolgte, will man im Büro von Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou nicht kommentieren. Klubobmann David Ellensohn verurteilt das Vorgehen der Polizei: „Ich habe Pürstl in einem Brief gebeten, aufzuklären, mit wem in der Stadt die Räumung abgesprochen wurde.“

In der Causa der Flüchtlinge in der Votivkirche plädiert die grüne Nationalratsabgeordnete Alev Korun dafür, die Unterbringung von Asylanten zu verbessern und den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern.

Skepsis

In der SPÖ ist man skeptisch: Es sei „sehr problematisch, wenn solche Aktionen gesetzt werden, die im Ergebnis überzogen sind“, sagt Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter. Manche Forderungen – wie die Anerkennung jeglichen Asylgrundes – würden nicht mit der Rechtsordnung korrespondieren. Mit der Forderung nach Zugang zum Arbeitsmarkt laufe man bei der SPÖ offene Türen ein. „Aber das wird unabhängig von der Kirchenbesetzung umzusetzen sein.“

Geht es nach Harald Vilimsky (FPÖ), soll den Flüchtlingen eine 24-Stunden-Frist gesetzt werden, um in die angebotenen Betreuungseinrichtungen zu wechseln. „Wenn sie sich dem widersetzen, sollte ihr Asylverfahren abgebrochen werden.“ Verständnis für ihre Forderungen hat er nicht: „In Österreich gibt es faire Verfahren. Und die Unterbringung ist besser als in anderen Ländern.“

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