Falschparker droht Besitzstörungsklage

Falschparker droht Besitzstörungsklage
Anbieter dürfen gratis öffentlichen Raum nutzen, dafür werden Parksünder streng verfolgt.

Friedrich Dollenz hat vor wenigen Wochen unerfreuliche Post von einem Anwalt erhalten: Der Carsharing-Anbieter Zipcar wirft dem Wiener eine Besitzstörung vor und droht sogar mit einer entsprechenden Klage, sollte er nicht einen Schadenersatz von 290 Euro an die Firma überweisen. "Das ist höflich ausgedrückt skandalös", empört sich Dollenz.

Was war passiert? Am 30. April stellte er sein Auto auf einem Stellplatz in der Operngasse ab, der für Zipcar-Autos reserviert ist. Im letzten Moment konnte er noch verhindern, dass sein Pkw auf Veranlassung der Firma abgeschleppt wurde. Jetzt soll er die angefallenen Kosten berappen.

Dollenz denkt nicht daran: "Wie kann hier eine Besitzstörung vorliegen, wo es sich doch um öffentlichen Raum handelt, der noch dazu als Kurzparkzone ausgewiesen ist?" Was noch dazukommt: Zwar sei der Platz mit einer grünen Carsharing-Tafel beschildert, ein Halte- und Parkverbot werde aber nicht angezeigt. "Ich frage mich, wie das mit der StVO vereinbar ist."

Verwirrung

Falschparker droht Besitzstörungsklage
Seit es 2012 derartige Carsharing-Stellplätze gibt – allein Zipcar verfügt aktuell über 45 Standorte in Wien –, sind Falschparker immer wieder mit Besitzstörungsklagen konfrontiert. Das sei rechtlich auch vollkommen gedeckt, ist man seitens der Stadt überzeugt. "Es gibt die Möglichkeit, Straßen dem öffentlichen Verkehr zu entziehen. Dort gilt dann auch nicht die StVO", erläutert Markus Raab von der zuständigen MA 65. Es sei daher rechtlich auch nicht möglich, die Stellplätze mit den herkömmlichen Halte- und Parkverbotsschildern auszuweisen.

Stattdessen gebe es aber die grünen Tafeln samt Bodenmarkierungen, die klarmachen sollten, dass diese Plätze nur für die Autos der jeweiligen Firma vorgesehen sind. "Und diese Tafeln sind durchaus wahrnehmbar", ist Raab überzeugt. Bei Unsicherheiten liege es in der Eigenverantwortung der Lenker, sich eben nicht dorthin zu stellen und sich über die Bedeutung der Schilder zu informieren.

Auch beim ÖAMTC sieht man Besitzstörungsklagen für zulässig. Die aktuelle Lösung mit der Beschilderung hält man aber noch für problematisch und verwirrend. "Hier braucht es schleunigst eine bessere rechtliche Regelung", fordert Jurist Martin Hoffer.

Für Betreiber gratis

Das würde sich auch "Besitzstörer" Dollenz wünschen. Er fragt sich, warum er für sein kleines Vergehen 290 Euro zahlen muss, wo doch die Anbieter die Stellplätze gratis von der Stadt zur Verfügung gestellt bekommen. "Es gibt einen Gemeinderatsbeschluss, dass Carsharing-Plätze im öffentlichen Raum errichtet werden sollen", sagt ein Sprecher von Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou.

Im Sinne der rot-grünen Verkehrspolitik geht die Stadt freilich überaus großzügig mit dem öffentlichen Raum um: Die Carsharing-Betreiber müssen die ersten drei Jahre nichts zahlen, danach wird eine Gebühr von 1200 Euro pro Parkplatz und Jahr fällig. Steigt ein Betreiber in den ersten beiden Jahren aus, muss er allerdings ein Jahr nachzahlen.

Carsharing ist eine gute Sache. Wer nur selten ein Auto braucht, kann sich so für kurze Zeit ein Auto anmieten. Dafür hat die Stadt den Anbietern Zipcar und Flinkster insgesamt 52 Parkplätze reserviert und für drei Jahre gratis zur Verfügung gestellt. Bis zu acht Parkplätze für Privatautos könnten in der Stadt eingespart werden, rechnete Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (G) vor.

Doch die Nachfrage ist enden wollend. Kaum ein Zipcar-Auto, das auf der Straße gesichtet wird, zumeist stehen die Autos auf ihren reservierten Gratis-Plätzen. Während das Konkurrenzangebot car2go mit seinen Smarts von vielen genützt wird, bleiben die Zipcar-Autos ungenutzt. 7000 Kunden hatte Zipcar in der Millionenstadt Wien 2013. Neuere Zahlen will der Anbieter nicht bekannt geben. Das Geschäft läuft offensichtlich so schlecht, dass man nun schon mit Falschparkern Kasse machen muss. Ein Autobesitzer soll 290 Euro zahlen, weil er kurz auf einem Carsharing-Parkplatz stand.

Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou täte gut daran, ihre Carsharing-Strategie zu überdenken. So ist das nur ein Parkplatzklau zum Ärger der Anrainer.

Der Ausbau von Carsharing-Angeboten ist eines der Kernstücke der rot-grünen Verkehrspolitik in Wien. Dass man durch die Reservierung von Stellplätzen für die Anbieter die Parkplatz-Not noch verschärft, glaubt man im Rathaus nicht. Schließlich würde sich durch dieses Angebot das Nutzungsverhalten der Menschen ändern.

"Untersuchungen zeigen, dass mit nur einem Carsharing-Parkplatz gleich mehrere Stellplätze ersetzt werden können", sagt man dazu im Büro von Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou.

Derzeit sind in Wien drei Carsharing-Anbieter vertreten. Zwei von ihnen stehen (auch) reservierte Stellplätze im öffentlichen Raum zur Verfügung. Zipcar (vormals carsharing.at) ist seit 2012 am Markt und verfügt für 55 Fahrzeuge über 45 fixe Standorte im öffentlichen Raum. Laut Zahlen aus dem Vorjahr nutzen rund 7000 Kunden das Angebot des US-Betreibers.

Erst seit dem Vorjahr in Wien vertreten ist Flinkster. Dem Unternehmen stehen für zwölf Fahrzeuge sieben Standorte zur Verfügung.

Wien spiele dabei auch keine Sonderrolle, betont man im Büro Vassilakou: "Allein in Berlin etwa gibt es sechs Betreiber mit insgesamt 355 Stationen im öffentlichen Raum", rechnet ein Sprecher vor. Auch in München und Mailand gebe es ähnliche Modelle.

Marktführer ist allerdings ein Anbieter, der ganz ohne reservierte Stellplätze im öffentlichen Raum auskommt. Car2go hat in Wien bereits rund 50.000 Nutzer.

Nicht nur Carsharing-Anbieter können sich über Gratis-Parkplätze erfreuen. Auch andere Unternehmen werden gefördert. Firmen bekommen bei Betriebsansiedelungen Grundstücke zur Verfügung gestellt, für Jungunternehmer gibt es neben finanzieller Unterstützung auch Know-how in Förderkursen. Diverse Fonds – wie der Wiener Wissenschafts- Forschungs- und Technologiefonds – fördern Forschungsprojekte.

Aber auch die Bevölkerung profitiert von kostenlosen Leistungen der Stadt. Familien dürfen sich über den Gratis-Kindergarten freuen, ab Herbst will die Stadt kostenlos Nachhilfe für Risiko-Schüler geben.

Bei der Aktion "Eine Stadt. Ein Buch" werden jedes Jahr 100.000 Bücher eines ausgewählten Autors gratis an die Wiener verteilt.

An mehreren Plätzen in der Stadt und auf der Donauinsel gibt es gratis WLAN.

Viele Veranstaltungen am Rathausplatz wie das Filmfest sind ebenfalls gratis .

Und auch an die Autofahrer wurde gedacht. Mit eigenen Kurzparkscheinen, darf in den Pickerlbezirken 15 Minuten gratis geparkt werden.

Kehrseite der Medaille: Steuern und Abgaben sind in Wien im Vergleich zu anderen Großstädten hoch.

Kommentare