Fall Kampusch: Polizist schuldig gesprochen

(Symbolbild)
Auf eigene Faust ermittelt: Zehn Monate bedingt, Urteil nicht rechtskräftig.

Jener Wiener Polizist, der im Entführungsfall Natascha Kampusch illegale Ermittlungen in einer niederösterreichischen Volksschule durchgeführt hatte, ist am Montag am Wiener Straflandesgericht wegen Amtsmissbrauchs zu zehn Monaten bedingter Haft verurteilt worden. Der mittlerweile suspendierte Beamte erbat sich Bedenkzeit, das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Der Beamte hatte in den Jahren 2011 und 2012 im Bezirk Mödling versucht, an die DNA eines Mädchens zu gelangen, um zu überprüfen, ob es sich dabei um die leibliche Tochter von Natascha Kampusch handeln könnte. Mit diesen erhofften neuen Beweisen wollte der 63-jährige Angeklagte versuchen, weitere Ermittlungen in dem Fall ins Rollen zu bringen, und beweisen, dass dieses Kind ebenfalls von Mittätern von Wolfgang Priklopil sexuell missbraucht worden sei.

Der Polizist berief sich in seinem Verdacht auf den Kontakt mit dem pensionierten Präsidenten des Obersten Gerichtshofs (OGH), Johann Rzeszut, der Mitglied einer vom Innenministerium eingesetzten Evaluierungskommission, die behördliche Versäumnisse im Fall Kampusch überprüfen sollte, gewesen war und in Interviews an der Einzeltäter-Theorie gezweifelt hatte.

Senat schenkte Beamten keinen Glauben

Der Schöffensenat schenkte dem Polizisten keinen Glauben, dass dieser keinen Rechtsbruch in seinen Aktionen sah. Der Beamte hatte versucht, ohne gerichtlichen Auftrag in einer Volksschule an die DNA eines Mädchens zu gelangen. Die Richterin sah darin einen "grundrechtsintensiven Eingriff", bei dem Dritte geschädigt wurden.

"Was wir Ihnen nicht glauben ist, dass Sie wirklich davon ausgegangen sind, dass Sie das dürfen", bezweifelte die Richterin die Verteidigungslinie des mittlerweile suspendierten Beamten. Dieser hatte auch nach Abschluss des Beweisverfahrens beteuert, zum Zeitpunkt seiner Recherchen "felsenfest davon überzeugt" zu sein, nicht rechtswidrig zu handeln. Allerdings: "Mir war bewusst, dass ich mich dienstrechtlich in einer Grauzone bewege und teilweise auch drüber befinde." Von seinem anfänglichen vollen Geständnis, er habe sich als "kleiner Inspektor" einen Namen machen wollen, blieb am zweiten Prozesstag nur mehr ein reines Faktengeständnis.

Das nicht rechtskräftige Urteil von zehn Monaten bedingter Haft begründete die Richterin auch mit dem bisher tadellosen Lebenswandel des Angeklagten sowie dessen "wesentlichen Beitrag zur Wahrheitsfindung". Auch die gute Absicht, weiteres Licht in den Fall Kampusch zu bringen, nahm sie ihm ab. Der pensionierte Präsident des Obersten Gerichtshofs (OGH), Johann Rzeszut, sei immerhin "nicht irgendjemand von der Straße", hatte der Beamte argumentiert. Der Schuldspruch sei aber auch "generalpräventiv" zu sehen, um weitere Beamte von eigenmächtigen Ermittlungen in solch großen Fällen abzuhalten.

Diskutiert worden war in dem Verfahren auch, ob ein Polizist seinen eigenen räumlichen Zuständigkeitsbereich überschreiten darf oder nicht. Dies sei gang und gäbe, meinte der Angeklagte, obwohl Richtlinien dies eigentlich verhindern sollten. "Dienstrechtliche Vorschriften werden pausenlos übertreten und überbogen", argumentierte auch der Verteidiger des Mannes. Strafrechtlich Relevantes sah er hingegen nicht: "Wenn jeder Polizeibeamter nur mit Auftrag ermitteln würde, dann bräuchten wir 20 Prozent der Staatsanwälte", meinte er in Richtung Chefanklägerin.

Konkret schuldig gesprochen wurde der Polizist aufgrund seiner Recherchen in einer Privatklinik sowie in einer Volksschule, wo sich die Direktorin - sie sagte am Montag ebenfalls als Zeugin aus - von Beginn an geweigert hatte, DNA-Proben des Mädchens zu besorgen. Nicht nachweisen konnte man dem Angeklagten den Versuch, einen niederösterreichischen Kollegen dazu zu bewegen, ebenfalls in der Sache tätig zu werden.

Auch in zwei weiteren Anklagepunkten, die nichts mit dem Fall Kampusch zu tun hatten, wurde der Beamte freigesprochen.

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