"Es geht mir nicht darum, das Auto zu verbannen"

Mit ihrer Kaffeehaustour, Hausbesuchen und Gesprächen direkt auf der Mariahilfer Straße versucht Maria Vassilakou die Skeptiker für einen Umbau zu gewinnen.
Wiens Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou über Hausbesuche, Umbaukosten und Konsequenzen bei negativer Abstimmung.

Zum Interview hat Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne) eine alte Ausgabe des KURIER von 1982 mitgebracht. "Mariahilfer Straße: Sperre schon in diesem Sommer?", titelte der KURIER damals. Auch 32 Jahre später ist die Aufregung um die Verkehrsberuhigung groß.

Frau Vassilakou, mit wie vielen Wienern haben Sie seit Beginn Ihrer Kampagne gesprochen?

Maria Vassilakou: Sicher mit mehreren Hundert. Ob auf der Mariahilfer Straße, bei den Hausbesuchen oder in den Kaffeehäusern.

Wie viele Ihrer Gesprächspartner konnten Sie von der Fußgängerzone überzeugen?

"Es geht mir nicht darum, das Auto zu verbannen"
Maria Vassilakou, Vizebürgermeisterin und Stadträtin für Stadtentwicklung, im Interview zum Thema Mariahilfer Straße. Wien, 13.02.2014
Viele, vor allem bei der Kaffeehaustour. Natürlich gab es auch viel Kritik. Viele haben gesagt, dass sie dagegen stimmen werden. Dann haben wir Argumente ausgetauscht und sie sind weggegangen mit der Absicht, dafür zu stimmen. Meine Erkenntnis ist, dass die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung eine Fußgängerzone wünscht – aber mit Querungen. Das Wichtigste ist: Wer eine Fußgängerzone will, soll auch abstimmen und dafür stimmen. Das ist eine Chance für Wien.

Dennoch gibt es auch viel Kritik. Warum sind Ihre Gegner gar so unversöhnlich?

Für viele ist das Auto untrennbar mit Freiheit verbunden. Da gibt es ganze Generationen, die als Kind davon geträumt haben, ein eigenes Auto zu besitzen. Viele Gegner haben den Eindruck, dass man ihnen das Autofahren verbieten will. Es geht mir aber nicht darum, das Auto zu verbannen, sondern die Abhängigkeit zu reduzieren.

Auch die Kaufleute sind ver­ärgert. War es klug, sie nicht zu befragen?

Es gab viele Runden, bei denen die Kaufleute dabei waren und auch ihre Bedenken eingebracht haben. Die Wirtschaftskammer erreichte etwa längere Lieferzeiten und dass Taxis während der Lieferzeiten in der Fußgängerzone fahren dürfen.

Bei einigen Geschäften kam es zu Umsatzrückgängen.

Das bedaure ich sehr, bei anderen gab es aber auch Steigerungen. Mein Wunsch war und ist es, dass es Querungen gibt und auch die Möglichkeit, kurz zu parken, um Einkäufe oder Koffer ein- und ausladen zu können.

Die ÖVP hat die Kaufleute befragt und wird das Ergebnis am Montag veröffentlichen. Beeinflusst das die Abstimmung?

Jede Stimme, die laut wird, hat auch Einfluss. Erfreulich ist, dass sich abseits von allem Hickhack sowohl Wirtschaftskammer als auch ÖVP ja für die Fußgängerzone aussprechen.

Geht es noch um die Mariahilfer Straße oder ist es ein Zwischenwahlkampf geworden?

Wien ist das einzige Bundesland, in dem die ÖVP nicht in der Regierung sitzt. Und damit hat der Wahlkampf für die Wiener ÖVP am Tag der Angelobung der rot-grünen Regierung begonnen und wird bis zur nächsten Wahl geführt. Es wird also weiter schwer, Sachpolitik zu machen.

Viel Kritik gibt es für die Kosten der Umgestaltung. Die FPÖ sieht eine Geldverschwendung.

Die Stadt gibt 20 Millionen Euro für die Gürtelbrücke aus, 40 Millionen für die Sanierung des Kaisermühlentunnels und 70 Millionen für die Anschlussstelle der A23. Und da sollen 25 Millionen inklusive Beleuchtung und W-LAN für die Mariahilfer Straße eine Verschwendung sein? Vor dem Hintergrund der zig Milliarden, die wir Steuerzahler in das schwarze Loch der Hypo stecken müssen, das von Herren, die der FPÖ angehört haben, verursacht wurde, sollte die FPÖ ganz kleinlaut sein.

Hätte man nicht dennoch die Bürger vor einem Umbau befragen sollen?

Wir sind in regem Austausch mit anderen europäischen Städten. Die Erfahrung, die alle machen, ist: Wenn du vorab befragst, bekommst du nur einen guten Überblick über die Ängste, da sich viele nur schwer vorstellen können, wie es wird. Es ist besser, eine Testphase einzurichten.

Die Testphase zeigt, dass vieles nicht funktioniert. Braucht die Verkehrsorganisation in den Bezirken Verbesserung?

Das ist untrennbar mit den Querungen verbunden. Unmittelbar nach Ende der Befragung werden daher Verkehrsexperten unter Einbindung der Wirtschaft entscheiden, welche Querungen die vernünftigsten sind.

Ein Aufreger ist weiter das Radfahren in der Fußgängerzone.

Ich meine nach wie vor, dass langsames, vorsichtiges Radfahren in einer Fußgängerzone gut funktioniert. Schlussendlich entscheidet die Bevölkerung und es ist vielleicht auch das Beste.

Die Entscheidung ist keine amtliche Volksbefragung. Die FPÖ kritisiert, dass der Manipulation Tür und Tor geöffnet sind.

Absurd. Das sind fälschungssichere Fragebögen, die durch den Magistrat ausgezählt werden. Der Modus ist festgelegt, und weicht in keinster Art und Weise von anderen Bezirksbefragungen ab. Jede Unterstellung in dem Bereich ist skandalös.

Angenommen die Befragung geht negativ aus, haben dann die Grünen geirrt oder das Volk?

"Es geht mir nicht darum, das Auto zu verbannen"
Ich würde sagen, weder noch. Wenn die Politik handelt und Veränderungen in Angriff nimmt, handelt sie goldrichtig. Denn dazu ist sie da. Wenn die Bevölkerung unter Umständen entscheidet, dass sie die Veränderung nicht so haben wollen, dann handelt sie auch richtig. Direkte Demokratie delegiert ja die Letztentscheidung an die Bürger. Und zwar an jeden einzelnen. Das ist das Schöne, aber auch das Schwierige an der direkten Demokratie.

Treten Sie zurück, wenn die Abstimmung negativ ausgeht?

Nein, denn so ist es in der Politik: You win some, you lose some. Es gibt in der Stadt noch eine Vielzahl von Projekten, die noch angegangen werden müssen. Etwa die Sanierung der Meidlinger Hauptstraße, die Neugestaltung des Südtiroler Platzes oder den Schwedenplatz, falls Frau Stenzel sich endlich entscheiden kann, was sie will.

Befragung

Ab Montag wird über die Neugestaltung der Mariahilfer Straße abgestimmt. 49.000 werden anonym befragt. Die Fragebögen werden per Post zugestellt.

Voraussetzung

Die stimmberechtigten Bürger müssen im 6. oder 7. Wiener Gemeindebezirk hauptgemeldet sein und bis 7. März das 16. Lebensjahr vollendet haben.

Möglichkeiten

A – Für die Verkehrsberuhigung, Zusätzlich kann man für oder gegen Querungen für den Autoverkehr stimmen und das Radfahren erlaubt werden soll.

B – Gegen die Verkehrsberuhigung.

Abgabe

Bis 7. März, 10 Uhr, müssen die Fragebögen abgegeben werden. Per Post, persönlich in den Amtshäusern oder bei den Postkästen der bis dahin aufgebauten Infotürme.

Ergebnis

Das Ergebnis der Befragung ist rechtlich nicht bindend. Rot und Grün versichern allerdings, das Ergebnis umzusetzen. Stimmt die Mehrheit dafür, beginnen im April 2014 die Bauarbeiten.

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