"Es darf nur nicht zu glatt sein"

Im Anzengruber ein Buch lesen, dessen Handlung im Freihausviertel spielt: Mit dem Buch „Aufstand“ ist Katharina Stemberger durch und durch wienerisch
Gemütlich, weil es schmuddelig ist – deshalb ist Schauspielerin Katharina Stemberger oft zu Gast.

In das Grätzel ist sie ja eigentlich zufällig gekommen. Vor 17 Jahren, als ihr Ehemann noch nicht ihr Ehemann war und dort wohnte. Heute möchte Schauspielerin Katharina Stemberger aus dem Freihausviertel nicht mehr weg (außer vielleicht für ein paar Tage nach London). Und wenn sie einmal raus aus den eigenen vier Wänden will, aber sich trotzdem wie daheim fühlen möchte, dann geht sie ins Café Anzengruber. Mit Thonet-Sesseln, Marmortisch und gutem Kaffee – alles eben, was ein Wiener Kaffeehaus braucht.

Ein richtiges Café ist das gemütlich-ranzige Lokal in der Schleifmühlgasse ja nicht. Seit der Neuübernahme des Lokals nach dem Krieg 1949 entwickelte sich das Anzengruber zusehends zu einem Abend- und Nachtlokal. Deswegen sperrt Chefin Ankica Saric seit einiger Zeit erst um 16 Uhr auf.

Jubiläum

"Es darf nur nicht zu glatt sein"
Treffpunkt Wien Serie, Katharina Stemberger im Cafe Anzengruber im Freihausviertel in Wien am 13.10.2014
Als der KURIER Schauspielerin Stemberger im Anzengruber trifft, hat Lokalbesitzerin Saric gerade ein Jubiläum zu feiern: Seit 40 Jahren besitzt sie das Kaffeehaus. Unglaublich, muss sie zugeben. Vor allem, weil die gebürtige Kroatin vor vielen Jahren eigentlich nur "rauf nach Österreich" gekommen war, um ihren Vater heim nach Split zu holen.

Dass sie so lange in Wien bleiben und dann das Lokal sogar übernehmen würde, hätte sie sich nie gedacht. Aber mittlerweile laufen nicht nur ihre Kinder, sondern auch ihre Enkelkinder durchs Lokal. Die Kinder laufen weniger, nehmen dafür manierlich die Bestellungen auf.

Apropos Essen. Wenn Katharina Stemberger Hunger hat, isst sie gerne Extrawurst mit Öl und Zwiebel (die gibt es um 6,50 Euro). Wenn man schon in so einem Alt-Wiener Lokal ist, dann gehört das passende Essen dazu.

Aber eigentlich kommt Stemberger nicht so sehr zum Essen als zum Entspannen – bei einem Kaffee oder einem Buch. Einen Roman, den Stemberger besonders gern im Anzengruber gelesen hat, weil sich die Handlung unter anderem im Freihausviertel abspielt, ist der "Aufstand". Geschrieben von ihrem Mann, dem Tatort-Regisseur und Drehbuchautor Fabian Eder. Das Buch erzählt die Geschichte einer jungen Buchhändlerin, die ungewollt eine Rebellion anzettelt.

Revoluzzerin

Diese Protagonistin würde Stemberger sehr gerne in einer Verfilmung spielen (so es eine geben wird). Zu Revoluzzern habe sie sich immer schon hingezogen gefühlt. Ihre Einstellung: "Es darf nur nicht zu glatt sein." Je kantiger ein Mensch, je unkonventioneller eine Gegend, desto besser.

"Es darf nur nicht zu glatt sein"
Orte, wie London. Eine Stadt, die Stemberger seit einem Besuch als Elfjährige ins Herz geschlossen hat. Diese Leidenschaft ist jedenfalls mit ein Grund dafür, dass sie immer wieder im Vienna’s English Theatre auftritt. Weil England einfach einzigartig ist. Letztens fuhr sie vom Flughafen Heathrow mit der Piccadilly Line in die Stadt hinein. Und war fasziniert, wie man sich umgeben von so vielen Fremdsprachen doch so zu Hause fühlen konnte. Obwohl, wirft Stemberger ein, so geht es ihr auch in der Schleifmühlgasse, wo sich englische, italienische oder sudanesische Lokale aneinanderreihen. Ein Ur-Wiener Grätzel mit ein bisschen London-Flair.

Street Art Ende Juni wurde das Freihausviertel um ein Street-Art-Kunstwerk reicher. Im Zuge des 17. Freihausviertelfests gestaltete die Incoperable Gallery und Vienna Electric Tattoo einen Rollladen in der Mühlgasse.

Schmuck Around The Clock Zwischen 5. und 8. November können Fashionistas in einigen Geschäften im Freihausviertel bei der Veranstaltung "Schmuck Around The Clock" schmucke Schnäppchen jagen.

Freihausviertelfest Das jährliche Highlight des Grätzels ist das Freihausviertelfest, das immer Ende Juni stattfindet. Kommendes Jahr wird es bereits zum 18. Mal abgehalten.

Wenn von Kaffeehäusern in der Schleifmühlgasse die Rede ist, dann darf neben dem Anzengruber natürlich das "Amacord" (Rechte Wienzeile 15) nicht fehlen. Gleich neben dem Naschmarkt, aber trotzdem von Touristen (noch) nicht überrannt, wird das Lokal gerne von Künstlern heimgesucht.

Aber in der Schleifmühlgasse gibt es nicht nur typisch wienerische Spezialitäten, sondern auch italienische, wie etwa im "Da Gino & Maria" (Schleifmühlgasse 21) oder im "Otto e mezzo" (Schleifmühlgasse 20) – benannt nach Fellinis italienischer Komödie. Oder afrikanische Spezialitäten im "Crossover" (Schleifmühlgasse 16). Jedenfalls nicht nur bei Studenten beliebt ist das englisch-irische "Johnnys Pub" (Schleifmühlgasse 11). Ein uriges Lokal mit dunkler Holzvertäfelung und Pub Quiz immer am Dienstag. Für alle, die sich englische Spezialitäten nicht nur im Lokal gönnen wollen, gibt es ein paar Türen weiter den britischen und amerikanischen Lebensmittelladen "Bobbys Foodstore" (Schleifmühlgasse 8). Das Angebot reicht von Bulmers Cider bis PG tips Tea oder Tiptree Marmelade. Kochfreudige (anglophil oder nicht) sollten dann auch noch einen Abstecher zu "Babette’s" (Mühlgasse 9) machen.

Weg vom Kulinarischen hin zur Mode: Ob Charleston-Kleid, Fifties-Overall oder Disco-Outfits aus den 70ern: Vintagefans kommen am "Flo" (Schleifmühlgasse 15) nicht vorbei. Seit 36 Jahren bietet Ingrid Raab alte Mode-Schätze von 1880 bis 1980 und hat mit ihrem Modegespür schon Stil-Ikonen wie Marc Jacobs oder Karl Lagerfeld in die Schleifmühlgasse gelockt.

Tatort-Schauen

Dabei besteht das Freihausviertel natürlich nicht nur aus der Schleifmühlgasse. Empfehlenswert ist jedenfalls das Schikaneder-Kino – Sonntagabend vor allem für Tatort-Fans. Im Fernsehen wird vielleicht noch viel gestorben, aber der "leise Tod des Freihausviertels", von dem vor 16 Jahren die Rede war, der ist derzeit Geschichte.

Das jährliche Viertelfest, das immer Ende Juni und kommendes Jahr bereits zum 18. Mal stattfindet, hat sicherlich seinen Teil dazu beigetragen, das Grätzel in Wien bekannter und beliebter zu machen. Karl Raab, Obmann der Freihausviertler Kaufleute, plant bereits den nächsten Coup: Die Schleifmühlgasse soll eine grünere "Wohlfühlzone" werden.

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