Erdogan-Rede: Polizei-Großaufgebot steht bereit

Erdogan-Fans in Köln
Der türkische Premier Erdogan kommt am Donnerstag nach Wien. Die Grünen sorgen sich um die Sicherheit.

7169 Zuschauer in der Albert-Schultz-Eishalle, bis zu 10.000 beim Public Viewing davor – sämtliche Gegendemonstrationen noch nicht mitgezählt: der Wien-Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan am Donnerstag wird für die Exekutive zu einer immensen Herausforderung.

Am Montagnachmittag wurde die Veranstaltung der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD), die Erdogan offiziell anlässlich ihres zehnjährigen Bestehens nach Wien eingeladen hatte, von den Behörden genehmigt. Nun kann die Polizei die Sicherheitsbewertung und die Strategie für den Einsatz in Angriff nehmen. Laut Wiener Magistratsdirektion muss aber auch der Veranstalter einen Beitrag leisten und 100 Ordner stellen. Zudem müssen 14 Eingangsschleusen eingerichtet werden. Genehmigt ist das Event von 12.00 bis 17.00 Uhr. Um 14.00 Uhr beginnt das Programm.

Auswirkungen auf Öffis

Erdogans Besuch in der Schulz-Halle wird laut Wiener Linien auch Auswirkungen auf die öffentlichen Verkehrsmittel haben. Demnach werden die Linien 22A, 26A, 27A, 93A und 94A von etwa 10.30 Uhr bis voraussichtlich 20.00 Uhr kurz- bzw. abgelenkt geführt. Die Linie 25 kann nur bis etwa 10.00 Uhr fahren. Auf sicherheitspolizeiliche Anordnung wird bei der U-Bahn-Linie U1 die Station Kagran ab etwa 13.00 Uhr durchfahren. Die Wiener Linien empfehlen Besuchern der Veranstaltung, rechtzeitig mit der U1 anzureisen und für Hin- und Rückfahrt etwas mehr Zeit einzuplanen.

"Wir möchten eine Veranstaltung ohne Hetzkampagnen. Weil nachher müssen wir alle wieder miteinander leben", erklärte UETD-Vorsitzender Abdurrahman Karayazili im Vorfeld. "Wir sind keine Gefahr", betont er.

Bunt gemischte Gegner

Allerdings bestehen keine Zweifel daran, dass es Proteste gegen Erdogan geben wird. Bei der Polizei waren am Montag zwar noch keine Demos angemeldet, doch auf Facebook rufen mehrere Initiativen zu Kundgebungen auf.

Und die sind bunt gemischt: Türkische Organisationen wollen etwa auf dem Columbusplatz, auf dem Opernring oder in der Venediger Au protestieren; das linke "Demokratische Bündnis gegen Erdogan" versammelt sich auf dem Praterstern und die rechte Bewegung "Die Nationale Österreich" auf dem Heldenplatz. Der "Verein zur Förderung des Gedankenguts Atatürks in Österreich" kündigte dagegen eine Gegen-Demo mit mehr als 1000 Teilnehmern in der Nähe des Veranstaltungsorts an.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner: "Wir stellen uns darauf ein. Neben einem Groß-Aufgebot von Uniformierten werden auch der Verfassungsschutz, die Terrorismusbekämpfung und die Cobra-Einheit vor Ort sein." Wie viele Kripobeamte sich unter die türkische Community mischen werden, wurde nicht bekannt gegeben.

Ob es bei der Kundgebung zu Ausschreitungen kommen wird, machte Mikl-Leitner von Erdogan abhängig: "Es hängt vom Auftreten des Premierministers ab. Die Aufforderung von Außenminister Kurz, sensibel vorzugehen, ist der richtige Weg. Falsche Worte können schnell vieles kaputt machen."

Dass die eher kleine Albert-Schultz-Halle nicht die ideale Auswahl für die populistische Erdogan-Kundgebung ist, bestätigte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner indirekt: "Wir können uns den Veranstaltungsort nicht aussuchen."

Sorge um Ordnung und Sicherheit macht man sich auch bei den Grünen. Erdogan habe vor, "seinen geplanten privaten Aufenthalt in Österreich gezielt zur politischen Verhetzung von hier leben türkischen Staatsbürgern zu nützen", meint etwa Peter Pilz angesichts einer Rede, die Erdogan kürzlich vor Anhängern in Köln gehalten hatte. In einer parlamentarischen Anfrage fordert er Außenminister Sebastian Kurz zur Stellungnahme auf.

Sorgen der Anrainer

Unterdessen bereiten sich die Anrainer rund um die Eishalle auf das Groß-Event vor. Während Kebap-Standler das Geschäft des Jahres wittern, sind andere besorgt, wenn nicht sogar wütend. "Der türkische Premierminister soll samt seinen Parolen zu Hause bleiben, wo er hingehört", sagt eine Trafikantin, die namentlich nicht genannt werden will.

Blumenhändlerin Susanne Kuppelwieser befürchtet wiederum, dass ihr Geschäft bei möglichen Ausschreitungen in Mitleidenschaft gezogen werden könnte. Sie will noch mit der Polizei beraten, ob sie es am Donnerstag lieber geschlossen lassen soll – "bevor noch meine Blumentöpfe durch die Gegend fliegen. Ich habe nichts gegen Türken, einige sind enge Freunde von mir", sagt sie. "Aber dass hier ein solcher Zirkus veranstaltet wird, ist für mich unverständlich."

Erdogan-Rede: Polizei-Großaufgebot steht bereit
Erdogan, Albert-Schulz-Halle, Ken Chung
Ken Chung, Nudelverkäufer: „Erdogans Auftritt in der Eishalle stört mich überhaupt nicht. Angst vor Ausschreitungen habe ich keine. Deshalb werden wir unser Geschäft auch offen lassen. Wir haben viele türkische Kunden. Sie sind wie unsere Brüder.“
Erdogan-Rede: Polizei-Großaufgebot steht bereit
Erdogan, Albert-Schulz-Halle, Susanne Kuppelwieser
Susanne Kuppelwieser, Blumenhändlerin: „Sonn- und feiertags haben wir immer das meiste Geschäft. Aber ich überlege, ob ich am Donnerstag unseren Laden zusperre. Ich habe Angst, dass es zu Randalen kommt und unser Geschäft beschädigt wird.“
Erdogan-Rede: Polizei-Großaufgebot steht bereit
Erdogan, Albert-Schulz-Halle, Ergül Akmaz
Ergül Akmaz, Kebapstandler:„Wegen der Kundgebung erhoffe ich mir ein besseres Geschäft. Immerhin werden ja bis zu 40.000 Menschen erwartet. Ich glaube nicht, dass es zu Ausschreitungen kommen wird. Da vertraue ich auf die österreichische Polizei.“

Die gewalttätigen Demonstrationen der vergangenen Monate in Wien sorgen jetzt für Reaktionen seitens des Innenministeriums: Wiens Polizei wird in absehbarer Zeit mit sogenannten Body-Kameras ausgerüstet. „Es gibt hier bereits einen Auftrag an die Generaldirektion“, bestätigt VP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner.

Den Grund für diese technische Aufrüstung erklärt Mikl-Leitner folgend: „Die Polizei wird zwischen den Gruppen zum Prellbock und im Nachhinein reflexartig zum Täter gemacht.“ Parallel dazu erteilt die Ministerin dem Vorschlag, Polizisten mit Nummerntafeln zu kennzeichnen, eine klare Absage: „Das führt zur Vernaderung der Beamten. Ich bin nicht bereit unsere Polizisten kennzeichnen zu lassen.“

Weniger Demos?

Erdogan-Rede: Polizei-Großaufgebot steht bereit
epa03595001 Hong Kong police officers demonstrate body-worn video cameras (BWVC) at a press conference to announce the trial of the new cameras by the Hong Kong police, Hong Kong, China, 22 February 2013. The trial of the body-worn video cameras will start on 11 March 2013 and will last six months. The police units that will participate in the trials are the Police Emergency Units of New Territories North and Kowloon West, and the Police Tactical Unit of Hong Kong Island. EPA/ALEX HOFFORD
Die Demos der vergangenen Wochen rief aber auch die Stadt-VP auf den Plan. Landesparteiobmann Manfred Juraczka kritisierte dabei offen die linken Demonstranten: „Sie sollten sich endlich Gedanken darüber machen, wie sie sich von den Gewalttätern in ihren Reihen distanzieren.“ Der VP-Politiker griff aber auch Bürgermeister Michael Häupl an: „Nach den Ausschreitungen beim Akademikerball kritisierte Häupl Polizeipräsidenten Pürstl. Man sollte sich eher überlegen, wie viele Demos in der Stadt zugelassen werden. 240 Demos pro Jahr, das ist ein schwer zu ertragender Zustand.“

Bei dem VP-Gespräch zur Sicherheit in Wien unterstrich Mikl-Leitner wiederum, dass bis Ende 2015 zusätzliche 1000 Beamte in der Stadt Dienst versehen werden. Aktuell sind es 7400.

Parallel zur personellen Aufrüstung der Uniformierten bekommt Wien weitere „Top-Teams“. Das sind Einheiten, die mit Spurensuche sowie Beweissicherung zu tun haben. Aktuell arbeiten 20 dieser Teams in der Stadt.

Innenministerin Mikl-Leitner sprach auch ein – zwischen ihr und Infrastrukturministerin Doris Bures (SP) – heiß diskutiertes Thema an: Mitarbeiter von Post, Telekom und ÖBB, die keine Aufgaben mehr in ihren Konzernen vorfinden, sollen in der Polizeiverwaltung angesiedelt werden. Bures’ Konter vergangene Woche dazu: „Diese Arbeitnehmer haben aber alle einen Job.“

Erdogan in Wien – ein Besuch, der polarisiert. Bei Armin Wolf im ORF-Studio diskutierten dazu am Montagabend UETD-Vorsitzender Abdurrahman Karayazili sowie Grünen-Bundesrat Efgani Dönmez – auf der einen Seite jener Mann, der Erdogan eingeladen hat; auf der anderen Seite ein heftiger Kritiker.

Die Frage, wieso Erdogan nicht zu einem Staatsbesuch wie andere ausländische Regierungschefs komme, beantwortete Karayazili schlicht damit, dass sein Verein ihn eingeladen habe – Dönmez vermutet dahinter wie viele andere, dass so die „türkische Innenpolitik nach Österreich getragen wird.“ Das Antreten des Premiers bei der Präsidentschaftswahl im Sommer sei schließlich noch nicht fix, so Karayazili; auch dass der türkische Premier gerade in Köln war und nach Lyon weiterfliegen wird, um dort möglicherweise um Stimmen unter die erstmals wahlberechtigten Auslandstürken zu werben, sieht der UETD-Vorsitzende nicht kritisch.

Dönmez bekrittelte hingegen, dass Erdogan sich nicht so verhalten könne, „als ob die Türkei sein eigener Garten wäre“ – Reden wie jene, die er in Köln gehalten habe, würden nichts zu einer entspannten Stimmung beitragen. Die Redefreiheit sei ihm aber natürlich garantiert.

Onewayticket-Sager

Dönmez, damit konfrontiert, dass er Erdogan unterstützende Austrotürken im vergangenen Jahr „per Onewayticket“ in die Türkei schicken habe wollen, meinte dazu nur, „dies war überspitzt formuliert“- in Österreich hätten jedoch Islamismus- Sichtweisen nichts zu suchen. Karayazili wies daraufhin, dass Parteien wie die FP generell ein Klima der Angst erzeugen würden; dies solle unterbunden werden – auch in Zusammenarbeit mit Politikern wie Erdogan.

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