"Er wollte meine kleine Schwester mit in den Tod nehmen"

(Archivbild)
Terrorprozess: Mutmaßlicher Al-Kaida-Kämpfer und junge Freundin wollten nach Syrien. Beide verurteilt.

Die 15-jährige Tochter eines vor 30 Jahren nach Österreich ausgewanderten Türken brach 2014 eines Tages die Schule ab und lief von zu Hause weg. Mit Religion hatte die Vermisste bis dahin nichts am Hut, und ihr Kleidungsstil war westlich. Als sie daheim wieder auftauchte, hatte sie einen Tschador an, der nur Teile ihres Gesichts frei ließ, und war nach islamischen Recht mit einem 25-jährigen gebürtigen Georgier verheiratet, der sie alle Ungläubige nannte.

Die ältere Schwester des Mädchens prophezeite: „Als nächstes wird er mit ihr abpaschen wollen“, und damit lag die 22-Jährige nicht falsch. Das Paar wurde im April 2015 festgenommen, als es laut Anklage über Istanbul nach Syrien reisen wollte, um sich im Dschihad („Heiliger Krieg“) der Al-Nusra-Front anzuschließen. Seither sitzt Giorgi G. in U-Haft. Seiner inzwischen 17-jährigen Freundin blieb diese erspart, sie lebt in einer betreuten Wohngruppe. Aber die „Schwiegereltern“ sollen schon die Hände nach ihr ausgestreckt haben.


„Batzen Lösegeld“

Beim Terrorprozess im Wiener Landesgericht schilderte die Schwester der Angeklagten, wie Giorgi G. in ihr Leben gekommen war. Er habe mit seinem langen Bart und seiner Kampfkluft schon so ausgeschaut „wie ein Terrorist, wie ein Kämpfer.“ Dann habe man erfahren, dass er zwei Jahre in Afghanistan für die Al-Kaida gegen gekämpft habe. Er sei im Gefängnis gesessen. Sein Vater habe „einen Batzen Lösegeld“ gezahlt, dann sei er freigelassen und ausgewiesen worden. Als ihre Familie das alles erfuhr, sei sie „ausgezuckt“, berichtet die Zeugin: „Meine Eltern waren fix und fertig.“

Für die 22-Jährige war „eine Grenze überschritten“, als der in Österreich aufgewachsene Giorgi G. Pläne äußerte, mit seiner Freundin nach Syrien auswandern zu wollen; sie würden dort schon erwartet. „Der Typ ist gefährlich. Er hat es geschafft, aus meiner kleinen Schwester binnen einiger Monate einen anderen Menschen zu machen. Sie hat nur blöd mitgemacht, ohne Wissen. Und dann wollte er sie mit in den Tod nehmen.“

Auch der Vater habe Angst um seine jüngere Tochter gehabt. Er hatte gehört, dass in Syrien junge Mädchen als lebende Bombe missbraucht werden.

Die 22-jährige Schwester ging zur Polizei, dort habe man ihr jedoch erklärt, man könne gar nichts machen. Ihre Chefin recherchierte, dass man sich an den Staatsschutz wenden müsse, was die Familie dann auch machte. Am Tag der Ausreise des Paares in die Türkei schlugen sie Alarm.

„Normal“ geworden

Im Herbst vergangenen Jahres sei die kleine Schwester wieder „normal“ geworden, erzählt die Zeugin: Sie habe die Schule fortsetzen wollen, die Verschleierung abgelegt, kurze Röcke eingekauft. Doch die Rückverwandlung sei nur von kurzer Dauer gewesen. Die Eltern von Giorgi G. hätten die junge Frau wieder unter ihre Fittiche genommen, jetzt ist sie wieder verhüllt.

Die 17-Jährige himmelt ihren Freund auf der Anklagebank an. Er selbst leugnet, sich dem IS-Terror angeschlossen zu haben. Die Familie seiner Frau habe die Geschichte erfunden, um sie auseinander zu bringen. "Wir wollen wieder zusammen sein", sagte er im Schlusswort unter Tränen.

Der Senat glaubte ihm nicht: 22 Monate Haft für ihn, 14 Monate bedingt für sie, beides nicht rechtskräftig.

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