Eine Stadt ohne Auto-Einpendler

Symbolbild
Die neuen (provokanten) Thesen und Visionen der Wiener SPÖ zur Mobilität der Zukunft.

Die Wiener SPÖ will die Mobilität in der Stadt revolutionieren. "Wir halten uns nicht mit Kleinigkeiten wie Flaniermeilen auf, sondern kümmern uns um die großen Brocken", sagt Klubchef Rudi Schicker, der federführend am roten Mobilitätskonzept mitgearbeitet hat. Darin haben die Roten zehn Thesen formuliert, die am Montag bei einer Fachkonferenz vorgestellt werden. Dem KURIER liegt das Papier vor. "Der große Unterschied zu den Grünen: Wir verteufeln den motorisierten Individualverkehr nicht", sagt Schicker. Autofahrer müssen sich dennoch warm anziehen.

Pendler sollen nur noch mit Öffis nach Wien kommen Eine Kampfansage an NÖ und das Burgenland. Auch wenn das derzeit von den Kapazitäten der Öffis gar nicht ginge. "Klar ist das ein langfristiges Ziel aber man muss Tag für Tag daran arbeiten", sagt Schicker. Neben neuen Strecken brauche es auch mehr Komfort, um die Leute zum Umstieg zu bewegen.

Durchzugsverkehr wird aus Wien verbannt Mit dem Bau der Außenringautobahn soll der Durchzugsverkehr aus der Stadt verbannt werden. Die Südosttangente soll nur noch für den Regionalverkehr offen sein, eine Fahrspur soll für Einsatzfahrzeuge und den öffentlichen Verkehr reserviert werden.

Wien will die erste Stadt ohne Verkehrstote werden Der Alkomat im Fahrzeug verhindert, dass betrunkene Fahrer ein Auto in Betrieb nehmen können. Eine Fahrradprüfung vor dem zehnten Lebensjahr soll Pflicht werden, schon im Kindergarten soll es Verkehrserziehung geben.

Busse und Lieferfahrzeuge fahren nur noch elektrisch Die Technik wird bald so ausgereift sein, dass der Betrieb der E-Busse leistbar ist. Auch der Lieferverkehr in der Stadt soll weitgehend auf E-Transporter umgestellt werden, Taxis fahren elektrisch.

Jeder Wiener bekommt eine Mobilitätscard Diese Karte soll Führerschein und Jahreskarte ersetzen. Finanziert wird sie durch einen Mobilitätsbeitrag, der vom Gehalt abgezogen wird, ähnlich der eCard. Mit der Mobilitätscard können dann auch Fahrräder oder Carsharing-Autos ausgeborgt werden. Gefunden werden diese via Handy-Apps.

Garagen für alle Die SPÖ will mehr Platz auf den Straßen für Fußgänger und Radler und Öffis. Garagen – auch private – sollen daher schrittweise für alle Autos, geöffnet werden. "Parkplätze an der Oberfläche gehören grundsätzlich der Vergangenheit an", steht im Thesenpapier der SPÖ. Die Abrechnung erfolgt über die Mobilitätscard, das Finden freier Garagenplätze mit Handy-Apps.

Beifall und Kritik

Prinzipiell ein gutes Konzept, sagt Verkehrsexperte Harald Frey von der TU Wien: "Wenn aber das Ziel erreicht werden soll, den Autoverkehr in der Stadt bis 2030 auf 15 Prozent zu senken, muss man sofort anfangen." Konzepte wie eine Überland-Straßenbahn nach Schwechat oder Großenzersdorf lägen aber schon lange ungelesen in Schubladen.

Um Garagen attraktiv zu machen, müsse zudem das Parken im öffentlichen Raum viel teurer werden. "Derzeit ist dieser zehn Mal billiger als ein Garagenplatz", kritisiert Frey. Derzeit liege die Kompetenz bei der Parkordnung aber bei den Bezirken "Und die führen die Stadt an der Nase herum", sagt Frey.

Für Martin Hoffer, Verkehrsexperte des ÖAMTC, geht das Konzept an der Realität vorbei. "Wien ist kein kleines Dorf, sondern muss offen für alle sein", sagt Hoffer. Dass Pendler nur noch mit den Öffis nach Wien fahren, sei eine Utopie. Warum ein Privater seine Garage für alle öffnen sollte, leuchtet Hoffer auch nicht ein. Das Taxis künftig nur noch elektrisch unterwegs sind, könne gehen. "Es mag auch sein, das manche Lieferungen elektrisch gehen, alle jedoch sicher nicht", sagt Hoffer.

Eine Stadt ohne Auto-Einpendler

Will Rudi Schicker dem Grünen Christoph Chorherr den Rang als oberster Visionär der Stadt ablaufen? Es scheint fast so. Lange Zeit gaben die Grünen in der Koalition die Themen vor. Nicht nur im Verkehr. Zuletzt überraschten sie die Roten mit Forderungen zur Bildung und den Mieten.

Jetzt schießen die Roten zurück und reklamieren rot-grüne Erfolge für sich. Die 365-Euro-Jahreskarte sei deshalb ein Erfolg, weil die SPÖ das Projekt so gut organisiert und finanziell angeschoben habe, lässt Schicker ausrichten.

Das Signal ist klar. Die Sozialdemokraten brauchen die Grünen nicht, um moderne Verkehrspolitik zu machen. Ob die Visionen, vom Aussperren der Autopendler bis hin zum Alko-Lock in den Autos, bei der roten Kernklientel allzugut ankommen, ist aber fraglich.

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