Ein offener Brief und viel Polit-Kritik zum Heumarkt

Canaletto-Blick: So würde die viel zitierte Perspektive samt 55-Meter-Hotelblock aussehen. Aus Sicht von Gutachter Wehdorn wäre das okay.
Nach dem „Plan B“ sorgt jetzt der „Plan C“ für Debatten. Die Causa und die Aufregung darüber – ein Überblick

Tagtäglich sorgt der Heumarkt derzeit für neue Aufregung: Der geplante Neubau auf dem Areal wird von der Stadt erneut überarbeitet – das berichtete der KURIER gestern. Daraufhin hagelte es heute Kritik von Opposition, Initiativen und aus der Inneren Stadt.

Zentraler Punkt der Debatte ist (immer noch) die Höhe des Gebäudes, die den Welterbe-Status des Wiener Zentrums gefährdet. Vor einer Woche wurde bekannt, dass der „Plan B“ keinen Turm, aber einen 55 Meter hohen Hotelblock vorsieht. Wohl immer noch zu hoch – weshalb man nun an „Plan C“ arbeitet. Dieser baut auf „Plan B“ auf und dürfte ein niedrigeres Hotel beinhalten.

Der KURIER beantwortet wichtige Fragen zur mittlerweile sehr verworrenen Causa.

Wie oft wurde jetzt schon umgeplant?

Derzeit planen die Stadt und Investor Michael Tojner zum dritten Mal um. Der erste Plan stammt aus 2013 und sah einen 73 Meter hohen Wohnturm und ein 48-Meter-Hotel vor. Im Jahr 2016 schrumpfte der Turm auf 66 Meter.

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Der "Plan B": Kein Turm, dafür ein 55-Meter-Hotelblock. 

2019 kam mit dem „Plan B“ die Zäsur: Man strich den Turm, stockte aber das Hotel auf 55 Meter auf. Der „Plan C“, an dem jetzt gearbeitet wird, soll im Mai vorgestellt werden.

Warum braucht es jetzt einen „Plan C“?

Die UNESCO hatte stets gefordert, dass sich der Neubau an der Höhe des bestehenden Hotel Intercontinental orientiert. Weil das nicht geschah, setze sie Wien 2017 auf die rote Liste des gefährdeten Welterbes.

Auch der „Plan B“ erfüllt die UNESCO-Forderung nicht: Die Bestandshöhe ist – je nachdem, ob man die technischen Aufbauten des Hotels dazurechnet oder nicht – 43 oder 48 Meter, aber keinesfalls 55 Meter.

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Architektur-Professor Manfred Wehdorn. 

Allerdings: Ein Gutachten des Denkmalschutz-Experten Manfred Wehdorn hatte den „Plan B“ als welterbeverträglich eingestuft.

Wie kam Wehdorn zu diesem Schluss?

Im Wesentlichen hat Wehdorn (seines Zeichens übrigens heftiger Kritiker des Wohnturms) zwei Argumente. Das erste, wichtigere: Der „Plan B“ habe „positive Auswirkungen“ auf den sogenannten Canaletto-Blick. Damit gemeint ist der Blick vom Oberen Belevedere in die Innenstadt.

Der Maler Bernardo Bellotto, genannt Canaletto, hat die Perspektive im 18. Jahrhundert auf einem Ölgemälde festgehalten. Im Kern existiert diese Stadtansicht bis heute.

Kritiker des Heumarkt-Projekts sehen sie durch hohe Häuser im Allgemeinen und den einst geplanten Turm im Besonderen gefährdet. Für Wehdorn ist der Verzicht auf den Turm ausreichend, um den Blick zu retten.

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Die Skyline am Donaukanal. 

Sein zweites Argument: An der Grenze des Welterbe-Areals (es umfasst im Wesentlichen den 1. Bezirk und Teile des 3., 4. und 9. Bezirks) seien seit der Verleihung des Welterbe-Prädikats für das Wiener Zentrum mehrere Türme gebaut worden, die bis zu 90 Meter hoch sind – etwa am Donaukanal und rund um Wien-Mitte.

Die UNESCO habe diese Bauten schließlich auch akzeptiert, so Wehdorn.

Warum regt der „Plan C“ so auf?

Weil er auf dem „Plan B“ basiert und kein kompletter Neustart ist.

Der „Plan B“ sei eine „mit Grün behübschte Monstrosität und ein Affront gegenüber UNESCO und allen kulturell interessierten Wienern“, schreibt die Initiative Kunst- und Kulturschaffende gegen das Heumarkt-Projekt in einem offenen Brief.

Ihr gehören etwa der angesehene Architekt Christian Kühn oder die bekannte Landschaftsarchitektin Maria Auböck an. Eine „Nachjustierung“ sei zu wenig, sagen sie. Die Initiative fordert einen kompletten Neustart.

Ebenso die FPÖ: „Die Causa Heumarkt muss völlig neu aufgerollt werden, bis zur Stunde Null“, so Parteichef Dominik Nepp.

Harsche Kritik kommt auch von der ÖVP: Sie wirft der Stadt „Verantwortungslosigkeit“ vor.

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Planungssprecherin Elisabeth Olischar (ÖVP). 

Die Causa zeige die „offensichtliche Planlosigkeit der SPÖ“, in die sie sich „selbst hineinmanövriert“ habe, sagt die türkise Planungssprecherin Elisabeth Olischar. „Bleibt zu hoffen, dass die Stadt Wien nicht das ganze Alphabet ausnutzt, bis es endlich zu einer welterbetauglichen Lösung kommt.“

Was sagen eigentlich die betroffenen Bezirke?

Es sei schade, dass es einen „Plan C“ brauche, „bevor die Ernsthaftigkeit der Lage erkannt wurde“, sagt City-Chef Markus Figl (ÖVP). „Wien muss von der roten Liste kommen. Verspielen wir unser historisches Erbe nicht leichtsinnig.“

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City-Vorsteher Markus Figl (ÖVP). 

Im 3. Bezirk, wo sich das Heumarkt-Areal befindet, hat man keine Meinung: Man warte darauf, was die UNESCO sage, heißt es aus dem Büro von Bezirkschef Erich Hohenberger (SPÖ).

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