Drei Problembereiche trüben die Wiener Lebensqualität

Drei Problembereiche trüben die Wiener Lebensqualität
Wiener bemängeln Wohnungsmarkt, öffentliche Verkehrsmittel und Angebote für Kinder.

Seit Jahren wird man im Wiener Rathaus nicht müde, die berühmte Mercer-Studie zu zitieren: Demnach bietet die Bundeshauptstadt "weltweit die höchste Lebensqualität". Doch es gibt auch einige Problembereiche, wie eine neue Untersuchung zeigt, die von der Stadt in Kooperation mit der Uni Wien durchgeführt wurde: Immer mehr Wiener bemängeln die Wohnsituation, den öffentlichen Verkehr oder auch das Schulangebot für Kinder. Hier will der Bürgermeister investieren - vor allem über PPP-Modelle. Doch das birgt Gefahren.

Insgesamt wurden 8.400 Menschen befragt, 68 Prozent von ihnen leben "sehr gerne" in der Hauptstadt, 29 Prozent immerhin noch "gerne". "Das sind fantastische Ergebnisse, eine gewaltige Geschichte", freute sich Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) bei der Präsentation der Studie vor Journalisten. Im Vergleich zur letzten Befragung im Jahr 2008 habe man sich sogar noch um ein Prozent steigern können. Erhoben wurde aber nicht nur die Gesamtlebensqualität, auch die Zufriedenheit in einzelnen Aspekten wie Arbeitsmarkt, Freizeit- und Kulturangebot, Häufigkeit der sozialen Kontakte oder Gesundheitseinrichtungen wurde abgefragt.

Teure Wohnungen

Beinahe in allen Lebensbereichen seien die Ergebnisse gleich oder besser, berichtete Häupl. Probleme gebe es allerdings etwa am Wohnungsmarkt, wo nur noch 55 Prozent die Note sehr gut oder gut vergaben. 2008 waren es noch 67 Prozent. "Sicher ist es heute nicht mehr so einfach, eine Wohnung zu finden, die man sich leisten kann, wie vor zehn Jahren", gab der Bürgermeister zu. Diese Kapazitätsengpässe führt er vor allem auf die Bevölkerungsentwicklung zurück. "Das sind Herausforderungen in einer wachsenden Stadt", betonte er.

"Raunzen" über Öffis

Ähnliche Probleme gibt es in den Kategorien Schulangebot oder öffentlicher Verkehr, den immerhin 15 Prozent der Befragten als mittelmäßig zufrieden bis gar nicht zufrieden bewerteten. 2008 waren es nur zwölf Prozent Unzufriedene. Die Erklärung für diesen Rückgang? "Es ist wohl darauf zurückzuführen, dass einige Linien an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Aber man muss schon betonen, dass die Unzufriedenheit nur minimal gestiegen ist", sagt Häupls Sprecher Martin Ritzmaier auf Nachfrage des KURIER. Bei den Fahrgastzahlen sehe man einen eindeutigen positiven Trend - auch wenn die Bilanz der Wiener Linien im Vorjahr leicht negativ ausgefallen ist. Man werde nun Maßnahmen setzen, um die Öffis noch attraktiver zu machen, hieß es aus dem Rathaus. Vor allem die tangentialen Verbindungen im Süden sowie Norden und Nordosten sollen ausgebaut werden.

Drei Problembereiche trüben die Wiener Lebensqualität
Auf Grund dringender Baumaßnahmen in der Station Josefstädter Straße der U6 wird seit 18.7.2011 die Ersatzlinie E vom Westbahnhof bis Nussdorferstraße geführt.

Viel schlechter sieht es mit dem Autoverkehr in der Stadt aus. Gleich ein Dreiviertel aller Teilnehmer ist mit der Situation unglücklich. Auch die erstmals abgefragte Kinderfreundlichkeit der Stadt beurteilten nur 57 Prozent der Wiener positiv.

Im europäischen Vergleich steht Wien in einem Bericht der Europäischen Kommission zur Lebensqualität in Städten auf Platz neun, an der Spitze findet sich Zürich (Schweiz), dann folgen Reykjavik (Island) und Kopenhagen (Dänemark). Die letzten drei Plätze gehen ausschließlich an griechische Städte: Athen ist vor Athen-Umgebung und Heraklion das absolute Schlusslicht.

Investitionen

Um die Lebensqualität in Wien zu erhalten, plant Häupl nun Investitionen nicht nur in Öffis und sozialen Wohnbau, sondern auch in Schulen und Lehrer. Problematisch dabei ist allerdings die Finanzierung. "Wir müssen alle Kreativität aufbringen, um die Finanzierung solcher Investitionen zu gewährleisten", so der Stadtchef. Denn Wien darf derzeit aufgrund des derzeit geltenden Stabilitätspakts keine neuen Schulden machen. Deshalb plant Häupl vor allem PPP-Modelle, also sogenannte Public-Private-Partnerships, bei denen öffentliche Hand und private Institutionen wie Banken oder Bauunternehmen zusammenarbeiten.

"Das ist nicht meine Lieblingsvariante, weil sie teuer ist. Mit unserer guten Bonität würden wir weitaus günstigeres Geld bekommen", meinte der Bürgermeister. Deshalb möchte er wertschaffende Investitionen - wie etwa in Schulen - zukünftig aus dem Stabilitätspakt ausnehmen. Bis sich in dieser Hinsicht in der Europäischen Union jedoch etwas bewegt, blieben der Stadt für Großvorhaben wie etwa U-Bahnbau oder Spitalsreform kaum Alternativen zu PPP-Modellen. Häupl dazu: "Die Banken freuen sich auf uns."

ÖVP-Landesparteichef Manfred Juraczka reagiert mit Kritik auf die neue Studie: "Das Eingeständnis der SPÖ Wien, dass es in den Bereichen Wohnen, Öffis oder Kinderfreundlichkeit Defizite gibt, kommt ziemlich spät, die Schlussfolgerungen sind vor allem definitiv die falschen. Mehr Schulden anzuhäufen hat noch keinen Wirtschaftsstandort attraktiver gemacht", hieß es in einer Aussendung.

Link zur Studie

Auch wenn immer mehr Wiener über die Öffis jammern: In den vergangenen drei Jahren sind viele Autofahrer in der Bundeshauptstadt auf U-Bahn, Bus oder Bim umgestiegen. Laut einer Umfrage der VAV-Versicherung unter 1000 Österreichern ab 14 Jahren fahren 38 Prozent der Wiener Autofahrer häufiger mit öffentlichen Verkehrsmitteln als noch vor drei Jahren. Ursachen dafür könnten das 365-Euro-Jahresticket sowie das immer schlechter werdende Image von Autofahrern in der Öffentlichkeit sein.

Österreichweit gesehen nutzen 16 Prozent öfters Bus, Straßenbahn und U-Bahn. Auch Fahrrad (plus 13 Prozent) und Zug (plus acht Prozent) würden häufiger verwendet als 2011. Gleichzeitig antworteten 65 Prozent auf die Frage, ob sie ein oder mehrere Verkehrsmittel jetzt häufiger verwenden als vor drei Jahren, mit "Nein", in Niederösterreich und Burgenland sind es sogar 73 Prozent. Das "VAV-Mobiltätsbarometer", das am Mittwoch veröffentlicht wurde, zeige ein Stadt-Land-Gefälle, so die Versicherung. Das Image der Autofahrer leide vor allem in den Städten und die sichtbaren Kosten würden sich als wesentliche Faktoren der Nutzung erweisen. Auch sei das gefühlte Unfallrisiko gestiegen.

Radfahrer als Gefahr

Die größten Gefahren würden von "zu hohen Geschwindigkeiten" (76 Prozent) und "schlechten Sichtverhältnissen" (48 Prozent) ausgehen. In Wien sehen 58 Prozent der Autofahrer die Radfahrer als größte Gefahr. VAV schließt daraus, dass sich in Wien die Autofahrer zurückgedrängt fühlen. Der Versicherung zufolge gebe es Anzeichen für eine Polarisierung unter den Verkehrsteilnehmern.

Für 33 Prozent jener 694 Befragten, die angaben, mit dem Auto zu fahren, ist dieses "unverzichtbar für den Weg zur und von der Arbeitsstelle" - in Wien sind 23 Prozent dieser Meinung, in Tirol und Vorarlberg hingegen 43 Prozent. Für zwölf Prozent ist das Auto "ein reines Privatvergnügen".

Image leidet

15 Prozent wollen das eigene Auto in Zukunft öfters stehen lassen, in Städten mit mehr als 50.000 Einwohner sogar 26 Prozent. Landwirte hingegen lehnen der Umfrage zufolge geschlossen ab, die Auto-Nutzung künftig einzuschränken. In Wien gehen 36 Prozent davon aus, dass das Kfz in den kommenden Jahren an Stellenwert verliert.

Die Tankkosten sind für 64 Prozent der Umfrage-Teilnehmer entscheidend für die Verwendung des Autos. Darauf folgen Anschaffungskosten (62 Prozent), Versicherungsprämie (46 Prozent), Reparatur- und Servicekosten (43 Prozent), Steuern und Abgaben (38 Prozent), Parkgebühren (16 Prozent), Maut (elf Prozent). Für zehn Prozent sind die Kosten irrelevant. Bei der Wahl der Versicherung ist der Hälfte eine günstige Prämie am wichtigsten.

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