Den Marathon läuft er blind

Den Marathon läuft er blind
Trotz seiner Sehbehinderung geht Kristijan Ciganovic beim Vienna City Marathon an den Start.

Strahlender Sonnenschein, Temperaturen im zweistelligen Bereich. Im Wiener Prater sind an diesem Tag viele Laufbegeisterte unterwegs – so auch Kristijan Ciganovic. An und für sich nichts Ungewöhnliches, wäre da nicht eine Besonderheit: der 43-Jährige ist seit seinem vierzehnten Lebensjahr blind.

Den Marathon läuft er blind
"Die Leute in meinem Umfeld waren erstaunt, als ich von meinen Marathon-Plänen erzählt hab", sagt der gebürtige Kroate. "Kristijan, der immer faul war, läuft jetzt den Halbmarathon?" war nur eine von vielen Aussagen. Selbst seine Familie war überrascht. Ciganovic kann sich das Schmunzeln nicht verkneifen.

Unterstützung erfährt der Sportbegeisterte durch seine Begleitläufer – einer davon ist Helmut Hinek. Gemeinsam werden sie am Sonntag die Halbmarathon-Distanz beim Vienna City Marathon (VCM) bestreiten. "Ich laufe Marathon, weil ich mir selbst und anderen beweisen möchte, dass ich es kann", sagt Ciganovic mit Nachdruck. "Von Klein auf hab ich von Leuten gehört, ich würde dies und jenes ja bestimmt nicht können, egal, ob das jetzt vor dem Gymnasium oder vor der Uni war."

Sprachtalent

Den Marathon läuft er blind
Doch der 43-Jährige bewies, dass er es schaffen kann. Der Kroate schloss sein Sprachstudium in Spanisch und Latein ab, darüber hinaus spricht er fließend Deutsch und Tschechisch. "Man könnte sagen, ich bin ein Kosmopolit." Sprachen prägen auch Ciganovic’ Alltag: Seine Frau stammt aus Argentinien, die beiden wohnen in Wien und sprechen Spanisch miteinander. Kennengelernt hat sich das Paar über den Internet-Telefondienst Skype. "Meine Frau ist auch blind, aber die meisten Sachen im Alltag bewältigen wir selbstständig", erzählt das Energiebündel stolz. "Das macht Spaß. Das Leben muss Spaß machen, denn wenn etwas keinen Spaß macht, dann hat es keinen Sinn."

Dieser Leitsatz gilt bei ihm auch für den Sport. Zum nunmehr dritten Mal läuft der aufgeweckte Hobbysportler den Halbmarathon in Wien. Dabei stand sein Vorhaben kurz vor dem Scheitern. Die VCM-Organisatoren forderten von Ciganovic das doppelte Nenngeld, obwohl sein Begleitläufer ohne Startnummer und Zeitnehmung teilnimmt. "Als blinder Läufer bin ich auf eine Begleitperson angewiesen, sonst hab ich keine Chance." Mit Unterstützung der Behindertenanwaltschaft kämpfte er um sein Recht, bis die Veranstalter schließlich einlenkten. Ciganovic ist nur bedingt zufrieden. "Ich hoffe, dass ich der letzte blinde Marathonläufer war, der mit so einer Situation konfrontiert gewesen ist."

Mit seinem Schicksal hadert der 43-Jährige nicht. In der U-Bahn wurde er einmal gefragt, ob man es als Blinder nicht besonders schwierig habe, erzählt er. "Schwierig ist es nicht, habe ich geantwortet." Ciganovic lächelt. "Aber für dieses Abenteuer braucht man schon gute Nerven."

Am Sonntag gehört die Stadt den Läufern. In der Kernzeit des Marathons von etwa 8 Uhr bis Mittag empfiehlt der ÖAMTC die Innenstadt zu meiden. Erste Ausweichroute ist der Handelskai. Flughafen-Zufahrten und Stadtautobahnen sind frei. Gesperrt wird aber die Abfahrt Richtung Zentrum am Knoten Prater. Wer auf der A4 stadteinwärts unterwegs ist, wird von dort an über die Südosttangente umgeleitet. Zwischen dem Westbahnhof und der Schönbrunner Straße ist der Gürtel gesperrt. Möchte man aus den südlichen Bezirken auf die Westautobahn, kann über die Grünbergstraße ausgewichen werden. Aus Richtung Norden gelangt man über die Felberstraße zur Westausfahrt.

Ab 12.30 Uhr sind Linke Wienzeile und der Gürtel wieder befahrbar. Von 9.00 bis etwa 12.40 Uhr können der 6. Bezirk und Teile des 15. Bezirks nur zeitweise über Schleusen erreicht werden.

Die Mariahilfer Straße, wegen des Umbaus im unteren Teil ohnehin gesperrt, wird auch durchlaufen. Auch hier kann nicht gequert werden. Über die U-Station "Alte Donau" oder "Kagran" gelangen Marathon-Teilnehmer am besten zum Startgelände.

Zwölf Stunden pro Woche arbeitet Christian Pflügl. Österreichs Top-Läufer beim Vienna City Marathon nennt sich selbst "Halb-Profi", doch der Aufwand, den der 36-jährige Oberösterreicher betreibt, ist mehr als das. Vier Wochen lang war Pflügl in Kenia auf einem Höhentrainingslager, während seine Frau zu Hause blieb und den Haushalt mit drei Kindern geschupft hat. "Im Vorjahr waren es nur drei Wochen. Diesmal habe ich alles investiert."

Bis zu 220 Kilometer pro Woche ist Pflügl in Kenia gelaufen. Seit drei Jahren ist er Halb-Profi; sein großes Ziel ist Olympia 2016. Das nötige Limit dafür sind zwei Stunden und 14 Minuten. Seine persönliche Bestzeit von 2:15:58 soll am Sonntag in Wien fallen. "Ich liebäugle mit 2:15:00", sagt Pflügl vor seinem insgesamt zehnten Marathon, dem zweiten in Wien. Das Olympia-Limit kann er auch noch in Berlin und Frankfurt erbringen.

Österreichs zweiter Spitzenläufer, der Kärntner Roman Tramoy-Weger, geht es mit fast 41 Jahren schon ruhiger an. Er arbeitet 40 Stunden pro Woche. "Wenn ich um sechs Uhr Früh aufwach’ und keine Lust hab’, fahr’ ich halt direkt in die Arbeit." Vier Mal war er in Wien bester Österreicher, am Sonntag will er unter 2:24:00 bleiben.

Auf die Zeit der absoluten Top-Läufer wird den beiden ein wenig fehlen. Der Äthiopier Getu Feleke ist gekommen, um seinen Sieg vom Vorjahr zu verteidigen. "Wenn das Wetter passt, kann ich persönliche Bestzeit laufen", sagt der 28-jährige Favorit. Aktuell ist das 2:04:50. In Wien hat er im Vorjahr mit 2:05:41 gewonnen. Als größte Herausforderer für Feleke gelten sein Landsmann Sisay Lemma (24) und der Kenianer Duncan Koech (34).

Kommentare